Kulturspeicher Ueckermünde: gemeinsam kreativ gegen Einsamkeit
Auch Weihnachtswichtel können gegen Einsamkeit helfen. Der Kulturspeicher in Ueckermünde ist für viele Menschen in der Region Treffpunkt. Bei der NDR Benefizaktion Hand in Hand geht es um Spenden für Projekte, die gemeinsame Erlebnisse ermöglichen.
Es duftet nach Tannengrün, Moos und Kaffee. Auf einem großen Tisch liegen Zweige von Konifere, Nordmanntanne und Silbertanne. Auf den Tischen drumherum stehen Kartons mit Schleifenbändern, Zapfen, Pampasgras, Weihnachtskugeln und Glitzerschmuck. Mareen Schwirske (50) hat zum Adventsbasteln in den Kulturspeicher Ueckermünde eingeladen. Wetterfeste, stabile Adventswichtel sollen entstehen. Sieben Frauen und ein Mann legen los. Unter Anleitung kleidet jeder einen Ast mit grünen Zweigen ein.
"Immer schön den Wichtel drehen"
"Und immer schön dran denken: der Wichtel hat eine Vorderseite und eine Hinterseite. Also immer schön den Wichtel drehen“, empfiehlt Mareen Schwirske den Bastlern. Jeder darf sein ganz individuelles Exemplar anfertigen und später mit nach Hause nehmen.
Angebote wie dieses werden äußerst gut angenommen, erzählt die Ehrenamtlerin. Der Bedarf sei da, doch sie sehe eine Hemmschwelle, besonders bei alleinstehenden Frauen. Sie würden sich oft nicht trauen, sich anzumelden. "Wenn mich jetzt jemand fragt: kann ich auch alleine kommen, ist das für mich so eine Aussage: alleine bin ich jetzt nicht so viel wert, als wenn man zu zweit einen Partner hat.“
Marlies Seeger (67) ist verwitwet und hat sich getraut. Schon zum zweiten Mal ist sie bei so einem Workshop dabei. "Das gefällt mir so gut, die Gemeinschaft. Man ist Rentner, man ist den ganzen Tag alleine zu Hause. Man hat 40 Jahre gearbeitet und da fehlt einem doch schon ein bisschen.“ Den Ehrenamtlern zollt sie Respekt: "Hut ab, wenn einer sowas übernimmt hier und mit uns da am Wochenende bastelt.“
Weit und breit ist der Kulturspeicher in Ueckermünde das einzige Kulturhaus, das regelmäßig geöffnet hat, erzählt Katrin Starke (76), die Vorsitzende des Vereins Kulturspeicher Ueckermünde e.V. Dass die Ehrenamtler es einmal so weit bringen würden, daran habe damals kaum jemand geglaubt.
Das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert diente ganz früher dem Aus- und Umspannen von Pferden. Später beherbergte es eine Stellmacherei. Nach Kriegsende wurde es lange als Kornspeicher genutzt. Von 1990 an stand der Fachwerkspeicher jahrelang leer.
Ein Kraftakt, der sich am Ende lohnt
Doch schließlich sollte wieder Leben einkehren. Katrin Starke und eine Freundin bekamen im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme den Auftrag, sich zu überlegen, wie man den Tourismus in Ueckermünde in Schwung bringen könne. Die beiden Frauen hatten bald eine Idee: ein Zentrum für Kunst und Kultur. 1999 entstand so der Verein. Die Stadt verkaufte den Ehrenamtlern das abbruchreife Gebäude in der Bergstraße.
"Hier war kein Fußboden drin und nichts. Das Dachgeschoss war auseinander gefallen und ich weiß genau, dass dann ganz viele gesagt haben, das kann man nicht mehr retten. Das muss abgetragen werden“, berichtet Katrin Starke. "Bloß gut, dass wir diesen Mut hatten, das anzupacken und was daraus zu machen. Wir haben nicht gewusst, was auf uns zukommt. Also, wir sind da ganz naiv reingestolpert.“
Mit Hilfe eines Förderprogramms und auch mit Hilfe von Unternehmern aus der Region, die genug Phantasie hatten, gelang es schließlich, das Gebäude auf drei Ebenen innerhalb von sechs Jahren zu sanieren.
Eine Perle mit besonderem Ambiente
Inzwischen ist der Kulturspeicher in der gesamten Region bekannt. Viele Besucher und auch die Ehrenamtler lieben das besondere Ambiente zwischen Backstein und zum Teil noch originalen Holzbalken. Die Vereinsmitglieder organisieren Ausstellungen, Konzerte und Lesungen. Außerdem gibt es regelmäßige Angebote wie einen Keramikkurs und einen Leseclub. Der Laden mit vielen Waren von regionalen Produzenten ist montags bis freitags geöffnet, in der Saison auch sonnabends. Urlauber sehen den Ort auch als eine Art Touristinformation an, fragen nach Ausflugsmöglichkeiten und nach dem Weg, erzählen die Ehrenamtler.
Einsatz mit Leidenschaft für das Ehrenamt
Das alles am Leben zu halten, ist eine große Herausforderung. Monatlich fallen etwa Kosten für die Heizung an. Reparaturen und Gagen für die Künstler müssen bezahlt werden. Im Schnitt sind täglich zehn Ehrenamtler im Einsatz für den Kulturspeicher und verbringen dort praktisch ihre gesamte Freizeit. "Sie stecken ihre ganze Kraft und Energie da rein und den Elan und die Freude daran, für die Menschen hier irgendetwas zu machen“, so die Vereinsvorsitzende. Jeder fühlt sich für das Haus und für seinen Bereich verantwortlich. "Ich persönlich bin schon davon überzeugt, dass es gut ist, wenn man in Verantwortung geht und eben auch verbindlich lebt mit seinem Umfeld, mit seinem Gegenüber, mit den Menschen, mit denen man zu tun hat und das passiert hier“, sagt Kathrin Nielsen, (59) die im Speicher regelmäßig zum Keramikkurs einlädt.
Die 45 Mitglieder sind untereinander befreundet, sehen sich als Familie. "Wir essen dann auch zusammen und haben Spaß zusammen und dass ich das Gefühl habe, das macht ich wirklich richtig glücklich“, so Katrin Starke. Jährlich bekommt der Verein eine Förderung von 4.000 Euro vom Landkreis. Ansonsten finanzieren die Ehrenamtler die laufenden Ausgaben über Einnahmen aus einer Ferienwohnung und aus den Verkäufen im Laden.
"Es soll weitergehen, da sind wir uns alle einig“, sagt Katrin Starke. Das bräuchte eine kontinuierliche Finanzierung nicht nur für die Projekte, sondern auch für das Haus als solches. "Es wäre wirklich total schön, wenn uns das gelänge, langfristig da eine Lösung herbeizuführen.“
Nach knapp zwei Stunden Binden, Knüpfen und Kleben sind in der Adventswerkstatt acht ganz unterschiedliche Wichtel entstanden. Eine rote Kugelnase, einen naturweißen Bart aus Pampasgras und eine rundum leuchtende Zipfelmütze hat der Wichtel von Marlies Seeger bekommen. "Da geht einem doch das Herz auf, wenn man nachher nach Hause kommt und kann das präsentieren den Kindern, was man hier geschaffen hat.“