6 | 29 Als Wilhelm Simonsohn mit 15 Jahren in die Marine-Hitlerjugend kommt, wird er dort als "Judenlümmel" beschimpft und versteht die Welt nicht mehr.
7 | 29 Verwirrt zu Hause angekommen, schickt der Vater ihn zum Pastor - und der klärt ihn auf: nicht nur über die Adoption, sondern auch darüber, dass sein Ziehvater - zwar zum Christentum konvertiert und deutsch-national gesinnt - jüdischer Abstammung ist.
8 | 29 Der Liebe zu seinen Eltern tut dieses Wissen keinen Abbruch. Die deutsch-nationale Gesinnung seines Vaters, der im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, erklärt Simonsohn sich mit einer Art Überassimilierung. Doch die jüdischen Wurzeln haben Folgen: Nach dem Juden-Boykott 1933 geht sein Vater bankrott, 1938 wird er ins KZ deportiert.
9 | 29 Wilhelm Simonsohn - hier als Rekrut - setzt sich für seinen Vater ein. Schreibt Briefe an hohe Dienststellen und erklärt die Soldaten-Vergangenheit seines Vaters - sodass dieser nach wenigen Wochen wieder nach Hause kommen kann. Doch er ist gebrochen und stirbt an den Folgen seiner Inhaftierung.
12 | 29 Er liebt das Fliegen - und hadert gleichzeitig schon bald mit seiner Rolle im Krieg. Er schwört sich - soweit es in seiner Macht steht -, niemals auf zivile Einrichtungen zu feuern.
Gemeinsam mit zwei Kollegen an Bord wird Simonsohn 1944 von einer britischen Einheit abgeschossen. Alle drei können sich mit Fallschirmen aus der Maschine retten und überleben. Noch heute ist Simonsohn überwältigt von der Erleichterung und den Glücksgefühlen, wenn er daran zurückdenkt.
16 | 29 1954 bekommen die beiden Zwillinge: Barbara und Cornelia. Simonsohn füllt seine Vaterrolle modern aus: Mit Begeisterung wickelt er seine Töchter, spielt mit ihnen und schiebt sie im Zwillingswagen quer durch Hamburg.
18 | 29 ... doch er habe sich gerne und mit Haut und Haaren darauf eingelassen. Neben seiner Arbeit in der Verwaltung des UKE kümmert er sich um seine beiden Töchter, wann immer es geht.
22 | 29 Das letzte Familienfoto von Wilhelm Simonsohn gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Töchtern. 2005 verunglückt Elisabeth. Sie liegt noch mehrere Wochen im Koma, bis sie stirbt.
23 | 29 Der Tod seiner Frau stürzt Simonsohn in tiefe Trauer. Er fühlt sich rastlos und reist noch einmal an viele der Orte, die sie gemeinsam besucht hatten.
24 | 29 Und er engagiert sich auch auf einer anderen Ebene gegen das Vergessen: Als Zeitzeuge besucht er bis 2019 regelmäßig Schulen und erzählt Jugendlichen von den wechselvollen Zeitläuften der deutschen Geschichte, die er hautnah miterlebt hat.
25 | 29 Schon früh war Simonsohn beeindruckt von Haltung und Politikstil des Sozialdemokraten Helmut Schmidt. Beide wuchsen zeitgleich in Hamburg auf und waren bei der Marine-Hitlerjugend.
26 | 29 Über Simonsohns Autobiografie "Was für ein Leben" erfährt auch Schmidt von Simonsohn und lädt ihn als damaliger Mit-Herausgeber der "Zeit" in die Redaktionsräume ein.
27 | 29 Im Juli 2019 wird Wilhelm Simonsohn im Hamburger Rathaus für sein ehrenamtliches zivilgesellschaftliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
28 | 29 Abgeschlossen ist sein Tatendrang damit noch längst nicht: Als Zeitzeuge mahnt er weiterhin gegen das Vergessen nationalsozialistischer Gräueltaten. Und auch für die Vision einer besseren Umwelt engagiert er sich, wie hier mit seiner Familie bei einer Klima-Demonstration in Hamburg.
29 | 29 Seine Begeisterung für das Fliegen ist auch im hohen Alter ungebrochen. Im Alter von 102 Jahren lebt er in seiner Eigentumswohnung in Hamburg-Altona, in die er 1962 eingezogen ist.