Stand: 12.07.2021 | 09:33 Uhr | Doku & Reportage
1 | 22 "Ich habe viel Glück in meinem Leben gehabt, ein ganz großes Glück, ein unheimliches Glück", sagt Esther Bejarano. Die Jüdin überlebte den Holocaust. Offenbar rettete ihr das Akkordeonspiel im Orchester in Auschwitz das Leben. Jahrzehntelang engagiert sich Bejarano gegen Rechtsextremismus.
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2 | 22 Bejarano wird 1924 als Esther Loewy im Saarland geboren. Schon ihre Mutter Margarethe sei sehr musikalisch gewesen, erzählt sie. Ihr Vater Rudolf auch - er war Kantor einer jüdischen Gemeinde. (Alle historischen Privat-Fotos stammen aus dem Buch "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg)
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
3 | 22 Bejarano berichtet von einer glücklichen Kindheit in den 1920er-Jahren. Sie ist die Jüngste von vier Geschwistern.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
4 | 22 Doch nachdem die Nazis in den 1930er-Jahren an die Macht kommen, gerät auch die heile Welt von Esther (vorne rechts) langsam aus den Fugen. Sie muss die christliche Schule, die sie bis dahin in Saarbrücken besucht, verlassen und auf eine jüdische Einrichtung wechseln.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
5 | 22 Die Familie wechselt in den kommenden Jahren mehrfach den Wohnort, weil der Vater Schwierigkeiten hat, Arbeit zu finden. 1938 wohnen sie in Ulm. Esther lernt einen Jungen kennen, er ist kein Jude. "Seine Eltern durften von unserer Freundschaft nichts wissen, weil sie Nazis waren. Auch meine Eltern waren beunruhigt."
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
6 | 22 1939: Von den vier Geschwistern wohnt nur noch Esther bei den Eltern. Ihr Bruder Gerhard ist in die USA geflohen, ihre Schwester Tosca nach Palästina. Ihre Schwester Ruth wartet in einem Auswanderungslager auf die Emigration nach Palästina. Es ist nicht genug Geld vorhanden, damit auch die restliche Familie Deutschland verlassen kann.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
7 | 22 Auch Esther (vorne rechts) wird von ihren Eltern 1941 in ein von Zionisten betriebenes Auswanderungslager geschickt. In der Nähe von Berlin soll sie sich auf das Leben in Palästina vorbereiten. Doch es kommt anders. Die Nazis schließen alle Auswandererlager.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
8 | 22 Stattdessen kommt Esther (Aufnahme von 1942) in ein Zwangsarbeiterlager. Sie muss für eine Blumenhandlung arbeiten. Wenigstens hat sie Glück mit ihrem Chef. Der Mann ist Kommunist und ein Nazi-Gegner. Doch 1943 wird Esther wie Hunderttausende andere Juden von Hitlers Schergen weiter verfrachtet - nach Auschwitz.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
9 | 22 Esther überlebt das Lager vermutlich nur, weil sie im Mädchenorchester als Akkordeonistin unentbehrlich ist. Die SS zwingt die Musikerinnen, fröhliche Märsche zu spielen, während andere Häftlinge in die Gaskammern geführt werden.
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10 | 22 Esther darf das Vernichtungslager Ende 1943 wieder verlassen, weil sie eine "arische" Großmutter hat. Sie überlebt auch die anschließende Zeit als Zwangsarbeiterin im KZ Ravensbrück. Nach der Befreiung durch die Alliierten geht Esther nach Palästina. Im September 1945 wird sie dort von Familienangehörigen empfangen.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
11 | 22 Die Nazis haben Esthers Eltern, ihre Schwester Ruth, deren Ehemann und viele andere Verwandte und Freunde ermordet. Mehr als fünf Millionen Juden fallen den NS-Verbrechen zum Opfer. Viele Holocaust-Überlebende haben anschließend keine Worte, um über ihre Erlebnisse zu reden. So auch Esther. Sie findet Trost in der Musik.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
12 | 22 Die junge Frau macht eine Ausbildung als Koloratursopranistin und singt in der Oper und im Ron-Chor. Bei diesem Auftritt in Prag ist Esther in der ersten Reihe rechts neben dem Dirigenten zu sehen.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
13 | 22 In Israel lernt Esther später Nissim Bejarano kennen. Die beiden heiraten und bekommen zwei Kinder.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
14 | 22 Trotz großer Zweifel, ob sie dort sicher sein werden, zieht die Familie 1960 in die Bundesrepublik. Esther eröffnet in Hamburg eine Wäscherei.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
15 | 22 Später macht sie ein Modegeschäft auf. In den 1970er-Jahren erlebt Esther, wie Neonazis in der Nähe ihres Ladens Propaganda machen. Die Jüdin ist entsetzt. Esther beschließt, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren und von ihren Erlebnissen zu berichten.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
16 | 22 1982: Beim Konzert "Künstler für den Frieden" steht Bejarano als Sängerin auf einer Bühne mit Harry Belafonte (v.l.), Hannes Wader und André Heller.
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
17 | 22 Bejarano wird zu vielen politischen Veranstaltungen eingeladen. Sie erzählt, diskutiert, singt. Sie reist auch in die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Beim ersten Besuch dort soll sie im Inneren des Lagers übernachten. "Das konnte ich nicht ertragen, ich habe kein Auge geschlossen; das war eine Zumutung."
© "Esther Bejarano: Erinnerungen", Laika Verlag, Hamburg
18 | 22 Bejarano übernimmt den Vorsitz des deutschen Auschwitz-Komitees. Vor allem Jugendlichen erzählt sie immer wieder, was sie als verfolgte Jüdin erlebt hat.
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19 | 22 Und Bejarano bleibt auch im hohen Alter musikalisch. Als Mitglied der Gruppe Microphone Mafia rappt sie bei zahlreichen Konzerten gegen Neonazis.
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20 | 22 Als Friedensaktivistin erhält Bejarano viele Auszeichnungen. Über ihr Leben schreibt sie die Bücher: "Wir leben trotzdem" und "Erinnerungen". Auch mit über 90 Jahren engagiert sie sich noch: "Als politisch interessierter Mensch muss ich sehen, was geschieht, und dagegen kämpfen."
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21 | 22 Auch 2019, mit 95 Jahren, hält sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Im Hamburger Prozess gegen einen früheren KZ-Wächter sitzt sie im Publikum und konstatiert: "Wer dabei war, hat alles gewusst und damit ist er meiner Meinung nach auch schuldig."
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22 | 22 Am 10. Juli 2021 stirbt Esther Bejarano in ihrer Wahlheimat Hamburg. Sie wurde 96 Jahre alt.
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