Sendedatum: 26.02.2016 | 12:40 Uhr | NDR Kultur
1 | 20 Am 17. Juli 1975 wird in Hamburg eine grausige Mordserie bekannt: Der Wachmann Fritz Honka hat seine Opfer zerstückelt und die Leichenteile in seiner Wohnung im Stadtteil Ottensen versteckt. Ihm werden Morde an vier Frauen angelastet.
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2 | 20 Der Tag beginnt so: Um 3.37 Uhr gibt es in der Feuerwache Ottensen Alarm. Es brennt in der Zeißstraße 74. In nur wenigen Minuten sind die Feuerwehrmänner vor Ort. Im zweiten Stock ist ein norwegischer Seemann, dem der Strom abgestellt wurde, bei Kerzenlicht eingeschlafen. Jetzt brennt es in seiner Wohnung. Die Flammen fressen sich durch die Decke. Auch auf dem Dachboden und in der Zwei-Zimmer-Mansardenwohnung des Mieters Fritz Honka müssen die Feuerwehrleute nach Glutnestern suchen.
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3 | 20 Gerd Mahnke ist an dem Tag einer der ersten Feuerwehrleute am Brandort. Er entdeckt mit seinen Kollegen in Honkas Wohnung Müllsäcke, die prall gefüllt sind. Zunächst vermuteten sie darin Fleisch vom Schlachthof, erzählt er. Doch schnell wird ihnen klar: Es ist menschliches Fleisch, zerstückelte Leichen. Sie informieren die Polizei.
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4 | 20 Die Leichenteile liegen versteckt in Verschlägen. Die Polizei lässt Dielen aufhebeln und Wände einreißen, um das ganze Ausmaß dieses Fundes feststellen zu können.
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5 | 20 Am Ende finden sie verweste und mumifizierte Körperteile von insgesamt vier Frauen. Die Leichen werden in die Gerichtsmedizin gebracht.
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6 | 20 Noch während die Polizei in dem Haus ermittelt, steigt Honka die schmale Stiege zu seiner Wohnung nach oben. Er kommt von seiner Schicht als Nachtwächter nach Hause. Für die Beamten Karl Pries (l.) und Jürgen Vierle ist klar: Mit diesem Mann müssen sie sich näher beschäftigen. Denn: Alle Leichen werden in oder angrenzend zu Honkas Wohnung gefunden.
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7 | 20 Auch die Wohnung selbst kommt den Polizisten verdächtig vor. Honka hat die Wände mit Pornobildern regelrecht tapeziert, überall liegen Bier- und Schnapsflaschen. Die Ermittler fahren mit ihm von der Zeißstraße ins Polizeipräsidium Berliner Tor. Im Zimmer 707 verhören sie den 39-Jährigen - stundenlang. Schließlich sagt Honka einem Vernehmungsbeamten, dass er wohl drei Frauen in seiner Wohnung getötet habe. Er könne sich aber nicht daran erinnern. Von einer vierten Toten will Honka nichts wissen. Er gibt jedoch zu, dass er die Leichen beiseite geschafft hat.
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8 | 20 Der Fall elektrisiert die Menschen in Hamburg. Die Presse seziert die Details: "Vier Frauen von Nachtwächter zerhackt", titelt die "Bild"-Zeitung. Und: "Der Massenmörder lebte zwischen Puppen und Pornos". Dazu serviert "Bild" Fotos aus der "Folterkammer des Altonaer Mörders". Noch am Tag der Festnahme des mutmaßlichen Täters sagt Honkas Ex-Frau dem Blatt: "Zutrauen würde ich es ihm schon." Das "Hamburger Abendblatt" berichtet, dass er "grausame Orgien" gefeiert habe. Die "Morgenpost" präsentiert "Das Brett, auf dem Honka die toten Frauen zersägte".
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9 | 20 Honka sucht sich einsame Frauen. Sie arbeiten als Gelegenheits-Prostituierte auf dem Kiez. Für ein Getränk sind sie nett zu Männern, für fünf Mark - einen "Heiermann" - gibt es Sex. Einen festen Wohnsitz haben die meist in die Jahre gekommenen Frauen nicht. Oft haben sie ein Alkoholproblem. Als sie verschwinden, vermisst sie kaum jemand.
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10 | 20 Im "Goldenen Handschuh" auf St. Pauli schleppt Honka immer wieder Frauen ab. Hier ist er Stammgast. "Bring der da mal 'n Drink von mir!", flüstert er dem Wirt zu, wenn ihn eine interessiert. Bei Brause-Korn oder Rum-Cola kommt er mit den Frauen ins Gespräch.
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11 | 20 Jörn Nürnberg, Senior-Chef des "Goldenen Handschuhs", erinnert sich noch gut an Honka und seinen Hang, Frauen mit nach Hause zu nehmen. "Die waren ja froh, wenn sie mal in einem Bett schlafen konnten. Die hatten ja nichts." Seit damals heißt seine Kneipe auch "Honka-Stube".
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12 | 20 Honkas erstes Opfer ist die 42-jährige Gertraud Bräuer. Sie war mit einer Frau mitgegangen, die seit ein paar Wochen bei Honka hauste. In der Zeißstraße betrinken sie sich Anfang Dezember 1970 gemeinsam. Einem "Dreier" verweigert sich Bräuer. Irgendwann schläft Honkas Freundin alkoholisiert ein. Nun will er Sex mit Bräuer. Als sie sich wehrt, vergewaltigt er sie und stranguliert sie mit einer Gardine.
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13 | 20 Am 2. November 1971 werden Bräuers abgetrennter Kopf und weitere Leichenteile in der Nähe seines Hauses gefunden. Die Brachfläche sieht heute fast noch genauso aus wie damals. Den Rumpf von Bräuer versteckt Honka in seiner Wohnung.
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14 | 20 Mit einer Säge zerteilt Honka seine Opfer und versteckt sie in den Dachnischen des Hauses. Nach Gertraud Bräuer sterben 1974 auch Anna Beuschel (54) und Frieda Roblick (57). 1975 wird Ruth Schult (52) grausam ermordet. Honka versucht, den Verwesungsgeruch mit Klosteinen zu überdecken. Dutzende nach Fichte riechende Steine legt er aus. Die Nachbarn beschweren sich zwar beim Hausmeister und rufen sogar die Polizei. Am Ende schiebt man die Geruchsbelästigung aber auf die ausländischen Hausbewohner: Sie würden immer mit so vielen exotischen Gewürzen kochen.
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15 | 20 Gekämmte Haare, sauber rasierter Bart: So kennen die Leute auf dem Kiez und in der Ottensener Nachbarschaft Fritz Honka. Ursprünglich kommt Honka aus Sachsen. Geboren wird er 1935 in Leipzig. Mit fünf Jahren schlägt ihn sein Vater fast tot, erinnert sich Honka. Die Mutter ist mit ihren neun Kindern überfordert. Fritz wächst in Heimen auf. Er will Autoschlosser werden, ist aber zu schlecht in der Schule. Eine Maurerlehre bricht er aus gesundheitlichen Gründen ab. Ein Selbstmordversuch scheitert. Mit 16 reißt Honka aus der DDR in den Westen aus. Er arbeitet auf Bauernhöfen, bezieht dort oft Prügel. Bei einem Unfall wird Honka schwer verletzt: Ein Auto fährt ihn an, als er mit dem Fahrrad unterwegs ist. Honka behält ein deformiertes Gesicht zurück und schielt stark. Er kann nicht mehr schwer arbeiten.
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16 | 20 1956 scheint es zunächst eine Wende in seinem Leben zu geben: Honka zieht nach Hamburg, findet Arbeit im Hafen. Er heiratet. Das Paar bekommt einen Sohn. Doch die Ehe ist nicht glücklich: Immer öfter sitzt Honka in Kiez-Kneipen. Seine Frau lässt sich von ihm scheiden - weil er säuft und sie betrügt und schlägt, wie sie sagt. Zwei Jahre später heiraten die beiden erneut. Und lassen sich wieder scheiden. Auch polizeilich tritt Honka in Erscheinung: Er steht wegen versuchter Vergewaltigung vor Gericht. Weil er stark betrunken war, wird er nur wegen Körperverletzung verurteilt. In den Kneipen von St. Pauli fällt er trotzdem nicht negativ auf - im Gegenteil, wie der Senior-Chef des "Goldenen Handschuhs" noch heute betont. Honka habe dort nie gestört, "der hat nichts gemacht", so Jörn Nürnberg.
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17 | 20 Der Mordprozess gegen Fritz Honka beginnt im November 1976. Von seinem umfangreichen Geständnis, das er zwölf Tage nach der Entdeckung der Leichen abgelegt hat, rückt Honka in der Verhandlung wieder ab. Er gibt aber weiterhin zu, die Leichen zerstückelt zu haben. Bloß: Warum sollte er die Leichen bei sich versteckt haben, wenn er die Frauen nicht getötet hat? Selbst seine Anwälte gehen davon aus, dass Honka die Frauen erdrosselt hat.
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18 | 20 Zu Honkas Verteidigern zählt Star-Anwalt Rolf Bossi. Er will seinen Mandanten für unzurechnungsfähig erklären lassen. Und zwar nicht nur, weil dieser bei den Taten alkoholisiert war. Er arbeitet heraus, dass sich Honka von den Frauen schwer beleidigt und provoziert gefühlt habe, sodass der Mordvorwurf schließlich nur in einem Fall zur Geltung kommt. Bossi betont das trostlose Leben Honkas, der selbst "kaputt gemacht" worden sei, und plädiert auf Unterbringung in der Psychiatrie. Und so kommt es auch: Honka wird zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Im Urteil vom Dezember 1976 wird verminderte Schuldfähigkeit und eine "seelische Abnormität des Angeklagten" hervorgehoben.
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19 | 20 Honka verbüßt seine Strafe im Hamburger Klinikum Ochsenzoll. Nach 15 Jahren darf er es gelegentlich verlassen, dann wird er auf Probe entlassen. 1996 kommt er offiziell frei. Honka zieht in ein Altenheim in Scharbeutz an der Ostsee - unter dem Pseudonym Peter Jensen. Niemand soll von seiner Vergangenheit erfahren. Doch weil er zunehmend verwirrt ist und sich verfolgt fühlt, muss er zurück in die Psychiatrie. Am 19. Oktober 1998 stirbt Fritz Honka im Alter von 63 Jahren in Hamburg.
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20 | 20 Noch lange nach seinem Tod beschäftigt der Fall Honka die Menschen. Viele fragen sich bis heute, warum seine Taten so lange unentdeckt blieben: Gestank, dessen Ursache niemand erkannte, Frauen, die kaum jemand vermisste. Das Haus in der Zeißstraße steht noch heute. An die toten Frauen erinnert dort nichts mehr.
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