Stand: 20.09.2017 15:23 Uhr

Kampf um die Zukunft von ARD und ZDF

von Daniel Bouhs
SWR-Justiziar Hermann Eicher beim BDZV-Kongress in Stuttgart. © BDZV Foto: BDZV
SWR-Justiziar Hermann Eicher verteidigt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beim BDZV-Kongress in Stuttgart.

Für ARD-Manager Hermann Eicher muss sich dieser Termin in Stuttgart wie ein Besuch in der Höhle des Löwen angefühlt haben. Der Justiziar des Südwestrundfunks, der auch wesentlich an der Umstellung von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag mitgearbeitet hat, besuchte den Jahreskongress der deutschen Zeitungsverleger - die derzeit so laut gegen öffentlich-rechtliche Angebote lobbyieren wie nie zuvor.

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Verlagsangebote liegen bei Abrufzahlen vorne

"Wir sind nicht ihr Problem!", erklärte Eicher auf der Bühne nachdrücklich. Er versuchte den Eindruck zu zerstreuen, öffentlich-rechtliche Angebote ließen Verlagen keine Chance auf Geschäfte im Digitalen, weil sie neben Radio- und Fernsehbeiträgen teils auch umfangreiche Texte veröffentlichten. Die tatsächlichen Abrufzahlen der Portale sprächen indes eine andere Sprache, so Eichers Botschaft: "'Süddeutsche.de', 'Zeit Online', 'Focus Online', 'Spiegel Online', 'Bild.de' - mit absolutem Abstand vorne."

Streitpunkte Depublikationspflicht und Presseähnlichkeit

Die Länder, die in Deutschland für die Medienpolitik zuständig sind, wollen den Auftrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio im Digitalen überarbeiten, also die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Angebote im Netz neu justieren. Es geht dabei im Wesentlichen um zwei Vorgaben im Rundfunkstaatsvertrag: Wie lange dürfen Beiträge im Netz bleiben ("Depublikation")? Und wie viel Text - wie in dieser übrigens - dürfen die Sender neben Audio und Video veröffentlichen ("Presseähnlichkeit")?

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Kampf ums Überleben?

Die zweite Frage ist für die Verlage die entscheidende. Aus ihrer Sicht kämpfen sie dabei ums Überleben im digitalen Zeitalter, denn: Hier läuft das Geschäft mit Werbung deutlich schlechter als in gedruckten Zeitungen und Magazinen. Sie wollen deshalb auch für ihre Online-Angebote Abonnements verkaufen. Doch warum, fragen sich die Verleger, sollen Leser für Artikel etwa von FAZ oder "Welt" auf Smartphones Geld ausgeben, wenn öffentlich-rechtliche Sender Berichte und Reportagen - auch zum Nachlesen - frei auf ihre Seiten stellen? Etwas, was einige Verlage nach wie vor so machen.

Mathias Döpfner, der Präsident des Verlegerverbandes BDZV und Leiter des Medienhauses Axel Springer, forderte deshalb auf dem Verlegertreffen Politiker wie den anwesenden baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) auf, "künftig deutlicher stärker auf die Belange der Presseverlage zu achten". Andernfalls entstünde "eine für uns mittelfristig deutliche Schieflage gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland".

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Döpfner spricht von "Staatspresse und Staatsfernsehen"

Vor allem ein Spruch löste bei der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz Empörung aus. Döpfner sagte: "Es braucht die Vielfalt der privaten Angebote. Nur Staatsfernsehen und Staatspresse im Netz - das wäre eher etwas nach dem Geschmack von Nordkorea." Öffentlich-rechtliche Angebote im Netz so etwas wie nordkoreanische Staatspresse? Die ARD, die sich lange mit scharfen öffentlichen Äußerungen zurückgehalten hat, stieg in den offenen Schlagabtausch ein - und nutzte für den Konter mit der 20-Uhr-Ausgabe ihrer "Tagesschau" ihre prominenteste Bühne. "Worte können ja bekanntlich zu Waffen werden, man sollte vorsichtig mit ihnen umgehen", sagte ARD-Vorsitzende Karola Wille. Döpfner rief sie im eigenen Programm außerdem zu: "So eine Wortwahl spielt natürlich Populisten und Verschwörungstheoretikern auch in die Hände.

Buhrow kontert: "Wer austeilt, muss auch einstecken können"

Die ARD geht in der medienpolitischen Diskussion nun offensichtlich gezielt in die Offensive. WDR-Intendant Tom Buhrow sagte im Interview mit ZAPP am Rande einer regulären Pressekonferenz der Intendanten in Köln: "Wir suchen nicht die Konfrontation, wir haben aber auch lange immer die andere Wange hingehalten - ganz staatstragend und verständnisvoll. Da muss ich jetzt wirklich Richtung Verlage sagen: Wer austeilt, muss auch einstecken können." Alle Intendanten seien Wille "sehr dankbar für die klaren Worte, die sie gefunden hat". Die rhetorische Handbremse scheint gelöst.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk das falsche Feindbild

Buhrow äußerte zwar Verständnis für die Verlage ("für sie ist die Situation schon ernst"), er lenkte die Aufmerksamkeit allerdings auf das Silicon Valley: "Wer plündert denn eure Inhalte? Das sind doch die multinationalen Konzerne, die ohne zu fragen Inhalte ins Netz stellen, die ihr und wir mit großem Aufwand produziert haben." Ein Problem, das auch BDZV-Chef Döpfner erkannt hat. Zum Streit über die öffentlich-rechtlichen Texte im Netz sagte der Intendant der größten ARD-Anstalt, es gehe nicht darum, was man medienpolitisch aushandle, sondern was die Nutzer wollten. "Der Nutzer will Filme und Audio-Clips haben. Er möchte aber auch Texte, wenn er sich informieren will", so Buhrow.

Staatsfunk? Provokation gehöre "auch ein bisschen dazu"

Die Tagung der Zeitungsverleger in Stuttgart © BDZV Foto: BDZV
Auf der Tagung der Zeitungsverleger in Stuttgart wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk - wie erwartet - scharf angegriffen.

Die Verlage positionieren sich derweil nicht nur auf Branchentreffen. Sie klagen derzeit auch gegen diverse Angebote der ARD. Einige Zeitungen kritisieren die Öffentlich-Rechtlichen zudem schon länger mit deutlichen Worten, vor allem die FAZ und ihre Sonntagszeitung. Hier fallen immer wieder Kampf-Vokabeln wie "Staatsfunk" und "Zwangsgebühr". Michael Hanfeld, der die Medien-Seite der FAZ leitet und stellvertretender Chef des Feuilletons ist, sagte ZAPP, so eine Provokation gehöre "auch ein bisschen dazu".

Hanfeld rechtfertige insbesondere die Formulierung "Zwangsbeitrag": "Sie können nicht sagen: 'Ne, ich finde die Programme nicht gut, ich möchte sie nicht sehen oder sehe sie auch nicht'. Trotzdem zahlen sie. Da kann man schon 'Zwangsbeitrag' sagen." Für die Verlage seien es zudem entscheidende Zeiten, und Verlage müssten lauter für ihre Interessen werben als Sender, die über ihre Gremien noch immer einen besseren Kontakt zur Politik hätten als Privatmedien.

Eicher: "BDZV startet so etwas wie eine Kampagne"

SWR-Justiziar Eicher, der sich in die Höhle des Löwen gewagt hatte, warf den Verlagen nach seinem Besuch auf dem Verlegertreffen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk wiederum offen vor: "Der BDZV startet so etwas wie eine Kampagne, die auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einwirken soll – was seine Glaubwürdigkeit anlangt. Indem man die Metapher von der 'Staatspresse' aufgenommen hat, kann man das einfach nicht anders bewerten."

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ZAPP | 20.09.2017 | 23:20 Uhr

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