Hans Leyendecker: Ein Journalist blickt zurück
Selbstkritik fällt Journalisten bisweilen schwer, doch Investigativ-Journalist Hans Leyendecker schaut kritisch auf sein Lebenswerk. "Das, was ich früher so großartig fand - wenn jemand zurücktrat aufgrund einer Geschichte -, das finde ich heute gar nicht mehr großartig", sagt Leyendecker gegenüber ZAPP. Er habe im Laufe der Zeit ein distanziertes Verhältnis zu sich gefunden, etwa zu seiner Berichterstattung für den "Spiegel" über den einstigen Ministerpräsidenten Lothar Späth. "Das war von der Sache her okay. Aber die Form würde ich heute nicht mehr machen", sagt Leyendecker. "Da sind schon einige Punkte, wo ich mit mir selbst auch nicht mehr so zurechtkomme, wie ich gewesen bin."
Flick-Affäre, "Traumschiff-Reisen"
Leyendecker hatte zunächst für den "Spiegel" diverse Skandale enthüllt, darunter die Affäre um die Parteispenden des Flick-Konzerns, aber auch die "Traumschiff-Reisen" des CDU-Politikers Späth, der sich von Industriellen einladen ließ und 1991 unter der Last der öffentlichen Kritik zurücktrat. Seit 1997 recherchiert Leyendecker für die "Süddeutsche Zeitung". In München hat er ein Investigativ-Ressort aufgebaut, die Leitung 2016 aber an Nicolas Richter abgegeben. Seitdem schreibt Leyendecker nur noch sporadisch für die SZ.
"Tipps, wie man anständig bleibt"
"Ich war ein Hai beim 'Spiegel'. Ich war nicht nett, andere waren auch nicht nett und wir haben uns gekloppt und gestritten. Das habe ich bei der 'Süddeutschen' nie erlebt", so der Journalist über die beiden Häuser. Seine fast 19 Jahre beim "Spiegel" seien zwar "eine tolle Zeit" gewesen. Ihm habe aber der Wechsel zur SZ "unheimlich gutgetan". Leyendecker sagt nach 21 Jahren SZ: "Es ist für mich ein Glück, dass ich hier gelandet bin." Bei der Ausbildung des Nachwuchses habe er Volontären anfangs vor allem erzählt, wie sie an brisante Unterlagen kommen. "Heute gebe ich mehr Tipps darüber, wie man anständig bleibt."
"Streiten und diskutieren"
Inzwischen organisiert der 69-Jährige als Präsident den Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund. "Die Angst, es zu verbocken, ist seit der ersten Stunde da", sagt Leyendecker. "Wenn der Kirchentag nicht so wird, weil du selbst nicht reichst, das wäre für mich schon eine riesige Enttäuschung. Deshalb laufe ich die ganze Zeit." Für Dortmund will er "Klarheit" als Akzent setzen: "Wir wollen die Probleme unserer zerrissenen, gespaltenen Gesellschaft deutlich benennen - auch mit Leuten, die sagen, man darf ja in dieser Republik nicht mehr sagen, wie es wirklich ist. Dann müssen andere mit ihnen streiten und diskutieren."