Stand: 23.11.2016 15:00 Uhr

Gefährliche Übernahme: Rechte Sprache in den Medien

von Caroline Ebner
Ein Stapel Zeitungen © picture alliance/chromorange
Sprache prägt die Wahrnehmung und das Denken - und somit das Handeln. Journalisten sollten daher sensibel mit der Sprache umgehen.

Es ist wie eine Kettenreaktion: Zunächst taucht ein Wort wie die vermeintliche "Überfremdung" als Zitat auf, beispielsweise nach einer "Pegida"-Demonstration oder einem AfD-Parteitag. Über diese Ereignisse berichten die Medien natürlich. Kurze Zeit später wiederholen andere den Begriff, sprechen von der "Sorge vor Überfremdung", teils auch ohne Anführungszeichen. Und schon ist diese vermeintliche Sorge als Fakt präsentiert - obwohl der Begriff ganz klar aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch stamme, wie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch darlegt.

Sprachgebrauch wird nach rechts verschoben

Das Aufgreifen des Wortes "Überfremdung" durch die Medien "führt dazu, dass dieser Begriff quasi als normal gilt", so Stefanowitsch. Er warnt davor, dass "das, was sagbar ist, immer weiter ins Extreme verschoben wird". Die Medien geben durch die Nutzung solcher Begriffe - vielfach unbewusst - den Standpunkt der Rechten weiter. Und nicht nur das: Das Benutzen von Wörtern wie "Flüchtlingsstrom" oder sogar "Obergrenze" führt zu einer politisch-ideologischen Beeinflussung. Schuld daran ist das sogenannte "Framing". "Mit jedem Wort werden im Gehirn bestimmte Deutungsrahmen aktiviert", erklärt die Sprach- und Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling, "und diese Deutungsrahmen sagen ihnen dann, wie eine Sache ist." Und zwar mit einer bestimmten ideologischen Prägung.

VIDEO: Rechte Sprache in den Medien (6 Min)

Aufruf zum sensiblen Umgang mit Sprache

Floskeln wie "Flüchtlingswelle" oder "Asylkritiker" werden zwar von vielen Journalisten inzwischen gemieden: In der "Floskelwolke", einer automatisierten Auswertung von rund 2.000 deutschsprachigen Medien, tauchen sie inzwischen seltener auf. Doch 70 weitere rechtspopulistische Begriffe haben die Macher der "Floskelwolke" in den vergangenen zwei Jahren registriert, so Gründer Sebastian Pertsch.

Hier einige Beispiele, die ZAPP zusammengestellt hat:

Altparteien

Wird immer wieder von sich neu konstituierenden Parteien verwendet, um ihre Andersartigkeit in den Vordergrund zu stellen, oft ohne inhaltliche Unterfütterung. Suggeriert, dass das gesamte System überholt ist und nicht mehr legitim - eine Denkweise, die ihre Wurzeln im Nationalsozialismus hat, aber durch die Zeiten hinweg immer wieder bei neuen Parteien auftaucht. Wird von der jeweiligen poltischen Richtung aufgeladen, ist zurzeit ein Kampfbegriff rechtpopulistischer Strömungen.

Wehling, die an der Universität im kalifornischen Berkeley lehrt, fordert aufgrund der Erkenntnisse zum "Framing" gerade Journalisten auf, genau auf ihre Wortwahl zu achten und zu überlegen, ob diese Botschaft auch gewünscht sei. "Denn die Sprache prägt unser kollektives Denken und unsere kollektive Wahrnehmung - und damit natürlich in letzter Instanz immer das Handeln."

Weitere Informationen
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Korrekturverzeichnis

Hinweis: In einer vorherigen Fassung waren die Begriffsbeispiele mit dem Text "Hier einige Beispiele:" angekündigt. Somit war nicht klar erkennbar, ob es sich um Begriffe der "Floskelwolke" handelt oder um von ZAPP ausgewählte Wörter. Dies haben wir korrigiert. Nun heißt es stattdessen: "Hier einige Beispiele, die ZAPP zusammengestellt hat:"

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 23.11.2016 | 23:20 Uhr