Stand: 13.09.2017 15:00 Uhr

Dark Ads - Der geheime Wahlkampf im Netz

von Sabine Schaper
Das Logo von Facebook © NDR
Auf Facebook kann jede Wählergruppen mit der passenden Werbung angesprochen werden - gut für die Parteien, schlecht für die Demokratie?

Nach Donald Trumps Wahlsieg kursierte im Netz ein Artikel des Schweizer "Das Magazin", in dem sich Datenanalysten rühmen, sie hätten den frisch gewählten amerikanischen Präsidenten mit ins Amt gehievt. Ihr Mittel: Microtargeting - personalisierte und teils manipulierende Wahlwerbung, basierend unter anderem auf den Daten, die Nutzer im Netz hinterlassen. Der besorgte Aufschrei in Deutschland ließ nicht lange auf sich warten: Steht uns das auch bei der Bundestagswahl bevor?

VIDEO: Dark Ads - Der geheime Wahlkampf im Netz (6 Min)

Dark Ads: Ich sehe was, was du nicht siehst

Wenige Wochen vor der Wahl haben sich Rechercheteams zusammengetan, um genau das bei Facebook zu untersuchen. Ihnen geht es aber nicht nur um das einfache Microtargeting, das erst mal lediglich ermöglicht, Informationen zielgenau zuzuspielen oder die normale Postingreichweite mit Geld zu pushen. Im Fokus stehen vor allem die sogenannten Dark Ads, die auf der Methode des Microtargeting basieren. Das besondere  - oder "dunkle" - an ihnen: Diese Anzeigen sind nicht für alle Nutzer zu sehen, sondern lediglich einem bestimmten Publikum vorbehalten, ausgewählt beispielsweise anhand von Geschlecht, Alter, Wohnort oder Interessen. Für alle anderen Facebook-Nutzer bleiben diese Inhalte unsichtbar.

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Beispiel: Zwei Zielgruppen, zwei sich widersprechende Aussagen

Parteien könnten mit diesen neuen Möglichkeiten missbräuchlich umgehen - indem sie zum Beispiel zwei unterschiedlichen Zielgruppen verschiedene, sich widersprechende Inhalte zukommen lassen. "Das heißt, ich habe eine junge Frau Anfang 20, die gerne Rad fährt - der spiele ich eine Anzeige aus und sage: 'Der Diesel muss verboten werden.' Auf der anderen Seite habe ich einen 50-jährigen Mann aus dem Vorort, der Berufspendler ist. Dem sage ich: 'Der Diesel muss erhalten werden und ihr kriegt euer Geld zurück'", erklärt Daniel Drepper, Chefredakteur von "Buzzfeed Deutschland", das Prinzip. "Das sind Sachen, die theoretisch möglich sind. Und das schafft natürlich eine ganze Reihe von Problemen."

Zwei Projekte untersuchen Wahlwerbung auf Facebook

Gemeinsam mit einem Team aus Journalisten von BuzzFeed Deutschland und t-online.de sowie der Initiative Whotargets.me hat er eine Software entwickelt, die bezahlte Werbeanzeigen bei Facebook sammelt und analysiert. Gebraucht wird dafür allerdings die Hilfe der Facebook-User. Unterstützer des Projekts können sich ein Add-On in ihrem Browser installieren, dieser füttert dann anonym die Datenbank des Projekts mit den Werbeanzeigen. Anschließend kann analysiert werden, welche Parteien normale Werbung oder auch sogenannte Dark Ads schalten.

Ein ähnliches Projekt hat kürzlich die US-Rechercheplattform ProPublica in Kooperation mit tagesschau.de, "Spiegel Online" und der "Süddeutschen Zeitung" gestartet. Zum Zeitpunkt der Anfrage lagen hier zu Dark Ads noch keine Ergebnisse vor. Anders bei den Kollegen von "BuzzFeed Deutschland", die schon früher mit dem Projekt gestartet sind.

Ergebnis: Alle Parteien kaufen Reichweite auf Facebook

"Bisher haben etwa 1.000 Nutzer mitgemacht und wir haben rund 400 politische Anzeigen gefunden", gibt Drepper als Zwischenstand an. Dabei handelt es sich zum Großteil um gewöhnliche Facebook-Beiträge, deren Reichweite mit Geld erweitert wurde. Eine Praxis, die nach Erkenntnis des Teams alle sieben Parteien nutzen, die nach dem 24. September voraussichtlich ins Parlament einziehen werden.

Dark Ads offenbar nicht so stark verbreitet

Von drei Parteien haben sich auch sogenannte Dark Ads im Datensatz finden lassen, die nur einer bestimmten Gruppe ausgespielt wurden. "Das ist einmal von der CDU bzw. dem Wirtschaftsrat der CDU, von der FDP und von der PARTEI", sagt Drepper. "Aber wir wissen natürlich, dass es mehr gibt. Es gab ja auch schon Berichte über Anzeigen der CSU und der Grünen. Aber es ist offenbar vergleichsweise selten, dass selbst unsere Nutzerzahl von mittlerweile 1.000 Leuten solche Anzeigen noch nicht von allen Parteien gesehen hat. Und offenbar auch von den Parteien, die sie einsetzen, nur zu einem kleinen Bruchteil. Es ist also nicht so verbreitet, so scheint es zumindest derzeit, wie viele befürchtet haben."

Große Unterschiede zwischen USA und Deutschland

Der Blogger und Politikberater Martin Fuchs beobachtet die Politikszene. © NDR Foto: Melanie Stein
Martin Fuchs beobachtet seit langem die Aktivitäten von Parteien und Politikern im Netz.

Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs, der das Projekt mit ins Rollen brachte, sieht die großen Unterschiede zu den USA und Großbritannien unter anderem in der hiesigen politischen Landschaft begründet: "Wir haben 42 Parteien, die antreten und höchstwahrscheinlich sieben, die ins Parlament kommen. Das ist ein wesentlich heterogenerer Wahlkampf, ohne derart starke Polarisierung wie etwa bei Clinton und Trump." Weitere Punkte seien der strengere Datenschutz und die geringeren Ressourcen der Parteien, die einerseits auf weniger Budget, zum anderen auf weniger Daten zugreifen könnten.

 

Dark Ads könnten demokratischen Diskurs gefährden

Dennoch will er keine Entwarnung geben: In den letzten zwei Wochen könne noch einiges passieren. Und er sieht grundsätzliche Probleme in der Nutzung von Dark Ads, die unterschiedlichen Gruppen unterschiedliche Informationen zukommen lassen: "Das trägt nicht unbedingt zu einem guten demokratischen Diskurs in diesem Land bei, sondern es führt zu einer Verhärtung der Fronten. Ich glaube, das ist das, was wir in Deutschland am wenigsten brauchen. Wir haben schon sehr viel Polarisierung. Ein bisschen mehr Austausch wär mir ganz lieb. Und da habe ich schon die Sorge, dass solche Postings eher das Gegenteil bewirken."

Grüne machen Werbeschaltungen transparent

Als erste Partei haben übrigens die Grünen auf dieses Problem reagiert. Auf ihrer Webseite bieten sie einen Überblick über alle Social-Media-Anzeigen, die aus ihrer Hand im Umlauf sind. "Ich finde den Ansatz und die Symbolik sehr wichtig", sagt Martin Fuchs, und lobt ihn als ersten Schritt. "Ich wünsche mir eine starke öffentliche Wahrnehmung, damit dann der Druck auch für andere Parteien entsteht, transparent damit umzugehen."

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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 13.09.2017 | 23:20 Uhr

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