Daphne Caruana Galizia: Druck auf Maltas Regierung steigt
Rund dreißig Demonstranten stürmen am Montag den Amtssitz von Maltas Premierminister Joseph Muscat. Die Aktivisten der Gruppe "Graffiti" wollen sein Büro besetzen, doch Polizisten haben die Tür von innen verriegelt. Kurzerhand setzen sich die Demonstranten auf den Boden, schlagen ihre Trommeln und fordern Aufklärung für einen "politischen Mord".
Schmiergelder und Korruption
Vor zwei Jahren wurde die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe ermordet. Sie hatte über Korruption, Geldwäsche und Schwarzgeldkonten auf der Insel berichtet. Es ging um lukrative Staatsaufträge, die gegen Schmiergeld vergeben wurden. Daphnes konfrontative Art zu berichten polarisierte, lange war sie die einzige Journalistin auf der Insel, die sich an diese brisanten Themen herantraute.
"Sie war isoliert und arbeitete allein. Nicht, weil sie das so wollte, sondern einfach, weil sie niemanden hatte, mit dem sie die Recherchen besprechen, teilen konnte", erzählt ihr Sohn, Matthew Caruana Galizia, selbst Journalist. "Die Leute, über die sie recherchiert hat, haben versucht sie mundtot zu machen, zu entwürdigen. Ich glaube jetzt merken investigative Journalisten auf Malta erst, wie es für meine Mutter war."
Spektakuläre Verhaftung auf der Flucht
Seit einigen Wochen findet bei vielen Maltesern ein Umdenken statt, seit klar ist, dass Regierungsmitglieder offenbar in das Mordkomplott verstrickt sind. Im November wird der schwerreiche Geschäftsmann Yorgen Fenech auf seiner Yacht im Hafen der Hauptstadt Valletta verhaftet.
Er hatte versucht, per Schiff zu fliehen, nachdem ein Kronzeuge ihn belastet hatte, den Mord an Daphne Caruana Galizia beauftragt zu haben. Beteiligt seien außerdem der Stabschef von Premier Muscat, Keith Schembri, sowie der frühere Energieminister Konrad Mizzi, zuletzt Tourismusminister. Beide sind inzwischen zurückgetreten, streiten aber jede Beteiligung ab. Premier Muscat hat seinen Rücktritt für Januar angekündigt.
Proteste reißen nicht ab
Den Menschen auf Malta genügt das nicht. Seit Wochen gehen sie auf die Straße. "Mafia", "Killer", "Daphne ist unsere Heldin" schreiben sie auf ihre Plakate. Die berühmte mafiöse Omertà, die Schweigepflicht, die es auch auf Malta gibt, bröckelt, zumindest ein wenig.
"Hier gibt es einen vorauseilenden Gehorsam. Andere Journalisten waren sich bewusst, was meine Mutter durchgemacht hat, noch lange bevor sie ermordet wurde", beklagt Matthew Caruana Galizia. "Sie wussten, diese Regierung kennt keine Grenzen, sie wird alles tun, sich selbst zu verteidigen, Gewalt, Einschüchterung, alles. Deswegen haben andere Journalisten gesagt, die nicht so belastbar waren wie meine Mutter: ich wage mich nicht so weit aus der Deckung."
Medien in Händen von Politikern
Die Medienlandschaft im kleinsten EU Mitgliedstaat ist in politischer Hand - die konservative und die sozialdemokratische Partei betreiben Zeitungen und Sender. Es gibt nur wenige unabhängige Medien, so wie das von seinen Lesern finanzierte Onlineportal "Shiftnews", das die Journalistin Caroline Muscat gegründet hat.
"Als wir Shiftnews gründeten, traf uns eine strategische Klage zur Einschüchterung, in den ersten drei Wochen", berichtet Caroline Muscat. "Wir bekamen eine Verleumdungsklage, um uns finanziell zu ruinieren. Wir haben uns dafür entschieden, zurück zu kämpfen und zwar seit Tag eins."
Muscat ist heute eine derjenigen Journalisten auf Malta, die in Daphnes Fußstapfen getreten sind. Sie ist federführend bei den Recherchen rund um die Ermordung von Caruana Galizia. Gemeinsam mit anderen Journalisten und der Familie der Ermordeten hat sie die Aufklärung vorangetrieben, gegen den Widerstand vieler auf der Insel.
Doch der Wind hat sich gedreht, sagt auch Corinne Vella, eine Schwester von Daphne: "Normalerweise würden die Medien über die Proteste berichten, neutral. Höchstens im Leitartikel gibt es ein bisschen Meinung. Jetzt stehen Namen und Label der Medienmacher auf den Postern. Wir werden unterstützt von unabhängigen Medien auf Malta, das ist eine außergewöhnliche Situation. 300 Akademiker haben in einem offenen Brief den Rücktritt des Ministerpräsidenten gefordert, die Handelskammer, die Anwaltskammer und die Architekten auch."
Matthew, sein Vater und der Rest der Familie sind längst nicht mehr so isoliert, wie damals Daphne, die als Hexe bezeichnet wurde. Dennoch: Angefeindet werden die Caruana Galizias regelmäßig. "Ich habe natürlich vor den gleichen Leuten Angst, die meine Mutter getötet haben. Viele laufen draußen noch frei rum", sagt Matthew Caruana Galizia. Daphne hatte mit ihrer Recherche Recht - das begreifen immer mehr Malteser. Deshalb wollen sie so lange protestieren, bis es Gerechtigkeit und Wahrheit gibt, auf Malta.