Putins Erfüllungsgehilfen bei der AfD?
Ein internationaler Rechercheverband aus BBC, ZDF, La Repubblica und dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL hat Russlands Versuch recherchiert, politisch auf andere Länder Einfluss zu nehmen. Die Dokumente belegen laut ZDF "erstmals, wie Russland rechte Politiker für seine Interessen einspannt". Wie sich auf diese Weise laut BBC "ein loses Netzwerk in Europa bildet, das wächst".
Dabei recherchierte jedes Medium zunächst für sich. Der Spiegel etwa beobachtet schon lange die auffallende Nähe zwischen manchen AfD-Politikern und Russland. Es habe in den vergangenen Jahren immer Einzelne aus der AfD gegeben, so Spiegel-Redakteur Wolf Wiedmann-Schmidt, die die "Nähe zu Russland gesucht" hätten. "Und umgekehrt Russland die Nähe zur AfD." Das liege auch an einer "gewissen ideologischen Nähe": gegen Migration, gegen Homosexuelle, gegen zentrale Werte einer offene Gesellschaft. Nur Belege für ein strategisches Interesse Russlands an den Politikern und dieser Nähe fehlten - bislang. Diese Recherche schließt die Lücke.
Russischer Einfluss auf Politik
Für das ZDF hat unter anderem Johannes Hano recherchiert. Eigentlich ist er der New-York-Korrespondent des Senders. Und hat sich intensiv mit dem russischen Einfluss auf die US-Politik beschäftigt. Bei Gesprächen mit seinen Quellen hätten diese ihm dann erzählt, dass in Amerika ja "mehr oder weniger geklärt" sei, dass es diesen Einfluss gegeben habe. "Aber was bei Euch in Europa los ist, das ist noch viel, viel schlimmer!"
Und auch ein Kollege der BBC erhält 2017 von einem Informanten aus einem europäischen Geheimdienst Material, das belege, ein AfD-Kandidat, der für den Bundestag kandidiert, habe "Verbindungen zu Russland". Zwischen ihnen habe es schon eine Weile Kontakte gegeben, berichtet Wiedmann-Schmidt. Das bringe Arbeit an ähnlichen Themen mit sich. Dann schlossen sie sich zusammen. Und bekamen Kontakt zu einer neuen wichtigen Quelle. Das "Dossier Center" in London übermittelte dem Team tausende Dokumente.
Chodorkowskis "Dossier Center"
Ein Moment, um aufzuhorchen, denn das "Dossier Center" wird finanziert von Michail Chodorkowski, einem der ehemals reichsten Männer Russlands. Und: Ein Erzfeind Putins, der zehn Jahre im russischen Gefängnis saß und heute in der Schweiz im Exil lebt. Doch, so Hano, jeder, der sich an einen Reporter wende, habe eine Agenda, es gebe "immer irgendeinen Grund. Ich sag immer: Mir ist das völlig egal, woher die Dokumente kommen, denn das entscheidende Moment ist, kann ich die Authentizität überprüfen? Kann ich sie verifizieren?", so Hano.
Insgesamt besitzt die Gruppe für die Recherche am Ende 15.000 Emails und 33.000 Bilder. Das wichtigste Dokument: Eine Email ans Moskauer Präsidialamt vom April 2017. Ein knappes halbes Jahr vor der Bundestagswahl. Angehängt ein Strategiepapier - darin Vorschläge, wie die russische Führung die Politik im Ausland beeinflussen könnte.
Die Akte Frohnmaier
Einer, der offenbar behilflich sein könnte: Markus Frohnmaier. Laut Papier ein Mann, den man nach seiner Wahl in den Bundestag eventuell lenken könnte, einer, "der zu uns gehört und den wir absolut unter Kontrolle haben". Sein "Bedarf" zu dem Zeitpunkt: "Unterstützung im Wahlkampf". Inzwischen sitzt Frohnmaier für die AfD im Bundestag. Ein Mann mit prorussischer Haltung, der sich für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland einsetzt, gute Kontakte in die russische Politik und Geschäftswelt hat, und sich gerne in russischen Staatsmedien im Sinne Russlands äußert, indem er sich etwa dafür ausspricht, dass die Krim russisch sei und bleibe.
Abgeschickt hat die E-Mail ein gewisser Pjotr Premjak. Recherchen ergeben, Premjak war lange Zeit ein wichtiger Mann im Geheimdienst, arbeitet jetzt in der Duma. Das ZDF trifft ihn in Moskau, zeigt ihm die Email - und laut ZDF bestätigt er, die E-Mail verschickt zu haben. Eine Fälschung schließe er aus. Frohnmaier selbst streitet jeden Einfluss der russischen Seite auf seine politische Arbeit ab und spricht auf seiner Facebook-Seite von "selektiver Berichterstattung" und "bewusster Manipulation".
Belege für die Umsetzung fehlen
Eindeutig belegt ist aus Sicht der Journalisten tatsächlich nur, wie groß das russische Interesse an deutschen Politikern ist. Ob es sich hier aber um "Putins Puppen" oder "Moskaus Marionetten" handelt, wie der Spiegel titelt, zeigt das Papier nicht. Es gibt keinen Beleg dafür, dass das Strategiepapier tatsächlich umgesetzt wurde. Sie hätten da ein wenig zugespitzt, räumt Spiegel-Redakteur Wiedmann-Schmidt ein. Ihnen liege dennoch "ein hochexplosives Dokument" vor. Er glaube, dass "man alles tun muss, um aufzuklären, was da dahinter steckt". Der neue Rechercheverbund will jedenfalls an der Geschichte weiter arbeiten. Noch sind nicht alle Dokumente gesichtet.