Polizei-Angriff auf Presse-Fotografen
Bei Protesten gegen das umstrittene Sicherheitsgesetz und Polizeigewalt am 28.11. in Paris gerät der syrisch-stämmige Pressefotograf Ameer al-Halbi zwischen die Fronten, wird mit einem Schlagstock schwer verletzt.
"Die Demonstranten waren rechts, und die Polizei links, und ich stand dazwischen", erzählt Ameer. Er habe von beiden Seiten Bilder gemacht. Irgendwann seien die Polizisten auf die Demonstranten zugestürzt. "Ich habe überlegt: Soll ich auch loslaufen? Oder stehen bleiben und fotografieren? Als Pressefotograf fühlte ich mich sicher. Ich habe meine Kamera hochgehalten."
Doch seine Kamera schützt ihn nicht. Al-Halbi wird laut Zeugenaussagen von einem Polizisten mit dem Schlagstock ins Gesicht getroffen und schwer verletzt. Seine Nase sei gebrochen, über dem Auge eine stark blutende Platzwunde. "Ich saß blutüberströmt auf dem Boden. In meinem Kopf war nur Aleppo und was ich in Aleppo erlebt habe. Ich habe total vergessen, dass ich in Frankreich bin", berichtet Al-Halbi im Interview mit ZAPP. Die Attacke mit dem Schlagstock habe ihn psychisch weit härter getroffen als physisch. Sie habe die Erlebnisse aus dem Krieg in Syrien wieder lebendig gemacht.
Kriegserlebnisse aus Aleppo werden wieder wach
Der Fotograf, der für die französische Nachrichtenagentur AFP über die Proteste berichtet, hat die Belagerung seiner Heimatstadt Aleppo durch die Armee des syrischen Machthabers Assad miterlebt, war selbst monatelang eingeschlossen. Vor dreieinhalb Jahren floh er nach Frankreich. Er hat mehrere internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den zweiten Preis in der Kategorie "Spot News" für das World Press Foto im Jahr 2017, hauptsächlich für seine Berichterstattung über den Syrienkonflikt.
Das Gefühl des Eingeschlossenseins habe er auch nach der Attacke in Paris gehabt. Die Polizei habe niemanden rausgelassen. Umstehende kümmern sich um den Verletzten. "Als erstes wollte ich gucken, ob die Kamera kaputt ist, denn das ist alles, was ich habe! Ich habe sie vor zwei Monaten endlich kaufen können", berichtet Al-Halbi. Doch er habe seine Augen zunächst nicht öffnen können. "Ich wusste nicht, dass mein Gesicht voller Blut ist und ich deswegen nicht mehr sehen konnte. Ich war schockiert, dass auch die Kamera voller Blut ist, meine Hose auch, da habe ich verstanden, dass der Angriff sehr hart war."
Reporter ohne Grenzen verurteilt den Angriff
"Unsere volle Solidarität mit Ameer al-Halbi", twitterte Christophe Deloire, Generalsekretär der französischen Sektion von "Reporter ohne Grenzen", als Reaktion auf den Angriff. "Diese Polizeigewalt ist inakzeptabel. Ameer kam aus Syrien nach Frankreich, um Sicherheit zu suchen, wie es viele andere syrische Journalisten getan haben. Die Länder der Menschenrechte sollten sie nicht bedrohen, sondern schützen."
Vertreter der nationalen Journalistengewerkschaft SNJ-SGT forderten Polizei und Innenminister auf, sich für den Vorfall zu entschuldigen.
Die französische Polizei hat offiziell interne Ermittlungen zu dem Fall aufgenommen, um zu klären, wie und wodurch Ameer al-Halbi verletzt wurde. Nach Angaben des Innenministeriums haben landesweit 133.000 Menschen an den Demonstrationen teilgenommen, 46.000 davon in Paris. Die Organisatoren gaben an, dass es landesweit 500.000 und in Paris 200.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren. Im Rahmen der Proteste kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, auch die Polizei ging hart gegen Demonstranten vor.
Umstrittenes Gesetz wird überarbeitet
Die französische Regierung hat unterdessen angekündigt, den umstrittenen Artikel 24 des Sicherheitsgesetzes noch einmal komplett zu überarbeiten. Der Artikel sieht eine Geldstrafe von bis zu 45.000 Euro oder bis zu einem Jahr Gefängnis für jeden vor, der Fotos oder Videos von Polizei-Einsätzen veröffentlicht. Das Gesetz ziele darauf ab, Sicherheitskräfte vor Hassaufrufen in den Sozialen Medien zu schützen. Trotz gegenteiliger Zusicherungen der Behörden sehen Kritiker den Gesetzentwurf als Angriff auf die Meinungsfreiheit und Versuch, Gesetzesverstöße der Polizei zu vertuschen.
"Ich will weiter fotografieren"
Ameer al-Halbi betont, er sei jederzeit klar als Pressevertreter erkennbar gewesen. "Es waren noch andere Journalisten dabei. Wir standen getrennt von den Demonstranten an einer Ecke, um zu zeigen, dass wir nur Fotografen sind. Und ich hatte meine Kamera vor mir." Trotz seiner Erfahrungen im syrischen Krieg und jetzt in Paris werde er weitermachen. "Bilder sprechen alle Sprachen und kennen keine Nationalität, Hautfarbe oder Grenze". Durch Bilder könne man sehr viel erzählen.