Mit Corona schlägt die Stunde der Qualitätsmedien
Die klassischen Medien erleben gerade eine Art Renaissance. Die Menschen lechzen nach geprüften seriösen Inhalten. Eine Situation, auf die alle Zeitungen, Radio- und Fernsehsender umgehend reagiert haben. Dazu gehören zahlreichen Programmänderungen, auch aufgrund der Schulschließungen. Täglich gibt es drei Stunden Schulfernsehen auf dem ARD-Bildungskanal Alpha, der Kinderkanal berichtet vermehrt über Corona, im WDR grüßt nun täglich die "Sendung mit der Maus" und auch SuperRTL reagiert mit einem geänderten Programm.
Hohe Zuschauerzahlen für die "Tagesschau"
Das lineare Fernsehen, lange totgesagt, erlebt durch die Corona-Krise ein ungewohntes Quoten-Hoch. "Natürlichen suchen die Zuschauer die Marke 'Tagesschau', weil sie mit der 'Tagesschau' die größte Glaubwürdigkeit verbinden", sagt der Chefredakteur von ARD-Aktuell, Marcus Bornheim. "Wenn wir jetzt nur die 20-Uhr-Tagesschau angucken, da hatten wir normalerweise einen Wert von rund 10 Millionen, am letzten Sonntag lagen wir bei 17, gestern lagen wir bei 14 Millionen."
Ein Team als Backup im Homeoffice
Um dieses Angebot aufrecht zu erhalten, werden die Nachrichtenredakteure im Newsroom von allen Besuchern streng abgeschirmt. Ein Corona-Fall drinnen wäre der GAU für die Nachrichtenmacher. "Wir haben extra ein Team ausgesondert, das sozusagen außerhalb unseres Newsrooms im Homeoffice ist. Sollten wir drinnen einen Corona-Fall haben, dann würden wir wahrscheinlich einen Großteil unserer Mitarbeiter rausziehen müssen, dann hätten wir sozusagen noch einen zweiten Sturm, den wir einwechseln können", sagt Bornheim. Die Tagesschau müsse durchhalten. Sicherheitsvorkehrungen sollen Sendebetrieb gewährleisten.
Der Sendebetrieb von Talkshows läuft weiter, aber nur unter Sicherheitsvorkehrungen. Bei "Anne Will" wurde am Sonntag erstmals vor leeren Rängen diskutiert. Was noch nicht stimmte, war den Abstand zwischen den Gästen - dafür gab es prompt Kritik. Besser machte das einen Tag später Frank Plasberg in seiner Sendung "Hart aber Fair". Hier gab es eine neue Sitzordnung mit ausreichend Abstand zwischen den Gästen. Plus extra viel Platz im Programm, zwei Stunden lang.
Auch "Spiegel" sieht extrem hohes Informationsbedürfnis
Eine nicht enden wollende Nachfrage nach geprüfter Information - das bestätigen auch viele andere Medienhäuser. Der "Spiegel" erschien am Wochenende mit mehr als 70 Seiten Corona-Geschichten. "Wir müssen feststellen, dass es Fragen gibt. Die sind komplex, und die können wir nicht alle beantworten. Aber unsere Aufgabe ist es, sie so gut zu beantworten wie wir eben können", sagt die Chefredakteurin von "Spiegel Online", Barbara Hans.
Informieren, ohne Panik zu schüren - ein Spagat
Alle Nachrichtenredaktionen machen im Moment einen Spagat: Einerseits wollen sie informieren und warnen, wo es notwendig ist. Andererseits wollen sie keine Panik verbreiten. "Die Lage ist schon groß genug. Ein Vokabular was permanent Ausnahmezustand, Krise, Panik schürt, ist aus meiner Perspektive drüber. Wenn man die Nachrichten abbildet, die Zahlen abbildet und einordnet, entfalten auch die eine Wirkung, ohne dass es unsererseits noch irgendwie eine Art von Anspannung oder Zuspitzung braucht", sagt Hans.
Corona-Alarm bei der "Bild"
Wohl nirgendwo gibt es im Moment so viel Corona-Alarm wie in der "Bild" und auf Bild.de. Seit Wochen ist Corona das Spitzenthema, optisch hervorgehoben mit der Signalfarbe Gelb. Dort finden sich Überschriften wie "Diesen Vorrat brauchen sie für zehn Tage Quarantäne" oder "Deutschland im Bann von Corona". Doch "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt sagt, Panikmache sei das nicht. "Ich glaube, dass die Begriffe Angst und Sorge in der derzeitigen Situation weit von Panikmache entfernt sind. Ich glaube diese Worte sind eher noch unzulänglich und zurückhaltend für das, was Millionen Menschen gerade empfinden", sagt Reichelt.
Ein Virologe als neuer Podcast-Star
Der eigentliche Mann der Stunde ist der Berliner Virologe Christian Drosten, auch "Doktor Corona" genannt. Millionen Menschen folgen seinen besonnenen Einschätzungen im täglichen Podcast zur Corona-Lage. Besonnenheit wünscht sich der Virologe auch von den Medien. "Es gibt hochwertige Wissenschaftsbeiträge, die überhaupt keine Panik schüren. Es gibt dann aber auch gerade so im Finanz- und Politikbereich Verkürzungen, selbst in seriösen Zeitungen. Und diese Verkürzungen sind häufig auf eine rasante Berichterstattung ausgelegt. Denn es ist ja ein Wettbewerb um Kunden", bemängelt Drosten.
Es gab immer schon extreme Medienzeiten
Die Berichterstattung um Corona beschert Klicks und Auflagen. Und den Sendern Einschaltquoten wie in alten Zeiten. Ob das lange anhält? ARD-aktuell-Chefredakteur Marcus Bornheim bleibt nüchtern. "Wir hatten schon Situationen, ganz fürchterliche Katastrophen, 9/11, der German-Wings-Absturz, da war das auch fokussiert. Da dauerte es ein paar Tage oder einige Wochen", sagt Bornheim. "Jetzt werden wir uns wahrscheinlich einige Monate über Corona unterhalten. Aber es ist am Ende des Tages: Business as usual."