Mehr als Deko: Frauen im Journalismus
Aschenbecher zwischen Schreibmaschinen, Kabeltelefone neben Whiskeygläser - und jede Menge Nacktbilder an den Pinnwänden, eine aufreizende Frauenfigur auf dem Schreibtisch. Im ehemaligen Commerzbankgebäude in der Hamburger Innenstadt hat das Filmteam die siebziger Jahre Atmosphäre eines Nachrichtenmagazins detailgetreu rekonstruiert. Hier wird die neue ZDF-Serie mit dem Arbeitstitel "Zarah" gedreht. Eine Geschichte über eine junge Journalistin, die die Redaktion des fiktiven "Relevant"-Redaktion mit ihren feministischen Ambitionen aufmischt.
Fiktive Serie basierend auf historischer Realität
"Fiktiv, aber ziemlich authentisch", findet Ingrid Kolb die Redaktionsräume - und sie muss es wissen. Kolb, 76, hat in den frühen Siebzigern beim "Spiegel" gearbeitet, kennt das Umfeld, in dem Frauen vor allem Dekomaterial und Redakteurinnen maximal zuständig für Kochrezepte und Schönheitstipps waren. Sie erinnert sich etwa an einen Spruch vom damaligen "Spiegel"-Herausgeber Rudolf Augstein: "Es ging darum, dass eine junge Kollegin in ein Korrespondentenbüro wechselte. Und Augstein hörte das und sagte ganz spontan: 'Ach die Ärmste, dann muss sie ja mit dem schrecklichen Büroleiter schlafen!'" Sowas sei damals Gang Gäbe gewesen. Kolb wollte aber mehr sein als Deko, wurde Reporterin im Ressort "Modernes Leben" und berichtete als eine der ersten über die Frauenbewegung. Jetzt dienen ihre Erfahrungen und die von Kolleginnen als Vorlage für die Hauptfigur.
"Spiegel" druckte damals Titelstory über Frauenbewegung nicht
Die Hauptfigur heißt zwar Zarah und nicht Ingrid, aber sie ist laut Drehbuch derselbe Jahrgang und auch sie setzt sich immer wieder in der Männerherrschaft der Magazinredaktion durch. "Verschiedene Frauen haben als Vorlage Einfluss genommen", sagt Regisseur Richard Huber. "Wir haben versucht, kein Biopic zu machen, sondern Identitäten zu stiften und Effekte erzielen wie: Sag mal, war das wirklich so? Und sagen: Ja, das war wirklich so."
Und wirklich schrieb Ingrid Kolb damals eine "Spiegel"-Titelstory über die Erfolge der Frauenbewegung in Deutschland, die dem "Spiegel"-Herausgeber angeblich "zu engagiert" war. "Dieser Artikel wurde nicht gedruckt", sagt Kolb. Stattdessen erschien ein anderes Titelbild mit einer nackten Frau, das ihr nacktes Kind hätschelt. Überschrift: "Zurück zur Weiblichkeit". Kolb verdreht die Augen: "Die Geschichte, die dann im Spiegel erschienen ist, hat dann ein Mann geschrieben. Der machte sich dann eher darüber Gedanken, ob dieser Spuk nicht bald wieder zu Ende ist." Dabei fing der "Spuk" gerade erst an.
Artikel gegen Sexismus und Belästigung im "Stern" ein Coup
Die Reporterin wechselte zwei Jahre später zum "Stern", landete gleich im ersten Jahr einen Coup. Ihr Report "Angequatscht, betatscht, vernascht" prangerte an, was lange hingenommen wurde: Sexismus und Belästigung am Arbeitsplatz. Und zeigte, wie Frauen anfingen, sich dagegen zu wehren. "Der Artikel löste einen Sturm aus: Zustimmung bei den einen, Wut und Empörung bei den anderen", sagt Ingrid Kolb. Vor allem bei dem Männern sei er nicht gut angekommen. "Das ging bis zum Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn, dem ja der 'Stern' gehörte. Der ließ in Briefen wissen: Der ganze Artikel sei jämmerlich primitiv." Dem zuständigen Ressortleiter schickten die Kollegen sogar einen echten Schweinskopf.
Aber Kolb ließ sich nie abbringen von ihrem feministischen Standpunkt. Etwa bei der Sexismus-Klage, als eine Gruppe Frauen um Inge Meysel und Alice Schwarzer sich gegen die nackten Frauen auf "Stern"-Titelseiten wehrte. Damals verteidigte die "Stern"-Reporterin deren Ansichten, verfasste darüber sogar eine Meinungs-Kolumne im Magazin selbst. Denn: Die Massenproduktion von nackten, schönen Frauen auf Titelblättern habe weitgehende Folgen, findet Kolb. "Dahinter steckt die Botschaft: So lange ihr nicht mehr zu bieten habt als Busen und Po, ja, was soll wir dann mit euch?"
Serie wichtig, um Sensibilität für Gleichberechtigung zu schaffen
Seitdem ist viel passiert: Frauen erkämpften sich das Abtreibungsrecht, öffneten die Bundeswehr, setzten Frauenquoten durch, etwa in Aufsichtsräten. Heute sitzen Frauen in Chefredaktionen, regieren Staaten und lenken internationale Institutionen. Braucht es da überhaupt noch eine Serie, die an die verstaubten Zeiten von damals erinnert? Regisseur Richard Hubert ist sich sicher. "Ich weiß nicht, ob das heute wirklich die fortschrittlichste Zeit ist", sagt er. "Ja, es hat sich viel verändert. Nein, es ist nicht alles gleichgestellt. Das stimmt einfach nicht: Wir reden doch immer noch darüber, dass Frauen das gleiche Geld für gleiche Arbeit bekommen sollten." Und außerdem: "Wie andere Dinge auch ist diese Gleichberechtigung nie wirklich gesichert. Das sind immer Dinge, um die man ringen muss."