Manipulierte Filme: RTL-Nord feuert Mitarbeiter
Das hatten die Zuschauer von "Punkt 12", der Mittagssendung von RTL, noch nie erlebt. Die Moderatorin Katja Burkard entschuldigt sich am vergangenen Freitag live beim Publikum "wegen einer äußerst ärgerlichen Angelegenheit in eigener Sache". Einem Reporter konnten Manipulationen in mehreren Fernsehbeiträgen nachgewiesen werden.
RTL hat den festangestellten Journalisten daraufhin fristlos entlassen und alle manipulierten Beiträge gelöscht. Den Namen des Reporters gibt RTL nicht heraus, doch in der Branche ist er bekannt. Es ist ein vertrautes Gesicht des Senders. Der 39-Jährige wurde über Jahre aufgebaut und stand regelmäßig vor der Kamera.
Reporter gibt Double als Protagonistin aus
In einem Beitrag hat der Reporter laut RTL so getan, als ob er mit Lionel Richie am Rande eines Konzerts ein Interview führt, dabei stammte das Material von einer PR-Agentur. In einem anderen Beitrag ging es um eine Codein-süchtige Frau. Die Betroffene wollte aber nicht vor die Kamera, sagt RTL-Chefredakteur Michael Wulf. Der Reporter habe daraufhin mit Einwilligung der Frau ein Double eingesetzt, dies im Beitrag aber nicht kenntlich gemacht. Den Zuschauern wurde somit suggeriert, es handele sich um die tatsächliche Protagonistin. "Er hätte ja sagen können", so Wulf, "es ist nachgesprochen worden, weil sich der Protagonist nicht vor der Kamera sehen möchte, aber das ist nicht passiert."
Redakteurin schöpft Verdacht
Da die Bilder im Beitrag stark verfremdet sind, fällt die falsche Protagonistin zunächst keinem auf. Nur eine Redakteurin schöpft Verdacht, kontrolliert das Rohmaterial und verständigt am 15. Mai den Redaktionsleiter, der eine Untersuchung einleitet. Bis jetzt habe RTL dem Reporter Manipulationen in sieben Fällen nachgewiesen. Die Beiträge liefen in den RTL-Sendungen "Punkt 12", "RTL Nachtjournal" und im Regionalmagazin "RTL Nord".
Der Fall des RTL-Reporters fällt in eine Zeit, in der viele Redaktionen um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen. In den vergangenen Monaten sind Fälschungen unter anderem beim "Spiegel" und im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" herausgekommen. Auch in der WDR Fernsehreihe "Menschen hautnah" gab es Unstimmigkeiten um eine Protagonistin, die in mehreren Beiträgen mit teils widersprüchlichen Angaben auftauchte.
Auch Fernsehen nicht vor Fälschungen sicher
Natürlich ist auch das Fernsehen nicht vor Betrug gefeit, sagt Christian Stöcker, Medienprofessor an der HAW Hamburg: "Man kann sich Protagonisten, Protagonistinnen suchen, die man bezahlt dafür, dass sie was erzählen, was gar nicht stimmt. Man kann Bilder in tendenziöser Weise zusammenschneiden. Man kann natürlich in Off-Texten Dinge behaupten, die nicht wahr sind."
Faktenchecks: wünschenswert - und teuer
Dennoch gibt es Möglichkeiten, um gegen Fälschungen vorzugehen. Teamarbeit zum Beispiel schützt in der Regel vor groben Betrugsfällen. Wirkungsvoll kann auch ein institutionalisierter Faktencheck sein, bei dem jeder einzelne Film, Text oder Beitrag kontrolliert wird. Ein Aufwand, der allerdings Zeit und Geld kostet. Mehr Faktenchecks seien zwar wünschenswert, so Stöcker, aber kommerziell finanzierter Journalismus müsse eben haushalten. "Das ist ein Dilemma, das sich auch kurzfristig nicht auflösen wird", so Stöcker.
RTL setzt Arbeitsgruppe ein
RTL hat nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die alle Prozesse überprüfen soll, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt. Die Kontrolle von Reportern habe allerdings Grenzen, sagt RTL-Chefredakteur Wulf. Alles nachzuprüfen, sei schlicht nicht machbar. "Journalismus ist Vertrauenssache", so Wulf, "und wir vertrauen unseren Journalisten, weil die alle gut ausgebildet sind. Dass irgendwo immer mal ein schwarzes Schaf dabei ist, das ist leider so. Das gibt es in anderen Branchen auch. Und das ist das, wo man dann wirklich an seine Grenzen kommt."