Sendedatum: 20.02.2019 23:20 Uhr

Framing: ARD-Papier sorgt für Diskussion

von Daniel Bouhs, Timo Robben und Caroline Schmidt

Bald zwei Jahre ist es her, dass die Medienpolitik heiß lief. 2017 diskutierte sie einen neuen Digitalauftrag für die öffentlich-rechtlichen Sender. Verleger forderten, ihre Geschäftsmodelle im Internet zu schützen und dafür starke Grenzen, vor allem für die ARD. So griff Axel-Springer-Konzernchef Mathias Döpfner als Präsident des Zeitungsverlegerverbandes BDZV zu einem besonderen Vergleich: "Es braucht die Vielfalt der privaten Angebote. Nur Staatsfernsehen und Staatspresse im Netz, das wäre doch eher etwas nach dem Geschmack von Nordkorea."

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Döpfner gab der Debatte um den hiesigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk so einen besonderen Rahmen. "Framing" nennen das Sprachwissenschaftler wie Elisabeth Wehling. An sie wandte sich wiederum die ARD in genau dieser aufgeladenen Zeit, in der auch Rechtspopulisten die ARD, aber auch viele politische Entscheidungen etwa zum Umgang mit Geflüchteten angriffen. Die ARD beauftragte Schulungen und Begleitmaterial. Kosten bisher: 120.000 Euro. Neun Schulungen hat die ARD beauftragt, vier davon mit insgesamt 160 Teilnehmern fanden bereits statt.

Handbuch polarisiert

Wehling schult seitdem ARD-Mitarbeiter ganz allgemein zu politischem Framing. Als Seminarunterlage legte sie aber auch das "Framing Manual" vor, ein Handbuch, das wiederum den Titel trägt "Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD". Nun haben erst "Tagesspiegel" und "Welt" kritisch über das interne Dokument berichtet, dann hat es netzpolitik.org ins Netz gestellt, damit sich jeder selbst eine Meinung bilden kann. Seitdem ist die Aufregung groß. "Bild" schlagzeilt, die ARD wolle "umerziehen", die FAZ wiederum schreibt von "semantischer Gehirnwäsche".

Joachim Huber, "Tagesspiegel"-Medienjournalist © NDR
Wundert sich über das Manual: "Tagesspiegel"-Medienjournalist Joachim Huber.

"Tagesspiegel"-Medienjournalist Joachim Huber greift nicht zu diesem Vokabular, wundert sich aber über das Papier. "Wie sehr fühlen sich einige in der ARD unter Druck, dass sie denken, sie können mit einem solchen 'Manual', mit einer Bedienungsanleitung für das eigene Reden, das eigene Sprechen in die Offensive kommen", fragt er sich gegenüber ZAPP. Der Rundfunk habe "ganz andere Probleme", etwa seine Programmstruktur und Finanzierung.

Das Handbuch polarisiert jedenfalls. Für Politikberater Johannes Hillje ist der Auftrag an Wehling "völlig legitim". Er erinnert an die aufgeladene Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, inklusive "massiven Angriffen" auf die ARD. "Da ist es nachvollziehbar, dass sie sich beraten lässt, wie sie sich positioniert."

"Kommunikation über uns selbst verbessern"

ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab hat einige der Workshops über ihren Etat bezahlt. Sie sagt gegenüber ZAPP, der ARD sei "völlig klar, dass wir aktiver und besser erläutern müssen, was wichtig ist". Man beschäftige sich "an vielen Stellen damit, wie wir unsere Kommunikation über uns selbst verbessern können". Das Framing-Handbuch sei dafür eine Diskussionsgrundlage, keine Anweisung. Das betont auch Wehling in einer "Klarstellung": Es gehe allein darum, "der Institution ARD eine gedankliche Grundlage zu schaffen für eine Kommunikation, die auf Basis der unbestrittenen Fakten den tatsächlichen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Demokratie schon auf den ersten Blick besser erkennbar macht".

Susanne Pfab, Generalsekretärin der ARD © NDR
Man müsse aktiver und besser erläutern, was wichtig sei, so ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab gegenüber ZAPP.

Pfab teilt einige der bereits 2017 vorgelegten Erkenntnisse. Sie möchte einzelne "Frames" übernehmen und dafür unter anderem betonen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine "gemeinwohlorientierte Organisation" sei und warum es wichtig sei, dass Menschen auch weiterhin ihren Beitrag dazu leisteten.

Umstrittenes Papier eine "Diskussionsgrundlage"

Der Privatsenderverband Vaunet weist allerdings darauf hin, dass er in dem Handbuch "diffamiert" werde. Tatsächlich finden sich unter den Beispielen, die sich mit der Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen Sender von anderen beschäftigen, Formulierungen wie "Kommerzmedien" oder "medienkapitalistische Heuschrecken". Der Leiter der Berliner Redaktion der "Neuen Zürcher Zeitung", Marc Felix Serrao, mahnt: Diese Formulierungen dienten "erkennbar dem Zweck, ein Zerrbild privater Wettbewerber zu zeichnen".

ARD-Generalsekretärin Pfab sagt, es müsse möglich sein, die unterschiedlichen Modelle zu benennen. Aber auch sie werde wohl nicht alle Sprachbilder übernehmen. Zu den "medienkapitalistischen Heuschrecken" sagt sie jedenfalls: "Ich vermute mal nicht, dass ich das tun werde." Dafür müsse der Schlagabtausch schon "sehr heftig" werden. "Ich würde immer eher über den Begriff schmunzeln, aber ich will nicht ausschließen, dass vielleicht dem ein oder anderen auch so ein Begriff passt."

Die ARD will den Diskussionsprozess in den Workshops fortsetzen und dafür das umstrittene Papier auch weiterhin als Material zur Verfügung stellen, heißt es auf Anfrage von ZAPP. Man werde das Dokument aber künftig "noch deutlicher als das bezeichnen, was es ist: eine Diskussionsgrundlage".

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 20.02.2019 | 23:20 Uhr

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