Wegen Facebook-Sperre: Aus für Datenprojekt zur Bundestagswahl
Ein amerikanische Forscherin untersuchte Facebook-Werbung im deutschen Wahlkampf - bis Facebook sie aussperrte.
Laura Edelson war auf dem Weg zu einem Abendessen, als sie am Dienstag eine automatisierte E-Mail von Facebook bekam. Ihr Account war gesperrt worden. Schnell stellte sich heraus: Mehr als zwei Dutzend ihrer Kollegen und einige Journalisten waren ebenfalls von Facebook ausgesperrt worden. Edelson ist Programmiererin und Forscherin an der New York University (NYU) und eine der wohl profiliertesten Expertinnen in der Frage, wie auf Facebook mit politischer Werbung Desinformation betrieben wird.
Ende für Datenprojekt zur Bundestwagswahl
Die Sperre kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt: "Es ist vernichtend, so kurz vor einem Launch zu stehen und es dann nicht zu können." Edelson und ihre Kollegen wollten am kommenden Montag das "Ad Observatory" in Deutschland veröffentlichen, ein interaktives Datenprojekt über die politischen Facebook-Kampagnen im aktuellen Bundestagswahlkampf. Im Interview per Zoom teilt sie ihren Bildschirm und zeigt eine fertige Seite mit aufwendigen Grafiken zu den Werbeaktivitäten deutscher Parteien, alles ins Deutsche übersetzt. Doch diese Seite wird vorerst nicht online gehen. ZAPP hatte das Projekt zuletzt in einer Doku erwähnt und geplant, über den Launch zu berichten.
Grund für die Sperre: Unerlaubtes Scraping
Der Grund für die Sperre, so erklärt Facebook-Manager Mike Clark in einem Blogpost am Dienstag, sei eine Verletzung der Nutzungsbedingungen. Die Forscher hätten sich durch sogenanntes Scraping unerlaubt Daten beschafft: "Das Ad Observatory Projekt mag gute Absichten verfolgen, aber dessen regelmäßige Verstöße gegen den Schutz vor Scraping können nicht ignoriert werden." Der Sperre war eine längere Auseinandersetzung zwischen Facebook und dem Team der NYU vorausgegangen, wie das amerikanische Tech-Medium Protocol im März berichtete.
Laura Edelson und ihre Kollegen haben seit Dienstag keinen Zugang mehr zu Facebooks APIs, also den Schnittstellen, über die sie bis dahin relevante Daten der Werbetreibenden für ihr Projekt gesammelt hatten. In der nun anlaufenden heißen Phase des Bundestagswahlkampfs wollten sie ihre Datenbank auf diesem Weg ständig aktualisieren. Doch ohne diesen Zugang müssen sie das Projekt nun abbrechen.
Ziel des Ad Observatory
Die Forscherinnen und Forscher hinter dem Ad Observatory hatten sich zuletzt ausführlich mit dem US-amerikanischen Wahlkampf befasst. Das Projekt hat das Ziel, Daten über zielgerichtete politische Facebook-Werbung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn diese sogenannten Targeted Ads seien "unglaublich mächtig", so Edelson. In der Vergangenheit wurden solche Anzeigen auch benutzt, um jenseits von öffentlicher Kontrolle Desinformation zu verbreiten.
Facebook sorgt selbst für Transparenz
Facebook selbst hat 2019 eine eigene Werbebibliothek eingeführt, auch als Reaktion auf die öffentliche Kritik nach den Skandalen um Cambridge Analytica oder die Wahlkampagnen Donald Trumps. Laura Edelson ist das allerdings nicht genug. In ihrer Forschung hat sie festgestellt, dass die von Facebook selbst veröffentlichten Daten über politische Werbung oft unzureichend sind. Wie genau welche Nutzerinnen und Nutzer getargetet werden, geht aus der Werbebibliothek nicht hervor. Unter anderem diese Lücke will Edelson mit dem Ad Observatory schließen. Sie betont daher die Bedeutung von unabhängigen Instanzen: "Große Plattformbetreiber wie Facebook sollten sich für die Prüfung durch Forscherinnen und Forscher öffnen. Damit Menschen Vertrauen in diese neue Öffentlichkeit haben, braucht es diese Transparenz."
Die Account-Sperre sei nicht nur ein schwerer Rückschlag für sie und ihr Team, sondern für die gesamte Forschungsgemeinschaft: "Was Facebook hier im Grunde sagt, ist: Wir mögen nicht, was ihr herausfindet, also hindern wir euch daran. Und das ist ein Problem für alle, die ehrliche, unabhängige Forschung über Facebook betreiben wollen und sich nun darüber Sorgen machen müssen, ob Facebook diese mag oder nicht." Wie es nun weitergehen soll mit dem Ad Observatory, kann Edelson aktuell nicht sagen. Ihre Forschung aufgeben wolle sie aber keinesfalls.