Facebook und Medien: Die Maske fällt
Kommentar von Daniel Bouhs
In Australien zeigt sich, was das Engagement der Tech-Konzerne in den Journalismus wirklich wert ist. Ein Kommentar.
In Extremsituationen zeigt sich, wie Menschen tatsächlich zueinander stehen. Das gilt offensichtlich auch für das Verhältnis von Konzernen zu ihren vermeintlichen Partnern. Google und Facebook umgarnen seit Jahren den Journalismus. Neben etwaigen Lobby-Strategien für eine wohlige Berichterstattung sind sie auch an ihren Inhalten interessiert, denn viele Nutzerinnen und Nutzer ihrer Plattformen suchen nach Nachrichten von Verlagen oder Sendern oder wollen sie mit ihren Freunden teilen. In Australien fährt Facebook nun aber eine "Kampflinie", wie die "Welt" treffend schlagzeilt. Die Folge: Facebook hat australische Medieninhalte verbannt.
Facebook reagiert radikal
Die australische Regierung will Tech-Konzerne dazu zwingen, Medien dafür zu entlohnen, wenn sie Inhalte von Verlagen einbinden. Die Idee dahinter ist nobel: Tech-Konzerne sollen etwas von ihren Milliarden an Einnahmen abgeben, die sie um die Inhalte von Medien generieren, indem sie Werbeplätze vermarkten. Ein entsprechendes Mediengesetz ist radikaler als das neue Urheberrecht, das demnächst in der EU greift. Die Rechtslagen sind also nicht vergleichbar. Doch das Verhalten der Tech-Konzerne zeigt, wo sie im Zweifel stehen.
Facebook verzichtet lieber auf Inhalte von Medienkonzernen. Wer auf der Plattform ihre Seiten aufruft, sieht: nichts. Nutzerinnen und Nutzer, die Nachrichten etwa von "The Australian" teilen wollen, erhalten weltweit den Hinweis, dass Facebook das Posten von Beiträgen australischer Nachrichtenseiten "angesichts einer neuen Gesetzgebung der australischen Regierung" einschränke. Laut INMA, dem weltweiten Verband der Nachrichtenmedien, waren von der Sperrung sogar Facebook-Seiten betroffen, hinter denen gar keine klassischen Medienkonzerne stehen, etwa Angebote der Umweltschutzorganisation WWF.
Google bezahlt für Inhalte
Google geht wiederum einen anderen Weg: Der Konzern hat unter anderem mit der Mediengruppe um Rupert Murdoch, dem ein großer Teil der australischen Medienlandschaft gehört, Verträge abgeschlossen. Der Konzern bezahlt also für Inhalte. Nun ließe sich dabei viel über positive Diskriminierung diskutieren, denn ob Google mit allen Medienhäusern ins Geschäft einsteigen wird, ist ebenso offen wie die Frage, ob alle Medienhäuser mit Tech-Konzernen eine Geschäftsbeziehung eingehen und so noch abhängiger werden wollen als sie es ohnehin schon sind. Google bringt ihnen über die Suchmaschine immerhin fleißig Laufkundschaft vorbei.
Wie zuverlässig sind die Konzerne?
Eigentlich beteuern beide Konzerne gleichermaßen, wie wichtig ihnen starke Medien sind. Facebook hat ein "Journalism Project" aufgelegt. In den USA hilft der Konzern Lokalredaktionen, die ums nackte Überleben kämpfen. In Deutschland finanziert der Konzern an der Hamburg Media School ein Weiterbildungsprogramm für den Journalismus. Dazu kommen Online-Trainings. Google wiederum pumpt seit Jahren in einer "News Initiative" Millionen in die Medienlandschaft, auch hierzulande. Google veranstaltet zudem gemeinsame Zukunftskongresse. Vertreterinnen und Vertreter von Techkonzernen und Medienhäusern entwickeln mitunter sogar gemeinsame Technologien, etwa Bezahlsysteme für Verlagsportale oder schnellere Internetseiten.
Bei diesen Projekten heißt es oft, man befinde sich mit seinen "Partnern" in ein und demselben "Ökosystem", auch in Gesprächen mit ZAPP. Facebook bezahlt Medienhäuser auch dafür, auf seiner Plattform Fakenews zu kontern. Auch Google arbeitet beim Kampf gegen Desinformation mit Medien zusammen. Doch auf welchen Konzern können sich Medien wirklich verlassen, wenn es hart auf hart kommt? Facebook hat nun bewiesen: auf diesen Konzern besser nicht. Google greift wiederum tief in die Tasche, um Nutzerinnen und Nutzern weiter Medieninhalte präsentieren zu können.
Ist der Deal mit Google ein Pyrrhussieg?
Wirklich über Googles Generosität freuen sollten sich Verlage aber nicht. Der Vorgang zeigt, dass Suchmaschinen und soziale Netzwerke längst eine kritische Informationsinfrastruktur sind. Sie zu regulieren, tut zweifellos Not. Vielleicht wäre es klüger, den Konzernen bei der Bedeutung ihrer Plattformen gar keine Wahl zu lassen. Wenn sie Nutzerinnen und Nutzer über Jahre beigebracht haben, dass sie in ihren Diensten praktisch keine wichtigen Nachrichten verpassen wie jetzt über die Pandemie, dann geht mit monopolartigen Angeboten auch eine große Verantwortung einher. Die Eskalation in Australien hat bewiesen, dass Konzernlenker sie allein nicht erkennen - oder nicht erkennen wollen.
Disclaimer: ZAPP-Autor Daniel Bouhs hat 2016 eine Diskussionsrunde ("Wie viel Meinung verträgt guter Journalismus?") moderiert, die neben Journalistenverbänden auch Google veranstaltet hat. Sein Honorar hat er gespendet.