Der Fall Babtschenko: Spiel mit der Wahrheit?
Ob in der ARD, auf CNN oder im Russischen Staatsfernsehen: Die Nachricht von der Ermordung des kremlkritischen Journalisten Arkadi Babtschenko im Kiewer Exil wird in der vergangenen Woche weltweit gemeldet - die ukrainischen Behörden und seine Familie bestätigen den Mord. Das Foto, das ihn in einer Blutlache zeigt: inszeniert, mit Schweineblut, eine Spezialoperation des ukrainischen Geheimdienstes, in Zusammenarbeit mit Babtschenko - nötig um die Auftraggeber dingfest zu machen, dahinter stecke der russische Geheimdienst, heißt es von den ukrainischen Behörden.
Eine Szene für den Wahlkampf?
Unterdessen werden weltweit Babtschenkos Nachrufe veröffentlicht - dann die Wiederauferstehung, in Szene gesetzt vom ukrainischen Geheimdienst SBU und Bilder Seite an Seite mit dem Präsidenten Petro Poroshenko, der Russland beschuldigt. Eine gelungene Wahlkampferöffnung? Bald wird Kritik an der Geheimdienstoperation laut: Reporter ohne Grenzen, die OSZE und internationale Journalisten sprechen von einer unnötigen Beschädigung des Journalismus, davon dass das Vertäuen in die Ukraine untermauert und den Journalismus an sich erschüttert worden sei.
Um journalistische Ethik wird hart gestritten
Darf ein Journalist zusammen arbeiten mit Geheimdiensten? Babtschenko selbst sagt auf einer Pressekonferenz, er habe "sein Leben und seine Familie schützen" wollen, Ethik sei ihm da "nicht in den Sinn gekommen". Auch viele ukrainische Journalisten sind irritiert von der scharfen Kritik aus dem Westen.
"Reporter Ohne Grenzen hat nicht alle Informationen, und unter diesen Voraussetzungen solche Statements zu machen ist falsch. Am meisten Wert ist doch das Leben: Wenn ein westlicher Journalist lieber sterben würde als mit dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten, um das eigene Leben zu retten, dann soll er das tun", sagt Ayder Muzhdabajew, ebenfalls ein Russe im Kiewer Exil und Babtschenkos Freund, sowie Chef der krimtatarischen Senders ATR. "Wichtig ist: Der Mordauftrag durch den russischen Geheimdienst war echt. Wie viele Journalisten und Politiker muss das System Putin noch umbringen, damit auch westliche Journalisten das wahre Gesicht von Russland sehen wollen?"
Wütende Replik auf Kritik
Auch der Kiewer Journalist-Dozent Yevhen Fechenko, Gründer der Organisation "Stop Fake", die russische Desinformation entlarven will, ist wütend über die Kritik von außen. "Kein Wunder, dass ukrainische Journalisten ruhiger auf die Meldung der Spezialoperation reagiert haben. Sie kennen alle die Situation hier. Aber der Westen lässt die ukrainische Realität außer Acht. Wir sind seit vier Jahren im Krieg, es gibt keinen Journalismus aus dem Textbuch."
Dem Westen wirft er Doppelstandards vor: "Um gezielte russische Desinformation und Propaganda hat sich noch niemand im Ausland so massiv und geballt Sorgen gemacht wie um einen möglichen Vertrauensverlust nach dem Fall Babtschenko." Er sieht diesen Vertrauensverlust nicht, und auch keine Fake News: Es habe ja einen konkreten Auftrag zum Mord gegeben und eine Spezialoperation gegeben. Da gölten andere Regeln als im Journalismus.
Ukrainer müssen aufklären
Doch auch ukrainische Journalisten stellen und haben Fragen, vor allem zur angeblichen Todesliste, die ukrainische Behörden vorgelegt haben. 47 Journalisten und andere Personen, darunter auch viele Ukrainer in Russland sollen darauf stehen. Auch sie seien im Visier des Geheimdienstes. "Vor allem müssen die Behörden nun Beweise vorlegen, warum die ganze Inszenierung nötig war", sagt der Kiewer Journalist Denis Trubetskoy, der auch für deutsche Medien aus der Ukraine berichtet. Bisher ist er nicht überzeugt, von dem was vorgelegt wurde.
Babtschenko selbst darf im Moment keine Interviews mehr geben - er steht unter dem Schutz des ukrainischen Geheimdienstes. ZAPP hatte eine Interview-Zusage von ihm, der SBU legte sein Veto ein.