Ukraine: Journalismus in Zeiten des Krieges
Etwa eine Millionen Binnenflüchtlinge gibt es in der Ukraine. Sie flohen aus dem Osten des Landes und von der annektierten Krim. In den Medien findet ihr Schicksal kaum einen Niederschlag. Einige Zeit wurde viel berichtet, 2017 kaum mehr. "Zu wenige Wohnungen, die Versorgung von Alten und Kranken, Probleme einen Arbeitsplatz zu finden - die Probleme bleiben", sagt Oleg Gorbatschow, der geholfen hat, ältere Menschen aus dem Donbass in Sicherheit zu bringen. "Aber es herrscht ja immer noch Krieg bei uns. Wenn dann auch noch wir Binnenflüchtlinge anfangen würden, lauthals auf unsere Probleme aufmerksam zu machen, wäre das wohl zu viel", sagt er.
Binnenflüchtlinge sind kaum Thema
Die Kiewer Nichtregierungsorganisation "Detektor Media", die beobachtet, wie ukrainische Medien in den Zeiten des Konfliktes im eigenen Land berichten, hat ebenfalls festgestellt: Die Binnenflüchtlinge sind kaum noch Thema. "Die befragten Journalisten sagten uns, da gebe es doch wenig Neues", sagt Diana Dytsuk. Und: Am Anfang, als noch viel berichtet wurde, habe es auch viele Vorurteile gegeben. "Viele Ukrainer, darunter eben auch Journalisten, haben das Vorurteil, dass die Menschen aus dem Osten unseres Landes von der russischen Propaganda beeinflusst sind und dass sie die Ukraine deshalb weniger lieben." Aber seit verschiedene Organisationen auf diese Stereotype hingewiesen hätten, habe sich die Situation verbessert, so Dytsuk.
Ukrainische Soldaten werden glorifiziert
Auch im dritten Kriegsjahr geht es in den ukrainischen Medien viel um den Konflikt im Osten des Landes. Die ukrainischen Soldaten an der Front sind Thema der meisten Berichte, so das Fazit von "Detektor Media": "Sie werden oft als Helden dargestellt, glorifiziert", sagt Diana Dytsuk. Über die schwierige Lage der Zivilbevölkerung in den selbsternannten Volksrepubliken von Luhansk und Donezk wird dagegen kaum berichtet. "Das liegt vor allem daran, dass ukrainische Journalisten dort in Lebensgefahr sind und kaum Zugang haben", sagt sie.
Drei Typen von Journalisten
Die Organisation hat drei Kategorien von Journalisten identifiziert. "Die einen sind sehr patriotisch, teilweise sogar radikal, andere versuchen um jeden Preis neutral zu bleiben. Und wieder andere sind hin- und hergerissen, versuchen eine Balance zu finden zwischen ihren patriotischen Gefühlen und professionellen Standards", sagt Diana Dytsuk. Und tatsächlich hört man im ukrainischen Fernsehen immer wieder Formulierungen wie: "Unsere Jungs", "unsere Armee", "unsere Soldaten" - das gilt besonders für den 5. Kanal, den Sender des Präsidenten Petro Poroschkenko. Beim ukrainischen Privatsender ICTV, der dem Oligarchen Viktor Pintschuk gehört, könne jeder Reporter oder Moderator selbst entscheiden, welche Formulierung er für die Armee benutzt. "Es ist schwer über den Dingen zu stehen, als Bürger des Landes gegen das Russland einen Krieg angezettelt hat", sagt ICTV-Nachrichtenchef Viktor Soroka.
Öffentlich-rechtliches Fernsehen will Alternative werden
Der Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Senders "UA:Pershiy" sieht das anders. Zurab Alasania hält den jetzt weit verbreiteten Patriotismus in ukrainischen Medien für ein Problem. "Bist du Patriot oder Journalist? Ich will die Frage weder von Kollegen, Zuschauern noch von Mächtigen hören, aber sie wird immer wieder gestellt", sagt Zurab Alasania, seit Mai 2017 Generaldirektor des einstigen staatlichen Senders "Pershiy". Nach dem Maidan 2014 beschloss die ukrainische Führung, dass der Sendergigant zu einem öffentlich-rechtlichen Sender umgebaut werden solle. Aber das ist eine Mammutaufgabe: Es gibt zu wenig Geld, veraltete Technik, zu wenig gutes Personal. Und: "Die Leute finden objektive Nachrichten langweilig. Sie fragen uns: Wenn ihr nicht für die Unseren seid, sie nicht anfeuert, keine Gefühle für sie zeigt - wozu brauchen wir euch dann?", sagt Zurab Alasania.
Medien als Machtinstrument der Oligarchen
Und noch etwas treibt Alasania um: Für die einflussreichen, ukrainischen Oligarchen seien Medien immer noch ein Machtinstrument, mit denen sie ihren Einfluss sichern. "Sie treiben ihre Einschaltquoten und Beliebtheit mit Unterhaltungsprogrammen hoch", sagt er. "Im entscheidenden Moment, vor Wahlen zum Beispiel, sagt der Besitzer eines Senders dann, was oder wer gezeigt werden darf." In Zukunft soll "Pershiy" eine verlässliche, unaufgeregte Alternative werden zu den Oligarchensendern. Aber es seien, so Alasania, noch "eine Milliarde Schritte" nötig. Und der Krieg wird es in keiner Hinsicht einfacher machen.