Zeitreise: Lesezirkel früher und heute
Jeder kennt sie und jeder wirft einen kürzeren oder längeren Blick hinein: ob beim Arzt, beim Friseur oder im Sonnenstudio – jeder, der sich die Zeit vertreiben will, schmökert in den ausliegenden Zeitschriften. Der Lesezirkel Krumbeck aus Ellerbek im Kreis Pinneberg vermietet seit 112 Jahren wochenweise Illustrierte - an Friseure, Ärzte, aber auch an Privatkunden. Der erste Abonnent kriegt die Blätter druckfrisch, danach werden sie weitergereicht. Für die Folgekunden wird das Abo immer günstiger. Das Prinzip ist seit jeher dasselbe. 40.000 Zeitschriften bringt der Lesezirkel Krumbeck Woche für Woche unter das Volk. Der Kundenkreis umfasst die gesamte schleswig-holsteinische Westküste und das Hamburger Umland. Das Familienunternehmen ist eines der ältesten Lesezirkel bei uns im Land.
Früher war es gemütlicher
Mittwochs herrscht Hochbetrieb in der Betriebshalle. Dort werden die Lesemappen sortiert und die Neuerscheinungen mit dem klassischen Schutzumschlag versehen. Mittwochs früh um halb fünf kommen die allerneuesten Ausgaben. Sie sind noch warm vom Drucken. Jede Woche beliefert der Betrieb 3.000 Abonnenten – viele davon direkt am Mittwochvormittag, denn nachmittags haben Praxen geschlossen. Früher war es gemütlicher, berichtet der Chef Günther Hildebrand, aber heute wollen alle Illustrierten aktueller denn je sein, und so wirkt sich der nach hinten verlagerte Redaktionsschluss auch auf den Lesezirkel aus.
Sortiment wächst
Der Druck wächst auch beim Sortiment. Der Leser verlangt immer größere Auswahl. Heute bietet der Lesezirkel Krumbeck 120 verschiedene Journale an. Dafür wechseln die Zeitschriften im Schnitt nur noch dreimal den Besitzer. Als die Blätter Anfang des 20. Jahrhunderts noch "Elegante Dame" oder "Gartenlaube" hießen, wanderten die Lesemappen weitaus öfter weiter: mehr als zehnmal. Damals war das aber auch für viele die einzige Informationsquelle, erklärt Günther Hildebrand, Fernsehen oder gar Internet gab es schließlich nicht.
Bis heute ein Erfolg
Ob zu Hause oder beim Friseur – ob früher oder heute: Viele Leser sind wichtig für die Verlage. Denn so klettert der Preis für Anzeigen. Marktanalysen zeigen: Bis zu 50.000 Menschen lesen jede Woche Illustrierte vom Lesezirkel Krumbeck. Die Bestellscheine auf Papier sind heute eher selten, sie gibt es seit Jahren bereits im Internet. Ob das auch mit den Illustrierten eines Tages passiert, darüber grübelt die Branche. Ob die Leser in 20 Jahren statt mit einer Zeitschrift mit einem Tablet-PC in der Arztpraxis sitzen und nur noch online Neuigkeiten aus der Promi-Welt und Politik erfahren, können sich die Hildebrands noch nicht wirklich vorstellen, "wir müssen das ausprobieren", sagen sie. Die nächste Generation will hier in Ellerbek weitermachen. Der Jahresumsatz von anderthalb Millionen Euro ist seit Jahren stabil. Die Hildebrands sind sich sicher: So lange das so bleibt, ist die Lesemappe alles andere als ein Auslaufmodell.