Teure Schiffe: Wie die Politik Marineaufträge verteilt

Sendedatum: 27.06.2023 21:15 Uhr

Recherchen des NDR zeigen, dass es politisch gewollt ist, Marineschiffe auf verschiedenen Werften zu bauen: die eine Hälfte in Wolgast, die andere in Kiel - zusammengesetzt schließlich in Hamburg. Wirtschaftlich aus Sicht des Steuerzahlers ist das nicht.

von Stella Peters, Nils Naber

Vor wenigen Wochen gibt es in Hamburg etwas zu Feiern: Die Taufe der Korvette "Emden". Es spielt Marschmusik und auf der Besuchertribüne wird geklatscht. Ganz vorne in der ersten Reihe sitzt Eckhardt Rehberg - ohne den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern gäbe es die "Emden" wahrscheinlich nicht.

Eckhardt Rehberg © NDR
Eckhardt Rehberg macht keinen Hehl daraus, dass es auch um Industrie- und Standortpolitik geht.

Als damaliger Chefhaushälter der CDU im Bundestag setzte er sich im Herbst 2016 für die Bestellung von fünf zusätzlichen Korvetten für die Bundeswehr ein, gemeinsam mit dem Hamburger SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs. Unter Kennern heißen diese fünf Korvetten das "zweite Los", denn es sind bereits die Schiffe Nummer 6 bis 10 aus der Baureihe K130. Die Schiffe sind speziell für den Einsatz in flachen Gewässern konzipiert.

Damals habe "alles zusammengepasst", sagt Rehberg gegenüber Panorama 3. Im Haushaltsausschuss hätten viele Vertreter aus dem Norden gesessen, es habe Finanzüberschüsse gegeben und die Bundeswehr habe Schiffe gebraucht. Rehberg verschweigt nicht, dass es auch explizit um Industriepolitik ging: Es sollte Geld an bestimmte deutsche Marinewerften fließen, auch um Arbeitsplätze zu sichern. "Es war uns schon wichtig, dass möglichst viele Werften dabei sind", sagt Rehberg heute. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit war bei dieser Auftragsvergabe offenbar nachrangig.

Bundesrechnungshof übte Kritik

So wurde ohne Ausschreibung und Wettbewerb eine Arbeitsgemeinschaft aus dem heutigen Werftunternehmen Naval Vessels Lürssen (NVL), ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und German Naval Yards (GNYK) damit beauftragt, die fünf Korvetten zu bauen. Der Bundesrechnungshof bemängelte diese Auftragsvergabe schon vor Jahren: Das zuständige Beschaffungsamt der Bundeswehr habe auf einen Wettbewerb verzichtet und so zugelassen, dass die Werften-Arbeitsgemeinschaft "gegenüber dem Bund eine Monopolstellung einnimmt". Das Beschaffungsamt meinte dagegen, ein Wettbewerb sei unmöglich gewesen, weil die Unternehmen bereits die ersten fünf Korvetten der Reihe gemeinsam gebaut hätten und es sich bei dem neuen Auftrag um einen "möglichst baugleichen Nachbau" der Korvetten aus dem ersten Los handele.

Die ersten fünf Korvetten, die vor rund zehn Jahren fertiggestellt wurden, kosteten nach Medienangaben 1,2 Milliarden Euro. Für das zweite Los werden nach Recherchen von Panorama 3 mindestens rund zwei Milliarden Euro fällig, obwohl es sich doch um einen Folgeauftrag und möglichst "baugleichen Nachbau" handelt. Zu den Zahlen äußerten sich weder die Werften noch das Beschaffungsamt.

Ein Marineschiff liegt im Hafen. © NDR
Die Korvette "Emden" liegt bei ihrer Taufe feierlich geschmückt im Hamburger Hafen.

Drei Werften bauen ein Schiff

Als Arbeitsgemeinschaft bauen die drei Werften die Korvetten nicht an einem Standort, sondern an drei verschiedenen. Die hintere Hälfte der Korvetten, das Hinterschiff, wird in Wolgast auf der Peene-Werft gebaut, die zu NVL gehört. Die "Vorderschiffe" kommen von NVL aus Bremen und GNYK aus Kiel. Zusammengeschweißt werden sie in Hamburg bei Blohm & Voss, einem Tochterunternehmen von NVL. So hat fast ganz Norddeutschland etwas von den Korvetten.

Tim Wagner, Geschäftsführer von NVL © NDR
Für Tim Wagner ist der Bau der Kriegsschiffe an verschiedenen Standorten auch eine Frage von Kapazitäten.

NVL-Geschäftsführer Tim Wagner befürwortet dieses Vorgehen. Im Interview sagt er, entscheidend sei die Frage: "Wer hat genügend Kapazitäten?" Gleichzeitig auf verschiedenen Werften zu bauen, sei in diesem Fall effizienter. Allerdings räumt er gleichzeitig ein, dass sich solche Schiffe auch sinnvoll an einem Standort bauen ließen.

Was die Korvetten am Ende kosten, scheint offenbar zweitrangig zu sein, kritisiert auch Gesine Lötzsch. Die Linken-Politikerin sitzt seit vielen Jahren im Bundestags-Haushaltsausschuss und ist für den Verteidigungshaushalt zuständig. Die Auslastung der Werften habe für viele Ausschussmitglieder "eine hohe Priorität. Das ist etwas, was ganz vorne steht." Deshalb seien "Abgeordnete, die aus den entsprechenden Wahlkreisen kommen, da besonders aktiv".

Konsolidierung per Auftragsvergabe?

Offenbar versuchen Politiker die Standorte in ihren jeweiligen Wahlkreisen mit Aufträgen zu versorgen. Doch das Beschaffungsamt teilt auf Nachfrage mit, so viele Werften in das Korvetten-Projekt einzubeziehen, sei "stets die Entscheidung der beteiligten Unternehmen". Das Amt, also der Bund, habe "hierauf keinen Einfluss". Dabei hatte die Präsidentin des Beschaffungsamtes, Annette Lehnigk-Emden, gegenüber Panorama 3 gesagt: "Wir haben versucht, die Werften-Industrie in diesem Projekt zu konsolidieren, dass sie zusammen in der Lage sind, dieses Schiff zu bauen." Das klingt dann doch nach gewisser Einflussnahme.

Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags und heutige Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Hans-Peter Bartels (SPD), beobachtet schon länger kritisch, dass Werften aus seiner Sicht auf politischen Wunsch hin zusammenarbeiten und nicht, weil es schiffbaulich oder wirtschaftlich sinnvoll wäre.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel sei der Einsatzgruppenversorger "Bonn", das letzte in der Baureihe dreier sehr ähnlicher Schiffe. Mit rund 330 Millionen Euro kostet er mehr als die ersten beiden Einsatzgruppenversorger zusammen. Der Grund ist für Bartels, dass bei diesem Schiff gleich vier Werften mitgebaut haben. "Am Ende heißt das natürlich für die Bundeswehr, sie kann weniger kaufen, weil das wenige Geld, das sie hat, dann auf solche Projekte konzentriert wird."

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Nach der sogenannten "Zeitenwende" steht nun kurzfristig sehr viel Geld zur Verfügung. Stefan Krüger, Schiffbauexperte von der TU Hamburg, macht sich Sorgen darüber, ob dieses Geld effizient ausgegeben wird. Er hat selbst lange Zeit auf einer Werft Marineschiffe gebaut und prinzipiell nichts dagegen, dass deutsche Werften bei einem Projekt zusammenarbeiten. Dies müsse sich aber technisch begründen lassen und sinnvoll sein. "Wenn ich jetzt eine Werft das Hinterschiff und eine andere Werft das Vorderschiff bauen lasse, dann ist das logischerweise teurer als die ganze Plattform, also das ganze Schiff, auf einer Werft zu bauen." Er rät der Politik, sich weniger in die Vergabe von Rüstungsprojekten einzumischen und wünscht sich mehr Wettbewerb. Damit könnten die Werften gut umgehen, meint er.

Mittlerweile kursieren im Bundestag Angaben über eine weitere, elfte Korvette aus der Reihe K130. Nur für diesen einen Nachbau sollen offenbar 800 Millionen Euro eingeplant sein. Das Beschaffungsamt bestätigte diese Angaben nicht. Die am Projekt K130 beteiligten Werften geben an, bisher kein Angebot vorgelegt zu haben.

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Panorama 3 | 27.06.2023 | 21:15 Uhr

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