Biodiesel-Skandal bleibt offenbar folgenlos
Im November 2023 berichtete Panorama 3 über den Verdacht, dass Biodiesel aus Asien womöglich falsch deklariert worden ist. Statt altem Speisefett könnte frisches Palmöl darin sein - was nicht nur klimaschädlich, sondern in Deutschland auch nicht akzeptiert wäre. Doch es wäre ein profitables Geschäft mit riesiger Gewinnmarge. Nun wird klar: Weitere Aufklärung ist von der Bundesregierung wohl nicht zu erwarten.
Die Bundesregierung sieht sich offenbar nicht dazu in der Lage, den Import von möglicherweise falsch deklariertem Biodiesel aus Asien weiter aufzuklären. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hervor, die dem NDR vorliegt. Das zuständige Bundesumweltministerium verweist darin auf die Verantwortung der EU-Kommission, die seit Monaten in der Angelegenheit ermittelt.
Die Bundestagsabgeordnete der CSU, Anja Weisgerber, wirft der Bundesregierung deswegen Tatenlosigkeit vor: "Die Bundesregierung scheint die naheliegenden Betrugsfälle nicht vollumfassend aufklären zu wollen. Mit den Verweisen auf das Zuständigkeitswirrwarr aus europäischen und nationalen Behörden sowie auf undurchsichtige Zertifizierungssysteme macht sie sich einen schlanken Fuß."
Falsch deklarierter Biodiesel ist schwierig nachzuweisen
Im vergangenen Jahr klagten europäische Biodieselproduzenten über stark steigende Importe von Biodiesel aus China, die ihr Geschäft massiv beeinträchtigten. Recherchen des NDR-Magazins Panorama 3 legen nahe, dass in China Palmölbiodiesel aus Südostasien umdeklariert worden ist. Biodiesel auf der Basis von frischem Palmöl ist in Deutschland seit Anfang 2023 nicht mehr zulässig. Dagegen darf weiterhin Biodiesel auf der Basis von altem Speisefett eingeführt werden - und Speisefett ist in Asien häufig aus Palmöl.
Im Labor lässt sich später kaum nachweisen, ob der Biodiesel auf der Basis von frischem Palmöl oder Palmölspeisefett produziert wurde. Bei einer Umdeklarierung von Palmölbiodiesel in Speisefettbiodiesel waren im vergangenen Jahr laut Angaben des Preisinformationsdienstes Argus Media Gewinnmargen von bis zu 565 Dollar pro Tonne möglich. Insgesamt muss von möglichen Profiten in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar ausgegangen werden.
Zertifizierungsstelle mauert offenbar
Bei der Aufarbeitung des möglichen Betrugs scheinen nicht alle beteiligten Institutionen dauerhaft an einem Strang zu ziehen. Aus der Antwort auf die Kleine Anfrage geht hervor, dass die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), als zuständige Behörde, im Rahmen von Nachforschungen offenbar mehrfach keine vollständigen Auskünfte vom Kölner Zertifizierungssystem ISCC (International Sustainability & Carbon Certification) erhalten hat. Auf Nachfrage äußert sich ISCC nicht zu diesem Sachverhalt. Das Zertifizierungssystem soll eigentlich garantieren, dass der Handel mit Biokraftstoffen nachhaltig abläuft. Von Marktbeteiligten wurde der Verdacht geäußert, bei der Zertifizierung von Biodieselproduzenten und -händlern in China sei möglicherweise nicht immer alles korrekt abgelaufen.
Das Ministerium betont in der Antwort auf die Kleine Anfrage erneut, dass die BLE "nicht abschließend beurteilen kann", ob die chinesischen Produzenten tatsächlich sogenannten fortschrittlichen Biodiesel erzeugen können. Eine Genehmigung zur Kontrolle der Betreibe vor Ort in China "wurde von der Volksrepublik China nicht gewährt". Die chinesische Botschaft äußert sich dazu nicht. Aus Sicht der umweltpolitischen Sprecherin der Unionsfraktion, Weisgerber, ist dieser Zustand untragbar: "Die Antwort zeigt auch, dass das europäische Kontrollsystem ein zahnloser Tiger ist, sobald ein Drittstaat Vor-Ort-Kontrollen nicht zulässt."
EU-Verfahren soll Aufklärung bringen
Dennoch sieht das Bundesumweltministerium offenbar keine Alternative zu den aktuellen Regelungen. Diese könnten nur in Abstimmung mit der EU geändert werden. Marktbeteiligte schlagen zum Beispiel eine Probennahme durch einen unabhängigen Kontrolleur bei Ankunft der Tankschiffe in einem EU-Hafen vor. Dies ist bislang nicht vorgeschrieben.
Die EU-Kommission hatte kurz vor Weihnachten 2023 die Einleitung eines Anti-Dumping-Verfahrens gegen China angekündigt. Dabei soll unter anderem geklärt werden, ob Biodiesel zu billig in die EU eingeführt wurde. Es ist fraglich, ob durch das Verfahren tatsächlich belastbare Erkenntnisse gewonnen werden, um den möglichen Betrug aufzuklären.