Umstritten: Erweiterung eines Pestizid-Lagers

Sendedatum: 21.09.2021 21:15 Uhr

In Baddeckenstedt darf ein Pestizid-Lager rund 200 Tonnen akut toxische Stoffe erweitert werden. Trotz laufender Widersprüche und Protest von Anwohnern, erteilte das Gewerbeaufsichtsamt die Genehmigung.

In Niedersachsen regt sich Widerstand gegen die Lagerung giftiger Pestizide. Die PLG mbH betreibt in Baddeckenstedt im Landkreis Wolfenbüttel und Bad Harzburg riesige Lager für Pestizide und andere Chemikalien. Bereits 2017 rühmte sich ein Geschäftsführer im Online-Journal der Industrie und Handelskammer Braunschweig, PLG versuche "zumindest in Bezug auf die Schnelligkeit der Auftragsabwicklung und der Lieferung, quasi eine Art Amazon in der Pflanzenschutzmittel-Logistik zu sein." Insgesamt kann die Firma zukünftig an beiden Standorten rund 30.000 Tonnen, überwiegend wassergefährdende Stoffe, lagern. Nun gehen Anwohner in Baddeckenstedt gegen die Erweiterung der Lagerkapazitäten für akut toxische Stoffe vor.

Pestizid-Lager am Hengstebach

Älterer Mann sitzt in Garten
Reinhold Determann und seine Frau Christiane setzen sich gegen die Erweiterung des Pestizid-Lagers in ihrer unmittelbaren Umgebung ein.

In Baddeckenstedt schauen Christiane und Reinhold Determann besorgt auf den kleinen Hengstebach direkt vor ihrem Grundstück. Das Uferfiltrat des Baches speist ihren Hausbrunnen zur Trinkwasserversorgung. Nur wenige hundert Meter bachaufwärts liegen die Hallen von PLG. Dort kann PLG rund 7000 Tonnen giftige Pestizide und andere Chemikalien ganz nah an dem kleinen Bach lagern. "Wenn wir hier im Brunnen Gifte haben, was dann tun? Wir haben keinen anderen Anschluss, das ist unser Standardanschluss", gibt Reinhold Determann zu bedenken. Und nun sollen noch mehr giftige Stoffe zu PLG. Die Firma hat eine Erweiterung der Kapazitäten für akut toxische Stoffe auf 199 Tonnen beantragt. Dagegen haben die Determanns und Nachbarin Friederike Kohn Widerspruch beim Gewerbeaufsichtsamt in Braunschweig eingelegt.

Geholfen hat das nichts. Das Gewerbeaufsichtsamt hat schon mal mit einer "Anordnung der sofortigen Vollziehung" die Erweiterung genehmigt. Es kann also weitergehen bei PLG, obwohl über die Widersprüche der Anwohnerinnen und Anwohner noch gar nicht entschieden wurde. Die Behörde ist dabei offenbar auch den Argumenten der Anwälte von PLG gefolgt. Das lässt zumindest eine Passage in der Begründung für die Entscheidung vermuten. Da steht etwas von "einer Stilllegung des Betriebes", die "die wirtschaftliche Existenz meiner Mandantschaft nachhaltig gefährdet". Bei einer Stilllegung seien Umsatzeinbußen von täglich 25.000 Euro zu erwarten. Offensichtlich wurde die Passage aus dem Anwaltsschreiben der Firma PLG ("meiner Mandantschaft") herauskopiert und in die amtliche Anordnung eingesetzt. Obendrein richten sich die Widersprüche lediglich gegen die Erweiterung, nicht aber gegen den gesamten Betrieb. Von einer Forderung nach Stilllegung war nie die Rede. Auf unsere Nachfrage schreibt uns das Gewerbeaufsichtsamt nicht, wie und warum die Passage der Anwälte da hineingeraten konnte, teilt uns aber mit, die Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen sei "nicht falsch, sondern gegebenenfalls etwas zu hoch angesetzt". Der entscheidende Faktor für die Abwägung jedoch sei "die zu erwartende Gefährdungslage für Mensch und Umwelt." Und die schätzt das Amt offensichtlich als nicht so groß ein. Also darf PLG das Lager erweitern. Darüber hinaus meint das Gewerbeaufsichtsamt, private Trinkwasserbrunnen würden keinem besonderen Schutzstatus unterliegen.

Wasser und Feuer

Frau im Garten
Friederike Kohn hat Angst davor, dass die gelagerten Pestizide durch Überschwemmungen in den Hengstebach gelangen können.

Anwohnerin Friederike Kohn sieht allerdings durchaus eine Gefährdungslage. Sie kennt den Hengstebach und seine Tücken. Immer wieder sei der Bach über die Ufer getreten. 2007 sei es so schlimm gewesen, dass "ein Dorf weiter Häuser abgesoffen sind und die Brühe des Hengstebachs da durchgeflossen ist." Sie hat Angst, dass das Wasser auch die Hallen von PLG erreichen könnte. Dagegen schützen soll ein Erdwall zwischen Bach und PLG-Gelände. Der Wall ist durchwuchert von Baumwurzeln und Rohre ragen heraus. Mit diesen wird offenbar Oberflächenwasser vom Gelände abgeleitet. Die Behörden sehen auch darin kein Problem. Das Gewerbeaufsichtsamt ist sich sicher: "Nach den gesetzlichen Vorgaben werden Abflüsse bei einer Havarie automatisch verschlossen." Und auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz sieht nach Berechnungen keine Gefahr "von Überschwemmungen durch ein 100-jährliches Hochwasserereignis" auf dem PLG-Gelände. Eine Überflutung gänzlich ausschließen will die Behörde dennoch nicht.

 

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Das Gewerbeaufsichtsamt verweist auf den Alarm- und Gefahrenabwehrplan von PLG. Dieser soll nicht nur bei Hochwasser, sondern auch bei Feuer oder einer Explosion greifen. Den Plan habe die Firma vorschriftsmäßig erstellt, teilt uns das Gewerbeaufsichtsamt auf Nachfrage mit. Dieser liege der Samtgemeinde Baddeckenstedt vor. Und die Katastrophenschutzbehörde beim Landkreis Wolfenbüttel erstelle daraus einen externen Alarm- und Gefahrenabwehrplan. Umso verwunderlicher, dass uns der Landkreis nicht sagen konnte, was bei PLG genau gelagert wird und wie die Stoffe im Fall einer Brandkatastrophe wirken. Der Kreis betont, die Firma habe eine Brandmeldeanlage und schiebt die Verantwortung an die Freiwillige Feuerwehr in Baddeckenstedt. Die Gemeinde teilt uns mit, man habe einen Gefahrenabwehrplan und stehe "in regelmäßigem Austausch mit der Firma PLG".  Die Verantwortlichen der Firma PLG selbst verweigern ein Interview mit Panorama 3 zu den möglichen Gefahren und beantworten auch keine schriftlichen Fragen.

Anwohner fordern Katastrophenplan

Sollte es zu einem Feuer bei PLG kommen, ist eine Freiwillige Feuerwehr sicher schnell überfordert. Der Biochemiker Helmut Burtscher-Schaden von der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 spricht von "einer mittleren Katastrophe", die bei einem Brand in solch einem Pestizid-Lager eintreten könnte. Giftige Dioxine und Pestizide könnten ungehindert in die Umwelt gelangen. Deshalb fordern Anwohnerinnen und Anwohner jetzt einen transparenten Plan zur Gefahrenabwehr für den Fall eines Feuers, einer Explosion oder eines Hochwassers.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 21.09.2021 | 21:15 Uhr

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