So agiert die Hisbollah in Deutschland
Etwa 1.300 Hisbollah-Anhänger leben in Deutschland. Thorge Koehler, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bremen, erklärt die Ideologie der Hisbollah und die Strategien auf deutschem Boden.
Was ist die Hisbollah für eine Organisation?
Thorge Koehler: Die Hisbollah ist in erster Linie eine schiitisch-islamistische Terrororganisation. Man muss allerdings dazu sagen, dass die Hisbollah insbesondere in ihrer Heimatregion im Libanon tatsächlich auch ganz unterschiedliche Funktionen wahrnimmt. Sie ist Teil der politischen Repräsentanz von schiitischen Libanesen im Libanon. Sie hat unterschiedliche Wohltätigkeitsorganisationen, die aber immer eng mit dem militärischen Arm verknüpft sind. Und so zeichnet sich dort ein etwas vielschichtigeres Bild. In erster Linie geht es der Hisbollah aber um die ideologische Zielsetzung. Das Hauptziel ist, den israelischen Staat zu besiegen beziehungsweise Israel zu vernichten.
Wie ordnen Sie die Hisbollah hier in Deutschland ein?
Koehler: Die Hisbollah hier in Deutschland hatte über lange Jahre versucht, Strukturen zu etablieren und Deutschland eher als Rückzugsraum zu nutzen beziehungsweise hier ihre Ideologie insbesondere an Libanesen, aber eben nicht nur an Libanesen, weiter zu vermitteln. Das ging über unterschiedliche Moscheevereine, das ging aber auch zunehmend digital in den letzten Jahren. Und da ging es insbesondere um logistische Unterstützungsleistungen, etwa Spendensammlung. All das, was hier passieren konnte, um die Kernorganisation und auch die kämpfenden Teile der Organisation im Libanon zu unterstützen. Das hat immer das Fundament der Hisbollah in Deutschland gebildet. Und aktuell beobachten wir durch den eskalierenden Konflikt im Nahen Osten und eine deutlich stärkere Emotionalisierung durch die wirklich massiven Kämpfe, die den Libanon erreicht haben, dass hier auch immer wieder Einzelpersonen, einzelne Anhänger erheblich aufgestachelt werden. Und wir beobachten relativ engmaschig jetzt, wie sich die deutsche Szene entwickelt. Insbesondere, ob es zumindest in Bremen bei einer logistischen Unterstützung bleibt oder ob es da möglicherweise sogar zu einer Fortentwicklung kommt. Die Hisbollah gilt in Deutschland als Terrorvereinigung, sie unterliegt einem Betätigungsverbot und es gab Vereinsverbote.
Inwiefern können Anhänger der Hisbollah hier überhaupt tätig werden?
Koehler: Also durch die Einstufung und das ausgesprochene Betätigungsverbot ist es für die Sicherheitsbehörden noch einmal leichter geworden, entsprechende Aktivitäten der Organisation auch hier in Deutschland zu verfolgen und insbesondere auch strafrechtlich zu ahnden. Nichtsdestotrotz ist die Ideologie ja nicht weg, sondern sie haben hier ihre feste Anhängerschaft. Und die vernetzt sich unter anderem auch viel in den digitalen Medien, gerade auch wenn es um die Verbreitung von Nachrichten aus der Heimat, aus dem Libanon, geht. Auch soziale Medien spielen eine zentrale Rolle. Es gibt es auch weiterhin Bestrebungen der Unterstützungsszene, die Hisbollah-Strukturen in Deutschland zu erhalten beziehungsweise die Hisbollah im Libanon zu unterstützen - sei es durch Spendensammlungen, sei es ideologisch, sei es durch Nachwuchsgewinnung. Im Jahr 2022 hat der Bremer Innensenator die Hisbollah-nahe "Al-Mustafa-Gemeinschaft" verboten.
Welche Verbindungen gab es zur Hisbollah?
Koehler: Es gab unterschiedliche Bezüge. Es gab einmal die Bezüge über die sogenannten Reisescheichs, die hier hierhergekommen sind, um unter anderem auch Anweisungen der Hisbollah hierher zu transferieren. Es gab immer wieder Berührungspunkte mit dann später verbotenen Spendenorganisationen, die für die Hisbollah Spenden gesammelt haben. Es gab mit den "Al-Mustfa-Pfadfindern" eine Jugendorganisation, die den sogenannten Imam-al-Mahdi-Scouts nachgebildet war. Das ist die Jugendorganisation der Hisbollah im Libanon. Und wir hatten diverse Belege, aus denen deutlich hervorgegangen ist, dass es wirklich der Versuch war, eine Eins-zu-eins-Nachbildung zu haben. Und dass zum Beispiel diese Pfadfindergruppierung dann auch von den Reisescheichs aufgesucht und unterrichtet wurde, die von der Hisbollah entsandt wurden. Wir haben darüber hinaus antisemitische Literatur bei den Durchsuchungsmaßnahmen gefunden. Wir haben auch Bezüge von Vereinsverantwortlichen zu Hisbollah belegen können. Dort gab es Kontakte.
Welche Rolle spielte die Indoktrination von Kindern und Jugendlichen bei der "Al-Mustafa-Gemeinschaft"?
Koehler: Das ist wie tatsächlich bei den meisten extremistischen Organisationen relativ zentral. Man versucht relativ frühzeitig einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, um Kinder und Jugendliche sehr früh mit in diese ideologischen Spiralen zu ziehen. Das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil auch der Hisbollah. Einmal natürlich zum Ideologietransfer, also um sicherzustellen, dass die Kinder und Jugendlichen auch sehr frühzeitig mit den zum Beispiel sehr klar antisemitischen Überzeugungen großwerden. Dass es dort klare religiöse Vorgaben gibt. Dass all diese Dinge sichergestellt sind in einem sehr frühen Stadium. Auf der anderen Seite geht es insbesondere bei der Organisation im Libanon natürlich um Nachwuchsgewinnung. Da gibt es sehr militärisch-angehauchte Rituale. Da marschiert man zusammen in bestimmten Formationen. Das hat partiell einen militärischen Einschlag. Und das wird auch dazu genutzt, den Kämpfer von morgen zu rekrutieren.