Stand: 11.06.2019 21:35 Uhr

Neuer Streit um Windkraftanlagen in Niedersachsen

von Jörg Hilbert

Lärm macht krank. Deshalb müssen für die Genehmigungen von Windkraftanlagen Schallgutachten erstellt werden. In diesen wird theoretisch berechnet, welchem Lärm Anwohner der Windräder ausgesetzt sind. Für die Berechnung des Lärms gibt es ein neues Verfahren. Dieses gilt seit März 2019 auch in Niedersachsen. Das sorgt für Ärger. Denn viele nach dem alten Verfahren berechnete Lärmwerte waren offenbar zu niedrig. Das neue Verfahren liefert oft höhere Werte. Anwohner fordern nun die Abschaltung von Anlagen in der Nacht. 

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Unzulässiger Lärm?

Harald Frauenknecht © NDR Foto: Screenshot
Genervt vom Lärm der Windkrafträder: Harald Frauenknecht.

Harald Frauenknecht schaut auf die Windräder auf den Feldern hinter seinem Haus im niedersächsischen Hinte. Er wollte die Räder nicht so dicht an den Wohnhäusern des Ortes. Doch Gemeinde und Landkreis Aurich haben den Windpark genehmigt und durchgesetzt, sind obendrein an ihm beteiligt. Doch der Lärm, das ewige Schlagen der Flügel nervt hier nicht nur ihn. Viele Anwohner fühlen sich gestört, besonders nachts. Elke Benjamins hört es oft "das Rauschen der Anlagen". Und dann könne sie nicht mehr einschlafen. Doch nun sieht Harald Frauenknecht eine neue Chance gegen die lärmenden Riesen. Er hat eine neue Schallprognose in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Die Windräder seien zu laut, Wohngebiete in Hinte würden unzulässigem Lärm ausgesetzt. 

Neue Schallprognose

Windkraftkritiker Holger Diedrich aus Gosdorf in Schleswig-Holstein hat die Schallprognose für den Windpark Hinte erstellt. Der Diplom-Ingenieur hat die Berechnungen mit einem speziellen Computerprogramm gemacht. Dieses ermittelt aus den technischen Daten und den Standorten der Anlagen die Lärmbelastung. Wohngebiete dürfen in der Nacht höchstens 40 Dezibel ausgesetzt werden. Das entspricht etwa einem leisen Gespräch. Das Ergebnis seiner Prognose sei, dass es "deutliche Überschreitungen der nächtlichen Richtwerte" gebe, warnt Holger Diedrich. Das sei unzulässig.

Alte Prognosen überholt

Tatsächlich gilt das alte Verfahren zur Lärmprognose als überholt. Dieses ging von bodennahen Lärmquellen aus, bis 30 Meter Höhe. Bei diesen wird der Schall schneller vom Boden absorbiert als bei höher liegenden Lärmquellen. Windkraftanlagen sind aber höher: 140 Meter und mehr sind mittlerweile die Regel. Frank Doods, Staatssekretär im niedersächsischen Umweltministerium bestätigt, dass sich die Methode zur Schallprognose weiter entwickelt habe. Doch bei bereits genehmigten Anlagen, müsse man "von einem Bestandsschutz ausgehen", betont der Staatssekretär gegenüber Panorama 3.

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Proteste und Verfahren

Doch nun stellen Anwohner den Bestandsschutz infrage und wollen die Bewertung bestehender Windkraftanlagen nach dem neuen Lärmprognose-Verfahren. "Die Anlagen verstoßen gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz und müssen deshalb nachts heruntergefahren werden", fordert Harald Frauenknecht. Er will die Nachtabschaltung zur Not vor Gericht erstreiten. Auch die Gegenseite rüstet sich offenbar für mögliche Verfahren. Während der Recherchen von Panorama 3 präsentieren Betreiber aus dem Windpark Hinte plötzlich eigene in Auftrag gegebene Lärm-Messungen.

Messung contra Prognose

Wilhelm Wilberts, technischer Dienstleister im Windpark Hinte und Funktionär des Bundesverbandes Windenergie betont: "Tatsächlich liegen wir mit den Werten hier überall unter den berechneten Werten". Wilhelm Wilberts zeigt uns die Ergebnisse von vier Messungen in der Nacht. Alle Ergebnisse liegen unter den geforderten Richtwerten. Später präsentiert ein anderer technischer Dienstleister aus dem Windpark Hinte obendrein noch Langzeitmessungen über zwei Monate. Auch hier liegen die präsentierten Ergebnisse unter den Richtwerten. Doch so einfach ist das nicht. Solche Lärmmessungen sind Gegenstand laufender gerichtlicher Auseinandersetzungen. Und keins der uns präsentierten Ergebnisse stammt aus dem Wohngebiet, in dem sich Anwohner gegenüber Panorama 3 über den Lärm beschwert haben. Dazu Windkraft-Kritiker Harald Frauenknecht: "Es muss geklagt werden."

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 11.06.2019 | 21:15 Uhr

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