Das geheime Firmengeflecht von Enercon
"Exklusive Zulieferer" des niedersächsischen Weltkonzerns Enercon bauen Ende November Hunderte Arbeitsplätze ab. Der Windkraftanlagen-Hersteller verweigert bislang Gespräche über den Abbau der Jobs bei den Zulieferern und verweist dabei auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit der acht betroffenen Betriebe. Doch nach Recherchen von Panorama 3 sind die Unternehmen weniger unabhängig, als bekannt war. Sie gehören offenbar einem Trust des Enercon-Gründers Aloys Wobben.
Zulieferer, die nur für Enercon arbeiten
Mehr als 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Enercon-Zulieferern verlieren ihren Arbeitsplatz. Menschen, die jahrelang gedacht hatten, sie arbeiteten direkt für Enercon. Denn die Zulieferer und Enercon sind eng verflochten. Etliche Mitarbeiter der Zulieferer haben beispielsweise E-Mail-Adressen mit Enercon-Endung und tragen die Enercon-Firmenkleidung. Selbst die Geschäftsführer der Zulieferer stammten zum Teil aus dem direkten Enercon-Umfeld. So fungierte Hans-Dieter Kettwig, Geschäftsführer der Enercon GmbH, auch als Geschäftsführer mehrerer Zuliefer-Betriebe. Die wiederum sind vertraglich verpflichtet, nur Enercon zuzuarbeiten.
Doch Enercon beharrt auch jetzt, wo Entlassungen anstehen, darauf: Die Unternehmen seien wirtschaftlich unabhängig - und Enercon daher nicht der richtige Ansprechpartner. Das ging sogar so weit, dass Enercon-Geschäftsführer Kettwig, der zugleich im Vorstand der Aloys Wobben Stiftung sitzt, Einladungen des niedersächsischen Wirtschaftsministers Bernd Althusmann und des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (beide CDU) zu Gesprächen über die Abwicklung der Arbeitsplätze ausschlug.
Wem gehören die Zulieferer wirklich?
Fünf der acht Betriebe, die nun entlassen sollen, gehören der International Blade Handling B.V., mit einer Adresse in Amsterdam in den Niederlanden. Hier soll sich ein Mitarbeiter halbtags um die Geschäfte des holländischen Mutterkonzerns mit seinen insgesamt 13 Betrieben und mehreren Tausend Mitarbeitern in Deutschland kümmern. Doch vor Ort findet sich kein Hinweis auf die International Blade Handling B.V., noch nicht einmal eine Klingel oder ein Briefkasten.
So geht die Recherche weiter und wir finden heraus, dass die International Blade Handling B.V. wiederum der Technologies de Vent S.A. gehört - einem Unternehmen mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln sowie einer Postadresse in Liechtenstein. Beides sind Steueroasen, hinlänglich etwa aus der Berichterstattung über die "Panama Papers" bekannt.
Hinweise auf Enercon-Gründer Aloys Wobben
Panorama 3 konnte mithilfe von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" Einblick in die "Panama Papers" erhalten, die der SZ zugespielt und im April 2016 öffentlich bekannt wurden. Darin findet sich auch die Technologies de Vent S.A., der über ihre holländische Tochter 13 Enercon-Zulieferer gehören. Demnach hat das Unternehmen offenbar mindestens bis 2016 einem Trust in Liechtenstein gehört. In dem stiftungsähnlichen Gebilde sind neben der Technologies de Vent S.A. auch mindestens drei weitere Mutterkonzerne der deutschen Zulieferer gebündelt.
Undurchsichtige Strukturen
Der Trust heißt "Grp Aloys B A Wobben Breeze Trust" - Aloys Wobben ist der Gründer von Enercon. Im Jahr 2016 äußerte sich Enercon gegenüber NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" wie folgt: "Bei dieser Gesellschaftsstruktur mit den ausländischen Trustgesellschaften handelt es sich um eine rechtlich ordnungsgemäße Struktur, welche im Rahmen der Nachfolgeplanung aufgesetzt wurde." Eine Anfrage von Panorama 3 zum Trust und den Vorwürfen beantwortete Enercon nicht.
Der Versuch, Eigentümer-Strukturen zu verschleiern
NDR Journalist Jan Strozyk, der an der "Panama Papers"-Recherche beteiligt war, hat eine Vermutung, welchen Zweck das Firmennetzwerk haben könnte: "Wenn ich mir die Konstruktion so ansehe, dann deutet das für mich darauf hin, dass man hier versucht hat, Eigentümer-Strukturen zu verschleiern. Und auch Firmen außerhalb Deutschlands dazu einzusetzen, um zu verhindern, dass man in Deutschland unbedingt nachvollziehen kann, wem jetzt hier am Ende was gehört."
Enercon und die Zulieferer - in Wobben-Hand? Die Firmenstruktur könnte es ermöglichen, über ein international verzweigtes Firmennetzwerk die Zulieferer zu steuern. Dann aber wäre Enercons Argumentation, die Zulieferer seien eigenständig, infrage gestellt.
Übrigens: die International Blade Handling B.V. scheint kein Einzelfall zu sein. Vier weitere Firmen mit insgesamt über 30 Enercon-Zulieferern sitzen an der Adresse in Amsterdam und haben Mutter-Firmen in Steueroasen. In den Steueroasen gelten für die Firmen oftmals wenig strenge Veröffentlichungsvorschriften, sodass die wahren Besitzverhältnisse im Dunkeln bleiben können.