Kommunalwahl: Wie die Angst Upahl weiter bestimmt
Das Dorf Upahl hatte sich vor anderthalb Jahren heftig gegen ein Flüchtlingsheim gewehrt. Panorama 3 hat das Dorf seitdem immer wieder besucht, mit vielen Bewohnern gesprochen. Jetzt sind die Flüchtlinge schon seit Oktober da. Wie geht es Upahl heute?
Seit mehr als einem halben Jahr sind sie jetzt da: Die Flüchtlinge, die in einem Containerdorf in Upahl (Nordwestmecklenburg) untergebracht wurden. Etwa 220 sind es derzeit, vom Dorf mit rund 500 Einwohnern, trennt sie ein kleines Waldstück. Doch der direkte Weg in den Ort ist inzwischen abgesperrt, denn viele Upahler dachten, mit den Geflüchteten komme auch die Kriminalität. Manche verstärkten die Zäune um ihre Grundstücke, installierten Videokameras und Alarmanlagen.
Vorgefallen ist seit dem Einzug der Flüchtlinge im Oktober 2023 kaum etwas. Die Befürchtungen der Einwohnerinnen und Einwohner von Upahl haben sich nicht bestätigt, sagt Rainer Böttcher vom Polizeirevier im nahen Grevesmühlen. Weder Upahl, noch das Containerdorf selbst seien ein Einsatzschwerpunkt. Trotzdem finden viele Upahler, dass ihre Ängste im Vorfeld und auch heute berechtigt seien, schilderten sie einem Panorama 3-Team, das Upahl seit den Protesten immer wieder besuchte.
Alle bleiben für sich
Berührungspunkte zu den neuen Nachbarn gibt es offenbar kaum. Im Dezember versuchte eine Initiative, Upahler und Geflüchtete zusammenzubringen. Zu einer Veranstaltung kamen 30 Bewohner der Containerunterkunft, aber nur wenige Menschen aus den umliegenden Dörfern und nur eine einzige Upahlerin. Dass die Menschen im Ort erst sehr spät über den Bau der Unterkunft informiert wurden, findet auch Petra Mathieu unglücklich. Aber Angst hat sie keine: "Es ist nichts passiert, es ist total ruhig. Wir leben genauso wie vorher." Die Geflüchteten kämen gar nicht ins Dorf: "Ich glaube, die haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen."
Einer von ihnen ist Hadi Doustighalati, geflohen aus dem Iran. Er hätte gern mehr Kontakt zu Deutschen, "um ihre Kultur näher kennenzulernen". Aber er bemerkt die flüchtlingsfeindliche Stimmung. Im Bus habe sich mal eine Frau weggesetzt, als er einstieg, erzählt der Bauzeichner. "Ich glaube, es liegt daran, dass sie Vorurteile haben, Vorurteile gegen Ausländer", sagt er.
Protestanführer tritt jetzt für die AfD an
Man werde nicht mehr sicher leben können, wenn die Flüchtlinge kämen - solche Szenarien wurden während der Proteste gegen die damals noch geplante Unterkunft an die Wand gemalt. Auch wenn es bisher keine Vorfälle in Upahl gegeben habe, könnte das ja noch kommen, sagt Michael Krieger. Krieger hat den Protest gegen die Flüchtlingsunterkunft von Anfang an maßgeblich mit angeführt. Jetzt, zur anstehenden Kommunalwahl, kandidiert er für die AfD. "Als Konsequenz der ganzen Politik, der Ampelpolitik", sagt Krieger, der nach eigener Aussage früher SPD und Linke gewählt habe.
So sehen das auch andere im Ort: "Ganz einfach: Deutschland ist nicht mehr meine Heimat", sagt eine Rentnerin. "Keiner ist mehr für uns verantwortlich, keiner. Früher war die SPD für uns, für die Arbeiter und für alles. Heute nicht mehr, gar nicht mehr." Ihr Partner sagt, er wolle "vielleicht" AfD wählen, er wisse es noch nicht so genau.
In der Tat scheint in Upahl vor allem eine Partei aktiv zu sein: die AfD. Das 1.000. Mitglied des AfD-Landesverbands war der Partei zufolge eine Upahlerin. Landeschef Leif-Erik Holm kam mit einem Blumenstrauß vorbei und der Besuch wurde für die Social Media-Kanäle der Partei mitgefilmt.
Auch Holm stört es nicht, dass in Upahl keines der im Vorfeld heraufbeschworenen Horrorszenarien eingetreten ist. Dass die Ängste unbegründet gewesen seien, könne man nicht im Rückblick bewerten, "das können Sie nur vorher beurteilen", sagt er. Man könne ja sehen, was in anderen Städten, in anderen Gemeinden passiert sei, dort gäbe es ja einen Anstieg der Kriminalität und so haben die Menschen Angst davor, dass es auch vor ihrer Haustür passieren könne, sagt Holm weiter.
Andere Parteien meiden Upahl
Die anderen Parteien machen um Upahl eher einen Bogen. Der Kreisvorsitzende der Linken, Horst Krumpen, hält ein Gespräch mit Menschen, "die nicht mehr bereit sind, ihren Standpunkt zu verändern", für nicht mehr möglich. Der SPD-Spitzenkandidat zur Kreistagswahl, Stefan Baetke, sagt, auch wegen Anfeindungen im Zuge der Proteste seien er und die SPD nicht mehr nach Upahl gekommen. "War vielleicht auch verkehrt, aus heutiger Sicht. Vielleicht hätten wir massiv hingehen müssen als Partei", sagt er. Und der CDU-Kandidat vor Ort, Thomas Finger, hofft, dass sich die Stimmung von allein wieder beruhigt, wenn keine Straftaten geschehen.
Neuer Streit: Jetzt geht es um Schilder
Entlang der Upahler Durchfahrtsstraße stehen seit Beginn der Proteste Schilder, die Durchreisenden und auch den Flüchtlingen zeigen: Geflüchtete wollen viele hier nicht. Miro Zahra von den Grünen will mit einem eigenen Schild dagegenhalten: "‘Für Vielfalt und Toleranz‘. Eigentlich kann niemand etwas dagegen haben, es ist ja unser Grundgesetz", erklärt sie. Zahra ist die einzige Politikerin, die hier vermitteln möchte. Ihr erstes Schild habe nur wenige Minuten gestanden, erzählt sie. Das zweite - diesmal nach zähen Verhandlungen mit dem Gemeinderat aufgestellt - hielt einige Tage. "Die Menschen hier in der Gemeinde empfinden sich als Verlierer aus dieser Situation. Für sie ist das natürlich sehr schwer, einen Schritt zu tun in eine andere Richtung", sagt sie.