Chronik zum Streit um die Flüchtlingsunterkunft in Upahl
Die Ansiedlung einer Flüchtlingsunterkunft in der Gemeinde Upahl im Kreis Nordwestmecklenburg sorgt seit der Bekanntgabe für kontroverse Diskussionen. Nun sind die ersten Flüchtlinge ins Containerdorf eingezogen.
In der Gemeinde Upahl leben etwa 500 Menschen. Viele fühlen sich überfordert mit den vielen Flüchtlingen, die in einem Gewerbegebiet am Ortsrand des Dorfes einziehen sollen. Ursprünglich sollten bis zu 400 Menschen dort eine Bleibe finden. Jetzt sollen es noch etwa 250 sein. Die Geflüchteten werden in Container unterkommen, laut dem Landkreis Nordwestmecklenburg aber nur für eine begrenzte Zeit. Die Unterkunft ist erstmal für ein Jahr genehmigt. Seit fast einem dreiviertel Jahr sorgt die Unterkunft in Upahl für Schlagzeilen. Nicht nur in Mecklenburg- Vorpommern und Deutschland, auch beispielsweise in Polen und Ungarn wird darüber berichtet. Unsere Chronik zeigt den Werdegang, wann welche Entscheidung getroffen wurde.
Februar 2022: Russland greift an - Ukrainer kommen
Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges kommen viele ukrainische Flüchtlinge nach Deutschland - auch nach Mecklenburg-Vorpommern. Innerhalb eines Jahres werden als 20.000 ukrainische Flüchtlinge im Nordosten registriert.
August 2022: Nordwestmecklenburg benötigt mehr Flüchtlingsunterkünfte
Ein halbes Jahr später benötigt der Landkreis Nordwestmecklenburg dringend Unterkünfte für Geflüchtete. Die inzwischen einzige offizielle Einrichtung in Wismar ist schon lange überbelegt, die andere in Groß Strömkendorf abgebrannt. "Ich bitte Sie daher, mir bis zum 14. September 2022 Objekte und/oder Grundstücke, die aus Ihrer Sicht für die Errichtung und den Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft geeignet sein könnten, schriftlich mitzuteilen, damit eine Prüfung diesseits erfolgen kann", so Landrat Tino Schomann (CDU) in einem Schreiben an die Ämter.
Herbst 2022: Upahl im Fokus
Der NDR fragt alle Ämter im Kreis Nordwestmecklenburg ab, ob sie der Kreisverwaltung Flächen oder Grundstücke angeboten haben. Einige Bürgermeister wussten angeblich nichts von dem Schreiben des Landrats, andere haben nichts anzubieten. Aber einige Kommunen bieten Grundstücke an - so etwa Grevesmühlen, Gadebusch, Dassow, Neu Benz, Schönberg. Der Landkreis prüft sie - und befindet sie für ungeeignet. Andere Angebote werden zurückgezogen. Der Kreis prüft alle anderen möglichen Flächen - des Bundes, des Landes, der Kirche und die eigenen Flächen. Da fällt die kreiseigene Gewerbefläche in Upahl ins Visier. Sie entspricht den Vorgaben des Landes für Flüchtlingsunterkünfte, zumindest was die Größe betrifft.
Dezember 2022: "Wir sind am Limit"
Landrat Schomann wirkt inzwischen verzweifelt. Er weiß nicht, wo er die Flüchtlinge unterbringen soll: "Wir sind am Limit. Und darüber hinaus, wenn ich die Integrationsleitung sehen, die wir gemacht haben seit 2015 im Speziellen, die dezentrale Unterbringung, die Versorgung der Asylbewerber- das ist in dieser Dimension nicht mehr leistbar."
Januar 2023: In Upahl regt sich Widerstand gegen Container
Das Grundstück steht fest. Die Upahler sind damit nicht einverstanden. Am 26. Januar kommt der Kreistag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Er beschließt die Container für Upahl - auch wenn dessen Mitglieder Unterbringung und Standort kritisieren. Vor dem Kreistag in protestieren etwa 700 Menschen. Unter den Demonstranten sind auch bekannte Rechtsextreme. Die Polizei muss einschreiten und den Eingang der Kreisverwaltung schützen.
Februar 2023: In Upahl beginnen erste Bauarbeiten
Wer kommt wann und bleibt wie lange? Landrat Schomann und Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) stellen sich bei einer Bürgerversammlung den Fragen der Einwohner. Vier Tage später ist Baustart in Upahl. Das 30.000 Quadratmeter große Gelände wird eingezäunt, trotz der Proteste. Die Gemeinde Upahl ist juristisch vorbereitet, beantragt beim Gericht einen Baustopp. Ein Grund: Die Gemeinde ist beim Bauantrag nicht beteiligt gewesen. Die Vorschriften wurden nach Auffassung der Gemeinde nicht eingehalten.
März 2023: Gericht verfügt Baustopp in Upahl - Geflüchtete in Turnhallen
Das Gericht stoppt den Bau. Der Landkreis Nordwestmecklenburg habe das Beteiligungsrecht der Gemeinde missachtet, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Landkreis Nordwestmecklenburg will daraufhin einen neuen Bauantrag stellen. Doch wohin mit den Geflüchteten? Nicht nur die Unterkunft in Wismar ist voll belegt. Inzwischen müssen Geflüchtete auch in zwei Turnhallen in Wismar in kleinen Parzellen ausharren. Landrat Schomann reagiert: "Ich habe keine genehmigten, nach dem Gesetz erforderlichen, Unterkünfte für Asylbewerber und demzufolge kann ich auch keine weiteren Menschen ab nächster Woche aufnehmen."
Die anderen Landkreise und die Stadt Schwerin übernehmen vorerst die Asylbewerber, später muss der Kreis die Zahl wieder ausgleichen. Das Flüchtlingsthema ist längst kein regionales mehr. Auf Bundes- und Landesebene werden Flüchtlingsgipfel einberufen. Die Proteste in der Region halten an. Für Upahl ist ein Kompromiss in Aussicht. Erstmals äußert sich auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. "Für Upahl heißt das, dass dort eine Unterkunft mit weniger Plätzen geplant werden müsste." Die Diskussion um die Anzahl der Plätze in Upahl ist in vollem Gang. Kreistagsmitglieder, Flüchtlingsrat, Politiker und andere Bürgermeister sind um eine Reduzierung bemüht. Von 400 auf beispielsweise 250.
Juli 2023: Die Baugenehmigung ist da
Die Baugenehmigung ist erteilt. Das Innenministerium hat durch einen Ausnahmeparagrafen den Weg für diese frei gemacht. Die Gemeinde zieht aber wieder vor Gericht.
August 2023: Die ersten Container kommen - Proteste gehen weiter
Die Gemeinde Upahl scheitert vor Gericht, es wird gebaut. Die ersten Container kommen. Die Proteste im Kreis gehen weiter.
September 2023: Containerdorf ist bezugsfertig
Ende September ist das sogenannte Containerdorf fast fertig. In ein paar Tagen sollen die ersten Geflüchteten einziehen. Inzwischen ist auch eine zweite Unterkunft im Landkreis Nordwestmecklenburg nahezu bezugsfertig. In Warin stellt ein privater Unternehmer drei ehemalige NVA- Wohnblöcke dem Kreis für die Unterbringung Geflüchteter zur Verfügung. Dort sollen Anfang Oktober 145 Geflüchtete einziehen.
Oktober 2023: Die ersten Flüchtlinge ziehen ins Containerdorf
Die ersten Flüchtlinge ziehen ins Containerdorf. Sie kommen aus der Asylbewerberunterkunft Haffburg in Wismar.