Kampf gegen Schrottimmobilien: Bremen will handeln
Meterhoch schlugen die Flammen an der Hauswand. Noch immer sieht Heike Groth die Spuren des Brandes Anfang Juli in ihrer Wohnung: Die Fensterscheiben sind zerbrochen und nur provisorisch abgeklebt. Von außen sind die Fensterrahmen verkohlt, an der Wand klebt schwarzer Ruß. "Ich schlafe hier nicht, das ist für mich nicht zumutbar", sagt sie.
Anscheinend aus Langeweile haben zwei Tatverdächtige vor dem Haus Container angezündet. Seit Wochen wartet Groth darauf, dass der Schaden repariert wird. Denn seit dem Vorfall gibt es in dem Wohnhaus im Bremer Stadtteil Tenever auch kein warmes Wasser mehr. Der Brand hat die Gasleitung beschädigt, sie wurde vorsorglich abgestellt, damit funktioniert derzeit keine Heizung.
Kein warmes Wasser mehr - stattdessen Duschcontainer
Die Hausverwaltung stellte neben dem Gebäude Duschcontainer auf: Fünf Duschen für Frauen und fünf für Männer. Dabei wohnen in dem Haus etwa 250 Menschen. Umkleidemöglichkeiten gibt es keine, ebenso kaum Ablageflächen. Die Hausverwaltung hat den Bewohnern einen Brief geschickt mit Anweisungen, wie sie nun duschen sollen: "Bereiten Sie sich innerhalb der Wohnung auf das Duschen vor und nehmen Sie nur das Notwendigste mit, also Badelatschen, Handtuch und Seife. Pro Person darf die Dusche maximal 15 Minuten genutzt werden inklusive an- und ausziehen." Eltern mit Kindern dürften zwei Duschzeiten, also maximal 30 Minuten in Anspruch nehmen heißt es weiter. Heike Groth duscht jetzt bei ihrer Tochter, sagt sie. Auch andere Bewohner klagen: eine Viertelstunde sei viel zu kurz, außerdem seien die Zeiten über den ganzen Tag verteilt. Wer arbeiten müsse, habe keine Chance die Duschen zu nutzen. Immerhin werden die Duschen offenbar regelmäßig desinfiziert, das Duschkonzept sei von der Behörde genehmigt. Das Gesundheitsamt allerdings teilt auf Anfrage von Panorama3 mit, es sei bisher nicht "für eine Beurteilung der Duschcontainer" angesprochen worden. "Die Zeitvorgaben erscheinen uns sehr knapp kalkuliert", heißt es weiter.
Doch es ist nicht das erste Mal, dass die Mieter aus dem Haus sich von ihrer Hausverwaltung im Stich gelassen fühlen. Bahriye Caliskan geht in ihr Badezimmer und zeigt nach oben: große Stellen an der Wand und der Decke sind verschimmelt. Vor Monaten habe es einen Wasserschaden gegeben, repariert sei das noch immer nicht. Die Hausverwaltung Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH (ZBVV) antwortet auf Fragen auch im Namen der Eigentümerin ZBI mit Sitz in Erlangen. Schriftlich erklärt die ZBVV, das Objekt Neuwiederstraße 3 sei erst im vergangenen Jahr erworben worden und habe da bereits Mängel aufgewiesen, für die man ein stufenweises Sanierungskonzept erstellt habe. Auf die Frage, warum noch nichts gegen den Schimmel unternommen worden sei, antwortet sie in der Stellungnahme nicht. Allgemein schreibt die Hausverwaltung, dass im Moment die "Behebung der durch die Brandstiftung entstandenen Schäden" Priorität habe.
Gesetzesänderung gegen verwahrloste Immobilien
Besonders einkommensschwache Mieter zögern häufig, ihre Rechte durchzusetzen. Viele wissen schlicht nicht, was ihnen eigentlich zusteht oder verstehen aufgrund von Sprachbarrieren die Gesetze nicht richtig. In Bremen gibt es seit fünf Jahren das bremische Wohnungsaufsichtsgesetz. Danach kann die Stadt eingreifen, wenn Wohnraum erheblichen Missstand aufweist. "Von diesem Gesetz hätte ich gern eher gewusst", sagt Heike Groth. Sie hat sich hilfesuchend an das Mütterzentrum gewendet, einer sozialen Einrichtung in der Nähe ihrer Wohnung. Hier hat man sie ermutigt, sich nicht alles bieten zu lassen, hat sich an die Politik gewendet und lokale Medien informiert.
Der Druck hat offenbar gewirkt. Das Haus in Tenever ist zum Thema in der Innenbehörde geworden. Das Ordnungsamt hat eine Mängelliste an die Eigentümerin geschickt. Darin werden die defekte Warmwasserversorgung und Heizung beanstandet sowie die beschädigte asbesthaltige Außenwand. Wird der Schaden nicht schnell beseitigt, droht die Behörde mit einem Zwangsgeld von bis zu 50.000€. Doch warum passiert das erst jetzt, wo doch viele Schäden bereits vor dem Brand da waren?
Ortsamt: "Mängel waren uns vorher nicht bekannt"
"Die gravierenden Mängel waren uns vorher nicht bekannt", sagt Ulrich Schlüter vom Ortsamt Osterholz in Bremen. "Wenn wir so große Mängel haben, dass wir von staatlicher Seite eingreifen müssen, dann geben wir das natürlich weiter", sagt er. Die Stadt könne erst seit der Gesetzesänderungen tätig werden - bei früheren Eigentümern habe es schlicht noch nicht die rechtliche Voraussetzung gegeben als Stadt einzugreifen.
Immerhin Heike Groth hat den Eindruck, dass sich langsam etwas tut. Die ZBVV sagt, ihr sei daran gelegen, "dass sich die Situation für die Bewohner baldmöglichst wieder normalisiert", bis Ende des Monats solle die Gasleitung repariert sein, das sei auch innerhalb der zeitlichen Vorgaben des Ordnungsamtes. Die Bewohner hoffen nun darauf, dass es nicht bei dieser einen Maßnahme bleibt.