Gefährliche Ideologie: Völkisches Netzwerk im Norden
Martialisches Auftreten, laute Parolen, Gewaltbereitschaft - damit werden Rechtsextremisten oft verbunden. Doch neben der Neonazi-Szene gibt es im rechtsextremen Spektrum noch andere Gruppierungen, die sich weitaus unauffälliger geben. Die Szene der Völkischen kommt eher bürgerlich daher, organisiert keine Kundgebungen, sondern bleibt im Hintergrund. Dass hier eine gefährliche Ideologie hinter steckt, ist auf dem ersten Blick nicht zu erahnen.
"Antiparlamentarische, rassistische und antisemitische Thesen"
Eine dieser Organisationen in der völkisch-rechtsextremen Szene nennt sich "Bund für Gotterkenntnis". Alljährlich treffen sich Mitglieder und Sympathisanten im niedersächsischen Dorfmark zur "Ostertagung" dieses "Bundes". Der Verein war 1937 vom Erste-Weltkriegs-General Erich Ludendorff und seiner Frau Mathilde gegründet worden. "Der Verein vertritt die antiparlamentarischen, rassistischen und antisemitischen Thesen Mathilde Ludendorffs", heißt es vom bayerischen Verfassungsschutz auf Anfrage.
Was genau an Ostern in Dorfmark in der Lüneburger Heide hinter den verschlossenen Türen bei der Tagung beschlossen wird, bleibt im Verborgenen. Der Verein mit Sitz im bayerischen Tutzing äußert sich auf Anfrage nicht. Die Völkischen kommen ganz harmlos daher. An Ostern fallen sie im Heideort Dorfmark nur etwas durch ihre altertümliche Kleidung auf: Die Frauen tragen oft lange Röcke, die Herren Knickerbockerhosen. Zu den "geschlossenen Veranstaltungen" in Dorfmark reisen immer wieder auch Mitglieder anderer rechtsextremer Vereinigungen an.
"Völkische Ideologie ist der Mutterboden, auf dem viel Rechtsextremismus wächst"
Auch in Schierensee bei Kiel sind die Völkischen aktiv. In der Gemeinde besitzt ein Verein aus dem Umfeld des "Bundes für Gotterkenntnis" eine Immobilie. Hier organisieren die Ludendorff-Anhänger Tagungen mit Vorträgen und frönen ihrem "Brauchtum". Zur Sommersonnenwende wird auf einer nahen Wiese nach einem Fackelmarsch und Volkstanz ein großer Holzstoß entfacht. Bei solchen Treffen singen die Völkischen auch gerne das Deutschlandlied - einschließlich der umstrittenen ersten Strophe ("Deutschland, Deutschland über alles (...)").
Die völkisch-rechtsextreme Szene will im Verborgenen bleiben, ihre Veranstaltungen wirken nach in die Szene hinein, stärken das Gemeinschaftsgefühl. Der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Lasse Petersdotter (Grüne) kritisiert, dass bei völkischer Ideologie oftmals nicht genau hingesehen werde. "Völkische Ideologie ist ein Stück weit der Mutterboden, auf dem viel Rechtsextremismus wächst", sagt er. Petersdotter, Sprecher seiner Fraktion zum Thema Rechtsextremismus, fordert, dass völkisch-rechtsextreme Organisationen, Immobilien und Verlage in den Verfassungsschutzbericht mit aufgenommen werden müssten. Durch Bildungs- und Aufklärungsarbeit müsse zudem "die Mehrheit der Gesellschaft gegen die völkische Bewegung immunisiert" werden.