Elbfähre Glückstadt - Wischhafen: Behinderung durch Schlick

Stand: 21.06.2022 18:43 Uhr

Wer die Elbe zwischen Hamburg und der Nordsee ohne eigenes Boot überqueren will, hat nur eine Chance: mit der Fähre zwischen Glückstadt und Wischhafen.

von Stefan Buchen

Auf den 120 Flusskilometern nordwestlich des Hamburger Elbtunnels ist die Fähre die einzige öffentliche Verkehrsverbindung zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Auch Autos und Lastwagen werden dort über die Elbe geschippert.

Schlick legt den Fährbetrieb lahm

Birte Dettmers © NDR
Birte Dettmers spürt die Folgen der Elbvertiefung. Der Fährbetrieb muss immer öfter unterbrochen werden.

Aber das Versprechen, jede halbe Stunde ein Schiff ablegen zu lassen, kann der private Fährbetreiber FRS immer häufiger nicht einhalten. Das räumt Geschäftsführerin Birte Dettmers im Interview mit Panorama 3 ein. Man habe in diesem Jahr schon zehn Ausfalltage gehabt, "wo wir dann zwei bis drei Stunden den Betrieb einstellen mussten." Diese Unterbrechungen würden "in den letzten Jahren mehr", berichtet die Fährbetreiberin .

Schuld daran ist nicht das Fährunternehmen, sondern der Schlick im Bett der Unterelbe. In den Uferbereichen türmen sich so viele Sedimente, dass die Fähre dort bei extremem Niedrigwasser nicht mehr durchkommt.

Zwangspausen wegen "extremen Niedrigwassers"

Extremes Niedrigwasser an der Elbe © NDR
Extremes Niedrigwasser und Schlick: eine ungünstige Kombination für die Fähre.

Auch an diesem Tag im Mai ist es so. Einige Hundert Meter vor der Anlegestelle in Wischhafen wird das Schraubenwasser braun. Die Schiffsschraube wühlt sich mühsam durch den Schlick. Dann, um die Mittagszeit, ist erstmal Schluss. Die tödliche Kombination aus Schlick, Trockenheit und Ostwind hat mal wieder zugeschlagen. Wenn zu wenig Wasser die Elbe aus Sachsen und Sachsen-Anhalt herunterkommt und dann der Wind aus östlicher Richtung den Ebbstrom Richtung Nordsee verstärkt, sinkt der Pegel bei Glückstadt unter den normalen Wasserstand bei Ebbe, "extremes Niedrigwasser" ist die Folge.

Zwangspausen sind der - sich häufende - Extremfall. Schon bei normalem Niedrigwasser gibt es Einschränkungen. Die Fähre kann dann nicht voll beladen werden.  Und auch die bedachte Fahrt durch die verschlickten Uferbereiche hat Folgen. Der Nautische Inspektor Wolfgang Kilian beobachtet das in Form abgeschliffener Schiffsschrauben. Neuneinhalb Zentimeter Metall seien neulich weg gewesen, berichtet er, "abgeschliffen vom harten Sand. Dann müssen wir die Schiffsschraube in die Werft bringen und wieder aufschweißen lassen."

Nautischer Inspektor: "Es liegt an der Elbvertiefung"

Wolfgang Kilian © NDR
Für das hohe Sedimentaufkommen ist laut dem Nautischen Inspektor Wolfgang Kilian die Elbvertiefung verantwortlich.

Fährbetreiberin Dettmers und ihr Nautischer Inspektor Kilian sind sich sicher: Der sich in den Uferbereichen anhäufende Schlick ist nicht einfach eine Laune der Natur. Das Problem habe viel mit dem künstlichen Ausbau der Unterelbe zu tun. "Wir sagen ganz klar, dass es da einen Zusammenhang gibt. Weil das massiv in den letzten Jahren schlechter geworden ist. Und andauernd schlechter geworden ist. Mit den Schritten der Elbvertiefung", sagt Dettmers. "Es liegt an der Elbvertiefung. Die Probleme hatten wir vorher nicht", erklärt Kilian. "Die Strömungsgeschwindigkeiten haben sich nahezu verdoppelt. Je schneller der Strom fließt, desto mehr Sedimente setzen sich an den Seiten ab."

Hamburger Senat räumt Einfluss der Elbvertiefung auf Sedimentation ein

Der Hamburger Senat hatte die Elbvertiefung durchgesetzt, damit Schiffe mit größerem Tiefgang - bis zu 14,50 m bei Flut - von der Nordsee den Hamburger Hafen erreichen können. Offiziell ist die Vertiefung und stellenweise Verbreiterung der Fahrrinne seit Januar 2022 abgeschlossen. Im Februar räumte der Hamburger Senat erstmals ein, dass die "menschlichen Eingriffe" in der Unterelbe den Sedimenteintrag von der Nordsee her verstärkt haben.

Flutstromdominanz nennen Fachleute das Phänomen. Die Flut treibt mehr Schlick in das ausgebaggerte Flussbett hinein, als vom Ebbstrom wieder hinausgeschwemmt werden. Dass diese Sedimente sich vor allem in den Uferbereichen ablagern, stört die Fähre bei Glückstadt, aber etwa auch die Nutzer kleiner Sporthäfen entlang der Unterelbe.

Bundesbehörde: Wir beseitigen die Sedimente "bestmöglich"

Panorama 3 hat die Hamburger Wirtschaftsbehörde gefragt, inwiefern man sich dort mit den Problemen der Elbfähre Glückstadt - Wischhafen beschäftigt habe. Eine Sprecherin verweist uns an die Bundesverwaltung Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS). Diese ist für die Schlickbeseitigung in der Unterelbe zwischen dem Hamburger Hafen und  der Nordsee zuständig.

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Grafik: Die Elbe läuft nach Elbvertiefung schneller mit Schlick voll - die Flut hat mehr Kraft uns zieht so mehr Material von den steiler gewordenen Böschung. © NDR

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In ihrer Stellungnahme betont die GDWS,  dass sie für eine bestmögliche Unterhaltung des Uferbereichs, vor allem bei Wischhafen, sorge. Gerade dort zeige die GDWS "große Flexibilität, um über unterschiedliche Verfahren und den Einsatz zusätzlicher Geräte" wie z.B. Hopperbagger die Sedimente zu entfernen und "ein bestmögliches Ergebnis zu erbringen." 

Schlick kommt immer wieder zurück

Mit Blick auf das häufiger auftretende extreme Niedrigwasser teilt die Bundesbehörde mit, Extremsituationen könnten "nicht berücksichtigt werden." Zu den Auswirkungen der Elbvertiefung auf das Sedimentaufkommen könne "so kurz nach Projektfertigstellung noch keine valide Aussage getroffen werden." Bestritten wird eine Auswirkung allerdings nicht. Nach der Fahrrinnenanpassung sei in der Elbe ein "morphologischer Nachlauf" zu erwarten, der ca. fünf Jahre dauere. Die starken Sturmfluten im vergangenen Winter und das niedrige Oberwasser der Elbe würden ebenso zu den Sedimentmengen beitragen.

Auf Anfrage bestätigte die GDWS behördliche Pläne, Feinsedimente der Elbe zu entnehmen und für den Deichbau zu nutzen. Das wäre ein Fortschritt zu mehr Nachhaltigkeit. Bislang baggern GDWS und Hamburger Hafenverwaltung den Schlick aus der Unterelbe und verklappen ihn an anderer Stelle im Fluss oder in der Nordsee. Bei dieser Methode kommt der Schlick immer wieder zurück.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 21.06.2022 | 21:15 Uhr

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