Corona: Unternehmer unter Druck
"Ich verdiene derzeit zwischen 600 und 800 Euro weniger, ich muss die Miete bezahlen, ich muss einen Kredit bezahlen, ich muss mein Auto abzahlen, den Unterhalt für meinen Sohn kann ich nicht mal mehr voll bezahlen. Das ist der Wahnsinn, was hier gerade läuft." Stefan Wäge ist Koch, sogar Sous-Chef und derzeit in Kurzarbeit. Sein jetziger Verdienst deckt seine Fixkosten kaum noch. Am meisten trifft ihn, dass er das Jugendamt bitten musste, den Unterhalt für seinen Sohn aufzustocken. Damit der nicht weniger bekommt. Und dennoch findet Wäge, ihm gehe es noch vergleichsweise gut.
Zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit
Die Corona-Krise zeigt ihre Auswirkungen in allen Schichten. In März und April wurden zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit gemeldet. Über 90 Prozent der Meldungen kommen aus dem Gastgewerbe. Auch die Arbeitslosenzahlen nehmen deutlich zu. Menschen verlieren ihre Ersparnisse und bangen um ihre Existenz. Viele Gesellschaftsbereiche rutschen nach unten ab. Andere haben Angst, dass auch ihnen dieses Schicksal nicht erspart bleiben wird.
Wie die Hamburgerin Linda W. Sie hatte gerade erst die Renovierungen in ihrem neuen Yoga-Studio abgeschlossen. Im Sommer 2019 erst eröffnet, hatte die junge Yoga-Unternehmerin gleich einen Wasserschaden zu beklagen. Nun hat das Corona-Virus ihr Studio leergefegt. Und ihr Konto gleich mit. Sie weiß kaum noch, wie sie die Miete bestreiten soll. "Ich habe ein halbes Jahr Kündigungsfrist", sagt sie. "Als die Krise anfing, habe ich gleich überlegt, muss ich jetzt schon kündigen? Der Gedanke ist immer im Hinterkopf: Muss ich kündigen? Muss ich nicht kündigen?" Wenn das Wetter mitspielt, veranstaltet W. jetzt Yogastunden im Park. So versucht sie, die Mitgliedschaften in ihrem Studio zu retten. Sie sagt, die staatliche Hilfe reicht ihr bis Juni einigermaßen, danach sieht es schlecht aus.
"Im Zweifel geht die Familie vor"
Ähnlich geht es dem Hamburger Musiker Lukas Dröse. Das zweite Album des Singer/Songwriters soll bald rauskommen. Die Karriere steht schon mehr als in den Startlöchern. Dann kommt Corona. Und seine Haupteinnahmequelle, das Spielen von Konzerten, bricht ihm weg. Nun weiß er nicht, wie lange er noch seine Miete bezahlen kann. Dabei erwarten er und seine Frau ihr zweites Kind.
Künstler*innen wie ihn trifft es besonders hart. Die Stadt Hamburg hat eine Soforthilfe für durch die Corona-Krise belastete Unternehmen und Institutionen zur Verfügung gestellt. 22 Prozent der dort gestellten Anträge kommen aus dem Bereich Kreativwirtschaft Kunst und Kultur. Dröse ist auch dabei. "Ohne meine Eltern anzurufen und um Geld zu fragen, reicht mein Polster noch bis September," so Dröse. "Wenn ich dann immer noch nicht auftreten kann, muss ich mich mit sowas wie Arbeitslosengeld und Hartz-IV beschäftigen. Das ist die bittere Realität." Oder er muss seinen Beruf wechseln. Vor seiner Musiker-Karriere war Lukas Dröse Bänker. "Im Zweifel geht die Familie vor", sagt Dröse. Noch hofft der 30-Jährige, dass es nicht so weit kommen wird.
Leben auf der Straße noch härter
Patric Meyer, den hier am Bahnhof Altona alle nur Paddy nennen, hat seinen Platz eingenommen. Von morgens um acht bis abends um halb zehn steht der Obdachlose am Bahnhofsausgang Richtung Ottensen. Mit einem Becher in der Hand. Schnorren nennt er das. Auch ihm sind die Einnahmen eingebrochen, seit Corona in der Welt ist. "Viel weniger Menschen schmeißen mir was in meinen Becher," erzählt er. "Auch viele, die sonst kurz anhalten, gehen heute vorbei."
Das Leben auf der Straße war schon vor Corona hart. Viele Hilfseinrichtungen für Menschen wie Meyer waren wochenlang geschlossen. Doch er verspürt auch eine neue Solidarität unter Obdachlosen. Spürt, dass sie zusammenrücken. Doch auch hier, bei den ganz Armen, wird das Geld knapper. Er fragt sich, wie lange wird die Gesellschaft das noch aushalten? Wie wird es Menschen wie ihn weiter treffen? Trotz allem will er nicht pessimistisch sein. Er hofft, dass er irgendwie doch bald ein Zimmer bekommt. Und es für ihn dann wieder aufwärts geht.