Anlegerskandal: Tatort Deutschland
Das Immobilienunternehmen German Property Group steht im Verdacht, ausländische Investoren um ihr Geld gebracht zu haben und deutsche Behörden ließen dies geschehen. Wie konnte es so weit kommen?
"Ich fühlte mich absolut sicher. Deutschland hat den Ruf, dass hier eine sehr korrekte Buchhaltung betrieben wird. Was konnte da falsch laufen?" Mark Hambling ist wütend und hilflos. Der Brite hat viel Geld in Immobilienprojekte der German Property Group (GPG) aus Langenhagen bei Hannover investiert. Jetzt ist sein Geld weg. Im Sommer hat die Unternehmensgruppe Insolvenz angemeldet. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den Gründer und ehemaligen Geschäftsführer der German Property Group, Charles Smethurst, wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung und Anlagebetrug.
Mark Hambling ist einer von Tausenden Anlegern aus der ganzen Welt, die um ihr Geld fürchten. Ungefähr eine Milliarde Euro an Anlagegeld, das nur aus dem Ausland kam, soll eingeworben worden sein. Nach der Darstellung der German Property Group (früher bekannt als Dolphin Trust) wurde das Geld in denkmalgeschützte Immobilien im ganzen Land investiert. Der größte Teil der Investitionen, rund 378 Millionen Euro, soll aus Singapur und Südkorea gekommen sein. Nach einer ersten groben Schätzung des vorläufigen Insolvenzverwalters Gerrit Hölzle sind aber nur Immobilien und Grundstücke im Wert von ungefähr 150 Millionen Euro vorhanden. Der Wert kann aber auch deutlich darunter liegen. Genau weiß auch dies momentan niemand. Sicher ist: Der Verbleib von mehreren Hundert Millionen Euro an Investorengeldern ist aktuell unklar.
Undurchsichtiges Firmengeflecht
Nach Recherchen von NDR, BR und "Süddeutscher Zeitung" gehören über ein unübersichtliches Geflecht mehr als 200 Gesellschaften zur GPG. Rund 60 bis 100 Immobilien und Grundstücke in ganz Deutschland lassen sich der Unternehmensgruppe zuordnen. Dazu gehören illustre Objekte wie das verfallene Schloss Dwasieden auf Rügen, eine ehemalige Klosterbildungsstätte in Salzgitter oder ein ehemaliges Krankenhaus in Flensburg. Bisher ist nicht ganz klar, welche Gesellschaften und welche Objekte wie zur GPG gehören. Der vorläufige Insolvenzverwalter Gerrit Hölzle erklärte, er habe eine "unsortierte, in vielen Fällen veraltete und lückenhafte Datenlage" vorgefunden. Wie die Mittel der Anleger oder Investoren eingesetzt wurden, scheint daher aktuell nicht nachvollziehbar zu sein. Der Insolvenzverwalter der GPG will sich derzeit nicht öffentlich zu dem Verfahren äußeren.
Lukratives Geschäftsmodell
Begonnen haben die Geschäfte mit deutschen Immobilien und ausländischem Geld 2008 in Hannover. Charles Smethurst gründete damals die Firma Dolphin Capital. Ab 2014 nannte sich das Unternehmen Dolphin Trust und erst ab 2019 German Property Group. Dolphin verkaufte sich weltweit als Spezialist für die Entwicklung von denkmalgeschützten Immobilien in Deutschland. Diese sollten, so die Eigenwerbung, günstig angekauft, aufwendig saniert und dann in der Regel als Wohnungen weiterverkauft werden. So wollte man laut eigener Werbung innerhalb von bis zu fünf Jahren den Anlegern bis zu 15 Prozent Rendite pro Jahr liefern können. Als Sicherheit wurden den Anlegern versprochen, dass ein Treuhänder für sie stellvertretend eine Grundschuld auf das Objekt hält, in das investiert wurde. Einfach ausgedrückt sollte das Geld der Anleger über den Wert der Immobilie abgesichert sein, auf die eine Grundschuld eingetragen werden sollte.
Immobilien der German Property Group sind überall in Deutschland verteilt. Angegeben sind jeweils nur die Gemeinde, nicht der genaue Standort der Immobilien:
Karte: Immobilien der German Property Group: angegeben sind jeweils nur die Gemeinde, nicht der genaue Standort der Immobilien
Beim Blick in die Grundbücher der GPG-Objekte wird allerdings deutlich, dass die Sicherheiten vielfach nichts wert sind. Nach Recherchen von NDR, BR und SZ sind beispielsweise auf das Schloss Dwasieden auf Rügen Grundschulden in Höhe von zusammen 117 Millionen Euro eingetragen. Angekauft wurde das Gelände allerdings 2018 nur für 18 Millionen Euro. Darüber hinaus ist der Investitionsbedarf in das Gelände, das lange militärisch genutzt wurde, immens.
Dass der Wert der Immobilie vielfach nicht im Verhältnis zur Höhe der eingetragenen Grundschuld steht, hätte nach Recherchen von NDR, BR und SZ auch dem von der GPG eingesetzten Treuhänder auffallen müssen. Dieser Treuhänder war bei vielen GPG-Objekten in ganz Deutschland die Berliner Firma Ladon Intertrust Treuhandgesellschaft. Auf Nachfragen reagiert der Geschäftsführer nicht. Die Webseite der Gesellschaft wurde offenbar vor wenigen Wochen abgeschaltet. Zuvor war dort zu lesen: "Vertrauen und Verlässlichkeit spielen bei Immobilieninvestitionen eine große Rolle" und weiter: "Das Kapital von Investoren genießt eine größtmögliche Sicherheit."
Seit Jahren finanzielle Schieflage?
Während Dolphin 2018 das Schloss Dwasieden auf Rügen für 18 Millionen Euro kauft, warten in Asien bereits Anleger auf die Auszahlung ihrer Investments. Nach vorliegenden Dokumenten vermutet ein Steuerberater von Dolphin Trust Anfang 2019, "dass die Gesellschaft möglicherweise durchgängig seit 2015 bilanziell überschuldet ist und war." Allerdings ging das Geschäft noch über Jahre weiter.
Vor zwei Jahren geriet Dolphin dann offenbar in größere Zahlungsschwierigkeiten. Seitdem warteten immer mehr Anleger auf ihr Geld. Als diese unruhig wurden, versuchte man sie hinzuhalten, so der Investor Mark Hambling. "Man erzählte uns etwas von Verspätungen, Problemen mit Planern und Bauunternehmern." Nach Recherchen von NDR, BR und SZ ist allerdings in den vergangenen Jahren offenbar nur bei sehr wenigen Objekten tatsächlich gebaut worden. Die allermeisten Immobilien dürften mehr oder weniger in dem sanierungsbedürftigen Zustand sein, in dem sie erworben wurden. Mark Hambling vermutet, dass es sich bei GPG um ein Schneeballsystem handelt. "Es ging einfach darum, immer mehr Geld einzuwerben, um damit die alten Anleger auszuzahlen und um das ganze System am Laufen zu halten."
Was ist mit dem Geld der Anleger passiert?
Nach Recherchen von NDR, BR und SZ haben über Jahre viele Menschen in und um die Dolphin von dem Geld der Anleger profitiert. Finanzvermittler sollen für ihre Dienste Provisionen in Höhe von 20 Prozent eingestrichen haben. Teilweise soll an die Vermittler sogar noch mehr Geld geflossen sein. Gründer Charles Smethurst hat sich selbst Privatdarlehen in Höhe von rund drei Millionen Euro gewährt. Und: Er hat nach Recherchen von NDR, BR und SZ offenbar über Jahre Anlegergeld in Geschäfte seiner Frau gepumpt. Sie baute um 2015 einen Homeshoppingkanal auf, der immense Verluste erwirtschaftete und weniger später abgewickelt wurde. Laut einem internen Papier sollen mindestens neun Millionen Euro gezahlt worden sein. Außerdem flossen erhebliche Summen von Dolphin in das Modegeschäft der Eherfrau. Uns liegen keine Belege vor, dass Smethursts Frau vom Geschäftsgebaren ihres Mannes Kenntnis hatte. Weder sie noch Charles Smethurst antworteten auf umfangreichen Fragen. Auch ein weiterer Angehöriger von Charles Smethurst dürfte über ein Unternehmen vom Geld der Dolphin-Anleger profitiert haben. Nach vorliegenden Dokumenten gab Dolphin dem Unternehmen des Angehörigen im Jahr 2013 ein Darlehen über 1,4 Millionen Euro. Ende 2015 unterzeichnete Charles Smethurst dann einen Forderungsverzicht. Damit verzichtete Dolphin offenbar auf dessen volle Rückzahlung.
Die Rolle der deutschen Aufsichtsbehörden
Wieso Dolphin über Jahre immer weitermachen konnte, hängt wohl auch mit den deutschen Behörden zusammen. Der Hamburger Anwalt Jan Erik Spangenberg, der rund 100 asiatische Anleger vertritt, meint: "Es wurden Darlehen angenommen und es wurden Zinsen versprochen. Diese Darlehen waren tatsächlich, so wie das Modell dann umgesetzt wurde, nicht gesichert. Das heißt, es handelt sich eigentlich schon um ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft und eine solche Erlaubnis hat die Gesellschaft nach unserer Kenntnis nicht gehabt." Insofern hätten, so der Anwalt, die Aufsichtsbehörden einschreiten können, speziell die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zum Einzelfall will sich die BaFin nicht äußern. Nach Recherchen von NDR, BR und SZ war Dolphin der Aufsichtsbehörde bekannt. Allerdings sahen die Beamten sich offenbar nicht dauerhaft zuständig. Dolphin unterlag "keiner laufenden Aufsicht durch die BaFin", heißt es auf Anfrage.
Der Anwalt Jan Erik Spangenberg vermutet, dass die gesamte komplizierte Struktur von Dolphin mit Hunderten von Firmen möglicherweise extra aufgebaut wurde, um es den Anlegern am Ende schwer bis unmöglich zu machen, Teile ihres Geldes zurückzubekommen. "Es stellt sich für mich schon die Frage, warum man diese komplizierte Struktur wählt. Denn erforderlich für das, was man eigentlich versprochen hatte, Gelder in Immobilien anlegen, ist es eigentlich nicht." Möglicherweise ist die Struktur selbst für Dolphin irgendwann zu kompliziert geworden. Laut dem vorläufigen Insolvenzverwalter fehlen aktuell 700 Jahresabschlüsse. Doch trotz dieser Verfehlungen konnte Dolphin sich die Behörden auch hier vom Leib halten. Statt zu veröffentlichen, zahlte man möglicherweise die vom zuständigen Bundesamt für Justiz verhängten Ordnungsgelder. Solange die Strafen gezahlt werden, hat das Bundesamt für Justiz keine weitere Handhabe, teilt es auf Nachfrage mit.
Jetzt liegt der Fall bei der Staatsanwaltschaft Hannover, denn Ende 2019 wurde eine erste Strafanzeige gestellt. In den Jahren vorher gab es laut Angaben der Staatsanwaltschaft keinen Ermittlungsansatz, trotz mehrfacher sogenannter Geldwäscheverdachtsanzeigen von Banken. Doch bislang ist nach Recherchen die Sicherung von Akten monatelang unterblieben. Im Frühjahr war es dann Charles Smethurst, der sich bei der Staatsanwaltschaft meldete und eine Einlassung ankündigte. Eine vollständige Erklärung von Charles Smethurst ist allerdings laut Recherchen von NDR, BR und SZ bis heute nicht bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Zu weiteren Details will sich die Staatsanwaltschaft derzeit nicht äußern.
Ausländische Anleger wie Mark Hambling haben etwas anderes von Deutschland erwartet. Die Anleger investierten in ein deutsches Unternehmen, weil sie ihr Geld hier sicher wähnten und Dolphin nutzte das aus, meint Jan Erik Spangenberg. "Man profitierte, glaube ich, schon auch davon, dass Deutschland den Ruf hat als sicherer, solider Rechtsstaat in dem diese Anlagen dann eben auch entsprechend überwacht und beaufsichtigt sind."
Mark Hambling hofft nun inständig, dass der Hintergrund dieses mutmaßlichen Anlagebetrugs vollständig aufgeklärt wird. "Am Ende lässt Geld immer eine Spur zurück. Es verschwindet nicht einfach. Vielleicht bekommen wir noch etwas davon. Aber es wird möglicherweise lange dauern."