Landwirtschaft: Bauernpräsident als Minister? (Manuskript)
Panorama v. 27.02.2025
Anmoderation Anja Reschke: "Der Bauernverband zum Beispiel, der – man erinnere sich an die Proteste wegen des Agrardiesels – nicht gerade zimperlich mit parteipolitischen Aktionen gegen vor allem die Ampelparteien war - bekommt seit Jahren für diverse Projekte staatlicher Fördergelder. Auf der Liste der Union war er nicht zu finden. Dafür wird er in der nächsten Regierung aber allerhöchstwahrscheinlich eine wichtige Rolle einnehmen. Wie Sie jetzt im Beitrag von Oda Lambrecht und Katharina Schiele sehen können."
Eine Art bayerisches Volksfest. Während der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ im Januar lädt die bayerische Landesregierung zum Staatsempfang. Noch sind es ein paar Wochen bis zur Wahl. Doch Ministerpräsident Markus Söder erklärt schon jetzt, welches Ministerium die CSU für sich beansprucht. Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Auch wer es übernehmen soll, gibt Söder hier bereits bekannt.
O-Ton Markus Söder, CSU, Ministerpräsident Bayern: "Wir brauchen endlich kompetente Leute in der Bundesregierung. Und ich will, wenn es nach mir geht, dass ein Präsident des Bayerischen Bauernverbandes - das wär das erste Mal - auch Bundeslandwirtschaftsminister wird. Ich werde alles dafür tun. Lieber Günther Felßner, endlich einer von euch an den Schalthebeln der Macht."
Einer von Euch. Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Günther Felßner. Hier prominent am Tisch des Ministerpräsidenten.
O-Ton Panorama: "Man hört, Sie wollen der nächste Bundeslandwirtschaftsminister werden. Stimmt das? Und wenn ja, warum?"
O-Ton Günther Felßner, Präsident Bayerischer Bauernverband: "Ja, natürlich stimmt das. Der Grund ist relativ einfach. Wir brauchen einen echten Politikwechsel jetzt in Deutschland, in der Wirtschaft, aber vor allen Dingen auch in der Landwirtschaft."
Mit Landwirtschaft kennt er sich aus. Günther Felßner bewirtschaftet nahe Nürnberg einen Milchviehbetrieb. Ist er also ein geeigneter Kandidat für das Agrarministerium? Vor zwei Jahren wurde Felßner zum Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes gewählt. Seitdem kämpft er für die wirtschaftlichen Interessen der Landwirtinnen und Landwirte. Im Zweifel auch auf den Straßen. So hatte der Bauernverband Anfang 2024 laut gegen die Ampel-Regierung und ihre Sparpläne demonstriert. In Bayern organisierte Felßner die Proteste mit.
O-Ton Günther Felßner, Präsident Bayerischer Bauernverband: "Wir sind heute hier, um ein klares Zeichen nach Berlin zu senden. Hier passt was nicht, wir brauchen eine bessere Politik in Berlin. Ampel reagiere bitte, schalte um!"
Nun möchte er die Politik in Berlin selbst gestalten. Gerade noch Interessensvertreter einer Wirtschaftsbranche, bald schon Minister? Ganz normal?
O-Ton Günther Felßner, Präsident Bayerischer Bauernverband: "Das finde ich spannend, Wenn jemand kommt, der sich auskennt in dem Fach, wo er arbeiten möchte, da diskutieren wir groß. Wenn Leute kommen, die keine Vorbildung haben, da diskutieren wir nicht. Vielleicht müssten wir es andersrum angehen, ich glaube es macht einfach grundsätzlich Sinn."
Jemand vom Fach also. Anfang Februar stellt Günther Felßner sich auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg vor und erklärt, was er sich vorgenommen hat.
O-Ton Günther Felßner, Präsident Bayerischer Bauernverband: "Wir werden als allererstes natürlich die Landwirtschaft, genau wie die restliche Wirtschaft, vom Mehltau der Bürokratie befreien und Wirtschaft und Landwirtschaft in Deutschland wieder entfesseln. Meine Damen und Herren, denn Landwirtschaft ist Wirtschaft, und wir werden die Ernährung sichern, ohne dass der Staat in den Teller reinregiert."
Wirtschaft entfesseln, Ernährung sichern, das sind die Ziele von Bauernpräsident Felßner. Doch Agrarwissenschaftler Sebastian Lakner mahnt, um die Ernährung auch in Zukunft zu sichern, müsse die Landwirtschaft endlich nachhaltiger gestaltet werden.
O-Ton Prof. Sebastian Lakner, Agrarwissenschaftler Uni Rostock: "Klimaschutz und Artenvielfalt, das ist kein nice to have, das ist die Voraussetzung für Produktion. Wenn wir das Wasser in der Landschaft verlieren, weil wir alles trockengelegt haben, dann ist das Wasser weg. Und dann kommt ein Extremwetter im Sommer und dann haben wir Totalausfälle. Und wenn die Artenvielfalt weg ist? Ja, wer soll denn die Kulturen bestäuben?"
Auch die Agrarwissenschaftlerin Miriam Athmann warnt, ganze Ökosysteme seien durch den Verlust vieler Arten in Gefahr.
O-Ton Prof. Miriam Athmann, Agrarwissenschaftlerin Uni Kassel: "Die Wissenschaft ist sich da weitgehend einig, dass wir also ganz dramatische Rückgänge erleben, global und eben aber auch in Deutschland. Und dass es dringend nötig ist, da gegenzusteuern."
Würde ein Agrarminister Felßner diese Probleme angehen?
O-Ton Günther Felßner; Präsident Bayerischer Bauernverband: "Wir werden das alles tun, in einem nachhaltigen System, der Artenvielfalt, Biodiversität, die genetische Vielfalt, Boden, Luft und Wasser schützt. Wir sind auch Ressourcenschützer."
Doch wie genau er die Ressourcen schützen will, sagt er bei seiner kurzen Vorstellung nicht. Auf was es ankommt, erklärt Agrarforscherin Miriam Athman. Man sollte zum Beispiel auf einen Teil der Anbauflächen verzichten, um Rückzugsräume etwa für Vögel und Insekten zu schaffen. Wie zum Beispiel hier, mit dieser Hecke.
O-Ton Prof. Miriam Athmann, Agrarwissenschaftlerin Uni Kassel: "Heute ist man einfach natürlich immer besser darin geworden, effizient zu erzeugen, was ja auch super ist, ein großer Fortschritt ist und unbedingt weiter gehen muss, aber man hat dann einfach das Problem, dass die anderen Arten in der Agrarlandschaft keinen Raum mehr finden, und darum muss das heute eben viel gezielter mitgedacht werden."
Und da der Klimawandel gerade in der Landwirtschaft schon spürbar sei, müsse die Branche auch selbst mehr zum Klimaschutz beitragen.
O-Ton Prof. Miriam Athmann, Agrarwissenschaftlerin Uni Kassel: "Ein ganz großer Punkt ist eben der Umbau der Tierhaltung. Also Tierhaltung hat ja einen ganz großen Einfluss auf den Klimawandel, auf die Treibhausgasemissionen innerhalb der Landwirtschaft Ist das der größte Anteil, der da aus der Verdauung der Wiederkäuer. Vor allem entsteht die Methanemissionen, die eben stark klimawirksam sind. Und darum ist eine Reduktion der Tierzahlen ein ganz großer Hebel."
Doch weniger Tiere heißt auch weniger Fleisch. Keine leichte Aufgabe. Denn auch wenn der Fleischkonsum inzwischen sinkt, sind Braten, Wurst und Leberkäs noch immer sehr beliebt in Deutschland. Weniger Fleisch? Würde Söders Kandidat Felßner dafür werben und versuchen, die Tierzahlen zu senken? Wie er dazu steht, macht er schon 2023 bei einer Demo gegen die Ampelregierung deutlich.
O-Ton Günther Felßner, Präsident Bayerischer Bauernverband: "Meine Damen und Herren, esst Fleisch fürs Klima und trinkt Milch für eure Gesundheit. Lasst euch den Quatsch nicht erzählen, dass das schlecht für’s Klima wäre."
Fleisch ist nicht schlecht für das Klima? Wissenschaftler sind entsetzt über so eine Aussage.
O-Ton Prof. Sebastian Lakner, Agrarwissenschaftler Uni Rostock: "Was soll ich sagen? Fliegt mit dem Flugzeug fürs Klima. Das ist es für mich. Inhaltlich. Das ist ein Paralleluniversum. Das hat nichts mit naturwissenschaftlichen Fakten zu tun."
Fakt ist: Weniger Tiere wären nicht nur für das Klima wichtig, sondern auch für die Artenvielfalt. Auch weniger Pflanzenschutzmittel und stillgelegte Flächen sind nötig. Wie steht Günther Felßner dazu?
O-Ton Günther Felßner, Präsident Bayerischer Bauernverband: "Flächen stilllegen ist mit Sicherheit nicht die Zukunft. Das ist eine Landnutzungsidee des letzten Jahrhunderts. Auch die Tierhaltung zurückzufahren, ist eine Sackgasse gewesen."
O-Ton Panorama: „Zu viel Pflanzenschutz schadet der Artenvielfalt und zu viel Fleisch schadet dem Klima.“
O-Ton Günther Felßner: "Das sind zwei völlig falsche Behauptungen Zu viel Artenschutz, zu viel Pflanzenschutz schadet der Artenvielfalt. Wir brauchen Pflanzenschutzmittel, um Ernten zu schützen. Im biologischen wie im konventionellen Anbausystemen."
O-Ton Prof. Sebastian Lakner, Agrarwissenschaftler Uni Rostock: "Wir brauchen in der Landwirtschaft Pflanzenschutz, das ist so, aber man muss die Risiken kennen. Und man kann nicht sagen, dass das nichts mit dem Rückgang der Artenvielfalt zu tun hat."
Markus Söder und sein Kandidat. Ob der Bayerische Bauernpräsident tatsächlich Landwirtschaftsminister wird, darüber entscheidet Söder nicht allein. Doch CDU-Chef Friedrich Merz äußert sich aktuell nicht zu der Besetzung von Ministerien.
O-Ton Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender: "Über Personal wird im Augenblick nicht gesprochen."
Wird sich auch CSU-Chef Söder daran halten? Wir wollen nach der Wahl von ihm wissen, ob er sich weiter für Bauernpräsident Felßner einsetzt – trotz dessen fragwürdiger Positionen. Doch leider bekommen wir während der Pressekonferenz keine Möglichkeit, ihn das zu fragen. Deshalb versuchen wir es im Anschluss.
O-Ton Panorama: "Ihr Wunschkandidat fürs Landwirtschaftsministerium Günther Felßner..."
O-Ton Markus Söder: "Bleibt."
O-Ton Panorama: "… behauptet, dass Pflanzenschutzmittel nicht schlecht für die Artenvielfalt sind und Fleisch nicht schlecht fürs Klima. Halten Sie an ihm fest?"
O-Ton Markus Söder: "Ich halte an Günther Felßner fest."
Söder hält also an Günther Felßner fest. In einer Zeit, in der es immer herausfordernder wird, unsere Lebensgrundlagen noch zu bewahren.
Beitrag: Oda Lambrecht, Katharina Schiele
Kamera: Andrzej Król, Bernd Gareis
Schnitt: Florian Sack-Hauchwitz
