Falls Joe Biden gewinnt: Ist dann alles gut für Deutschland?
Ob Nord Stream 2, Abzug der US-Truppen oder "Technologiekrieg" mit China: Würde Joe Biden als US-Präsident den Kurs ändern?
Vielleicht wird Joe Biden, wenn er tatsächlich zum Wahlsieger erklärt und ins Präsidentenamt eingeführt werden sollte, in der Außenpolitik der Vereinigten Staaten einige Dinge verändern. Das hat er im Wahlkampf zumindest angekündigt. Er möchte etwa dem Klimaabkommen von Paris wieder beitreten und den Streit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beenden. Auch das ist für Deutschland nicht unbedeutend.
Auch Biden gegen Nord Stream 2
Aber in wichtigen Gebieten der Außenpolitik ist nicht zu erwarten, dass der Demokrat die Linie von Donald Trump verlassen wird. Ausgerechnet in Bereichen, die Deutschland stark betreffen. Die USA zahlten etwa für die Sicherheit Deutschlands, schützten es vor Russland. Und trotzdem mache Deutschland seine Energieversorgung von Russland abhängig, indem es den Bau einer zweiten Gasleitung durch die Ostsee, Nord Stream 2, unterstütze. Diesen Vorwurf hatte Trump mehrfach erhoben. Der Kongress in Washington hat seit 2017 mehrere Sanktionsgesetze verabschiedet, die sich gegen die an Nord Stream 2 beteiligten Firmen richten. Die Regierung hat die Durchführungsbestimmungen dieser Gesetze in diesem Jahr verschärft und mit der tatsächlichen Verhängung von Sanktionen gedroht.
Joe Biden würde an der harten Linie gegen die russisch-deutsche Gaspipeline, die auch den Nachbarn Deutschlands Energie liefern soll, festhalten. Schon als Vizepräsident von Barack Obama hatte Biden Kritik an der Pipeline geübt. Bei einem Besuch in Schweden etwa hatte er den Europäern nahegelegt, statt russischem Gas lieber amerikanisches Flüssiggas zu kaufen. Der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), rechnet unter einem Präsidenten Joe Biden nicht mit einer Änderung der amerikanischen Haltung zu Nord Stream 2. In der Frage bestehe "Einigkeit im Kongress zwischen Republikanern und Demokraten". Aus der Sicht Washingtons gehe es hier "um den Kreml", sagt Beyer im Interview mit Panorama, und das sei dort ein sensibles Thema. Die Gasleitung Nord Stream 2 ist unvollendet. Die Rohre für das fehlende Teilstück liegen seit einem Jahr im Hafen von Sassnitz auf Rügen. Wegen der Sanktionsandrohungen aus den USA wurde der Bau im Dezember 2019 gestoppt.
"tech war": Wettlauf der USA mit China
Auch für die Politik, die von einer Regierung Biden gegenüber China zu erwarten wäre, gilt: Die große Linie bleibt. Im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen den USA und China steht der Wettlauf um den Spitzenplatz in wichtigen Technologiebereichen, vor allem in der Informationstechnologie. Im April 2019 gab das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten zu bedenken, dass noch 2009 die zehn weltweit bedeutendsten Internetfirmen amerikanisch gewesen seien. Nun seien schon vier Unternehmen der Spitzengruppe chinesisch.
Martin Schallbruch, Experte für IT-Unternehemen an der European School of Management and Technology in Berlin, beobachtet diese Diskussion in den USA seit Jahren, etwa bei einer Tagung in Stanford über den Aufstieg Chinas zur IT-Macht unter dem Motto "Digital Totalitarianism". Zwischen den USA und China tobe ein "tech war", ein "Krieg um die Technologien", meint Schallbruch, der früher Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium war. Und der habe enorme Auswirkungen auf Deutschland. "Mindestens zweimal im Jahr" kämen hochrangige Delegationen aus Washington nach Berlin, um die Bundesregierung vor dem zunehmenden Einfluss Chinas im Technologiebereich zu warnen. Begründet werde das mit Sicherheitsbedenken. Tatsächlich gehe es aber auch um die wirtschaftliche Dominanz auf diesem Gebiet. Die amerikanische Agenda bestehe darin, Unternehmen in verbündeten Staaten wie Deutschland von der Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen abzubringen. "Die Amerikaner gehen da sehr tough vor", sagt IT-Experte Schallbruch. Deutsche Unternehmen müssten damit rechnen, "von den USA sanktioniert zu werden".
Bisher noch keine Sanktionen angedroht
Im Fokus stehen etwa die Telekom, die mit Komponenten des Huawei-Konzerns das Mobilfunknetz der fünften Generation ("5G") aufbaut, und der Kamera-Hersteller Leica aus Wetzlar, dessen Kameras in Smartphones von Huawei eingebaut sind. Bislang wurden diesen deutschen Firmen wegen der Zusammenarbeit mit China offiziell keine Sanktionen angedroht. Leica möchte sich mit Verweis auf die heikle geopolitische Lage auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern. Die Telekom teilt auf Anfrage von Panorama mit, dass sie die Zusammenarbeit mit chinesischen Zulieferern im Kernbereich des 5G-Netzes "ausphasen" werde. In anderen Bereichen des 5G-Netzes, etwa bei den Antennen, solle die Kooperation mit Huawei, genau wie mit anderen Zulieferern wie Ericsson, fortgesetzt werden. Martin Schallbruch warnt: "Der Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen den USA und China ist noch längst nicht erreicht." Biden würde als US-Präsident den harten antichinesischen Kurs der Trump-Administration fortsetzen, prognostiziert der Experte aus Berlin. Der Kurs gehe stark von den Geheimdiensten und vom Militär aus. Die Warnungen aus dem Sicherheitsapparat, dass China die USA im IT-Bereich technologisch und wirtschaftlich zu überflügeln drohe, fielen sowohl bei Republikanern als auch bei Demokraten auf fruchtbaren Boden.
Huawei spürt die Folgen dieser Politik. "Wir leiden unter dem amerikanischen Druck," sagt Carsten Senz, Sprecher von Huawei Deutschland, im Interview mit Panorama, ohne in Einzelheiten zu gehen. Senz bestätigt die Aussage aus dem Huawei-Geschäftsbericht von 2019, in dem es heißt, dass der Konzern "ums Überleben" kämpfe. Diese Formulierung zeige, dass man in dem Konflikt "auf Deeskalation" aus sei, erklärt der Huawei-Sprecher. Man halte an der Zusammenarbeit mit deutschen Firmen wie Leica und Telekom fest und habe "nicht vor, Deutschland zu verlassen". Als jüngste Maßnahme gegen Huawei untersagte die US-Regierung dem Konzern Google, den Chinesen seine Apps für neue Handys zur Verfügung zu stellen.
Auch unter Biden Truppenabzug wahrscheinlich
Auch in der US-Militärpolitik erwarten Beobachter unter einem Präsidenten Joe Biden eine für Deutschland herausfordernde Linie. Der Demokrat werde wohl an dem von Donald Trump angekündigten Truppenabzug aus Deutschland festhalten, zumindest in Teilen, meint Transatlantikkoordinator Peter Beyer. Der CDU-Politiker rät allerdings, sich deswegen nicht zu beklagen, sondern die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas mit eigenen Mitteln zu stärken. "Die Amerikaner haben einen Punkt, wenn sie sagen, dass Deutschland es sich unter ihrem Schutzschirm zu bequem gemacht hat", erklärt Beyer. Generell warnt er davor, auf eine transatlantische Nostalgie zu hoffen, wenn Joe Biden im Oval Office sitzt. "Ich versuche so ein bisschen, die Erwartungen herunterzuschrauben. Unter Joe Biden glaube ich schon, dass es leichter wird, miteinander darüber zu reden. Aber von der Sache her darf man nicht erwarten, dass sofort auf deutsche oder europäische Verhandlungspositionen eingegangen würde. Es wird sicherlich konzilianter, freundschaftlicher im Ton, aber die Sachthemen werden größtenteils auf dem Tisch bleiben."
Bei einem US-Präsidenten Biden wären die Worte sicher nicht so hart. Aber seine Taten werden sich an amerikanischen Interessen orientieren. Und die sind dann doch nicht immer die gleichen wie die Deutschlands.