Strafgerichtshof: Endlich Gerechtigkeit für CIA-Opfer?

Stand: 05.11.2020 06:00 Uhr

Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) hofft auf ein Umdenken der USA. Die Trump-Regierung hatte die Juristin mit Sanktionen belegt, weil sie mögliche US-Kriegsverbrechen in Afghanistan untersucht.

von Armin Ghassim, Jonas Schreijäg

"Wir hoffen, die USA überdenken ihre feindliche Haltung gegenüber dem internationalen Strafgerichtshof", sagte Fatou Bensouda im Interview mit Panorama. "Gerade die USA geben sich immer sehr stolz auf ihre Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit", so die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die USA gegen ein Gericht vorgehen, das für Menschenrechte kämpfe.

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Strafgerichtshof kündigte Afghanistan-Untersuchung an

Im September hatte die Trump-Regierung Sanktionen gegen die Chefanklägerin Fatou Bensouda und einen ihrer hochrangigen Mitarbeiter verhängt. Ihre Konten wurden eingefroren und die Einreise in die USA verboten. Auch diejenigen, die Bensouda bei ihrer Arbeit unterstützen, müssen mit Sanktionen rechnen; etwa US-Anwälte, die dem internationalen Gericht zuarbeiten. Grund für den beispiellosen Schritt der US-Regierung war, dass Bensouda Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Afghanistan-Konflikt untersucht. Dabei geht es neben Vorwürfen gegen die Taliban und die afghanische Armee auch um mögliche Verbrechen des US-Militärs und des US-Auslandsgeheimdienstes CIA. Auch die sogenannten Black Sites, CIA-Geheimgefängnisse unter anderem in Polen, Rumänien und Litauen, werden demnach untersucht. Dort soll die CIA systematisch Terrorverdächtige aus Afghanistan und anderen Teilen der Welt gefoltert haben.

Fatou Bensouda, Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes © NDR Foto: Screenshot
Wurde mit US-Sanktionen belegt, weil sie Kriegsverbrechen im Afghanistan-Konflikt untersucht: IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda.

Der US-Außenminister und ehemalige CIA-Chef Mike Pompeo hatte schon im Sommer gesagt: "Wir werden nicht zusehen, wie unsere Leute von diesem Scheingericht bedroht werden." Er wählte dabei den Begriff "Känguru-Gericht", der in den USA auch für die Scheingerichte unter Hitler, Stalin oder dem ehemaligen Diktator Kambodschas, Pol Pot, verwendet wird.

Sanktionen gegen Strafgerichtshof: Nie dagewesener Vorgang

Es ist das erste Mal in der Geschichte des IStGH, dass ein Land Sanktionen gegen die Mitarbeiter des Gerichts verhängt. Die Juristin aus Gambia und ehemalige Justizministerin ihres Landes zeigte sich im Panorama-Interview erschrocken von den Sanktionen: "Es ist schockierend, dass Sanktionen, die normalerweise gegen Terroristen, Drogenschmuggler und Kriegsverbrecher verhängt werden, nun gegen diejenigen verhängt werden, die für Menschenrechte kämpfen. Das ist inakzeptabel und ein Missbrauch von Sanktionen."

Ein Porträtbild von Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD). © picture alliance/dpa Foto: Christoph Soeder
Kritisiert die US-Sanktionen: Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat die US-Sanktionen vergangene Woche in einer Bundestagsdebatte kritisiert. Die Sanktionen seien "ein großer Fehler, von dem ich hoffe, dass er in absehbarer Zeit korrigiert wird". Deutschland trete "entschieden dafür ein, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, und zwar überall, wo wir können". Ähnlich äußerten sich Abgeordnete der CDU, der FDP, der Grünen und der Linken.

Auch deutsches CIA-Opfer schließt sich Klage vor Strafgerichtshof an

In den Untersuchungen des Strafgerichtshofs spielt auch der Fall Khaled el Masri eine Rolle. Der Deutsche war 2003 von der CIA entführt und in einem Geheimgefängnis nahe Kabul gefoltert und verhört worden. Erst nach sechs Monaten wurde er in einem Wald in Albanien ausgesetzt. Jahre später gab die CIA zu, dass sie el Masri verwechselt hatte. Die Bundesregierung hatte frühzeitig von der Verschleppung el Masris erfahren, einen deutschen Haftbefehl gegen die CIA-Entführer aber nie an die USA überstellt. Offenbar auf Druck von US-Diplomaten, wie später ein von WikiLeaks enthülltes Dokument zeigte.

Auch 17 Jahre nach el Masris Folter und Verschleppung wurden die mutmaßlichen Täter nicht zur Verantwortung gezogen. Sollte es zu einem Prozess in Den Haag kommen, will sich der 57-Jährige deshalb mithilfe von Menschenrechtsanwälten beteiligen. Nach Panorama-Informationen hat el Masri "Opferstatus" für eine mögliche Hauptverhandlung beantragt.

Auch Joe Biden kein Freund des Strafgerichtshofes

Die Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs durch die USA hat Tradition - auch unter demokratischen Präsidenten. Joe Biden äußerte sich auf Anfrage nicht, ob er als künftiger Präsident die Sanktionen gegen den Strafgerichtshof zurücknehmen werde. Allerdings hatte sich Biden nach Panorama-Recherchen schon 1998 gegen das Gericht ausgesprochen. Damals beschlossen 123 Staaten mit dem "Römischen Statut" die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs.

Biden befürchtete damals, der Strafgerichtshof könne US-Streitkräfte im Ausland verfolgen. Auch in seiner Zeit als Vizepräsident (2009 bis 2017) unterwarfen sich die USA nicht der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs. In den USA ist sogar ein Gesetz in Kraft, wonach vom Strafgerichtshof verurteilte US-Bürger zur Not militärisch aus Den Haag befreit werden könnten.

Auf Initiative Deutschlands verurteilten nun 72 Staaten die Sanktionen der USA gegen den Internationalen Strafgerichtshof. "Wir bekräftigen unsere unerschütterliche Unterstützung für den Gerichtshof als unabhängige und unparteiische Gerichtsinstitution", erklärten die Staaten vor der UNO-Vollversammlung in New York.

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Der Panorama-Beitrag vom 05. November 2020 als PDF-Dokument zum Download. Download (89 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.11.2020 | 22:00 Uhr

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