Verschwendung: Bahn zahlte überhöhte Preise für IT-Technik
Die Deutsche Bahn ist seit Jahren klamm, doch im Bereich Computertechnik spart der Konzern ungern. Empfänger des Geldsegens: eine Tochterfirma namens Systel.
Das Image der Deutschen Bahn ist angekratzt: Verspätungen, Langsamfahrstrecken, Zugausfälle. Die Gründe dafür sind marode Brücken, veraltete Technik, kaputte Schienen. Denn das Geld fehlt, die Deutsche Bahn muss sparen. Der Staatskonzern ist mit mehr 25 Milliarden Euro verschuldet. Doch für die Produkte einer Firma gibt die Bahn jedes Jahr erstaunlich viel Geld aus: die des IT-Unternehmens Systel.
In selbstbewussten Werbeclips verspricht Systel modernste Technologien für die Bahn. "Wir planen, entwickeln und betreiben Software für über 600 Anwendungen, darunter Fahrpläne, Disposition von Zügen oder das Informationssystem für die Reisenden", heißt es in dem Video. Das Systel-Headquarter liegt im Silberturm in Frankfurt. Von hier aus kümmert sich Systel um die IT von Bahn-Tochterunternehmen, stellt etwa Speicherplatz auf Servern zur Verfügung oder bietet Computer Support. Systel versorgt Bahn-Töchter wie die DB Netz, die das Schienennetz an die Zugbetreiber vermietet, oder die DB Regio, die Regionalzüge auf die Schienen bringt. Das Geschäft läuft gut, Systel beschäftigt mehr als 4.000 Mitarbeiter.
Das 20-fache der marktüblichen Preise
Doch wenn man sich das Angebot von Systel genauer ansieht, fällt auf: Das Unternehmen verlangt extrem hohe Preise, mitunter das 20-fache der marktüblichen Summen. Die Deutsche Bahn AG findet das offenbar nicht zu teuer: Das Preis-Leistungs-Verhältnis von Systel sei "nachweislich marktüblich", so eine Sprecherin. Die Leistungen würden "seit Jahren durch unabhängige Beratungsunternehmen mit vergleichbaren Produkten von Wettbewerbern verglichen." Um welche Beratungsunternehmen es sich handelt, will der Konzern auf Nachfrage nicht konkretisieren. Auch einen Vergleichsbericht legt er nicht vor.
Felix Preuß ist Gründer und Geschäftsführer der Firma Netcup in Karlsruhe. Sein Unternehmen vermietet Speicherplatz auf Servern inklusive Support. Ein von Panorama ausgesuchtes Einzel-Angebot für digitale Infrastruktur etwa kostet bei Systel rund 300 Euro pro Monat. Das vergleichbare Angebot bei Netcup liegt bei 14,49 Euro pro Monat. "Als ich das Angebot gesehen habe, war ich schon überrascht, dass so viel einem Kunden berechnet werden kann", sagt Preuß. "Den Kunden hätte ich auch gerne."
Monopolstellung für die eigene Tochter
Aber die Bahn scheinen die hohen Preise nicht zu stören. Sie kauft trotzdem bei Systel ein. Oder gerade deshalb? Denn: Systel gehört der Deutschen Bahn, ist ebenfalls ein Tochterunternehmen. Der IT-Dienstleister kann Apotheken-Preise verlangen, weil die Bahn bevorzugt bei eigenen Tochterunternehmen einkaufen muss. So will es der sogenannte "Kontrahierungs-Zwang".
Systel komme so quasi eine Monopolstellung zu, sagt Christian Böttger, Professor für Wirtschafts-Ingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Er war mehrfach Gutachter im Verkehrsausschuss des Bundestages. Welchen Sinn ergibt es für ihn, wenn die Bahn viel zu hohe Preise an die eigene Tochter bezahlt? "Der Verdacht ist immer da, dass man solche Tochtergesellschaften auch nutzen kann, um Gewinne abzuschöpfen oder Gewinne zwischen anderen Konzerngesellschaften hin und her zu schieben", so Böttger.
Das heißt: Die Bahn kann im Prinzip steuern, welche Tochter hohe Gewinne haben soll - und welche nicht. Denn nur die großen Tochter-Gesellschaften müssen ihre Bilanzen offenlegen. Etwa die, die hohe Subventionen vom Staat bekommen. Die DB Netz zum Beispiel muss ihre Bilanz offenlegen. Die viel kleinere DB Systel hingegen nicht.
Künstlich ärmer gerechnet?
Tatsächlich erlaubt das Handelsgesetzbuch, dass ein Unternehmen nicht für alle einzelnen Tochtergesellschaften Abschlüsse veröffentlichen muss, wenn die Muttergesellschaft einen entsprechend transparenten Abschluss veröffentlicht. Das würde etwa dies ermöglichen: Wenn die DB Netz an Systel hohe Summen für die IT überweist, könnte sie sich selbst künstlich ärmer rechnen. Und so mehr Geld vom Staat bekommen. Für den Rechnungshof ist das offenbar nur schwer zu kontrollieren, und auch für das Parlament. Zu diesem konkreten Punkt will die Bahn AG sich nicht äußern.
"Ich bewerte das natürlich negativ", so Wirtschaftswissenschaftler Böttger. "Natürlich wäre es unter Transparenz-Gesichtspunkten sehr wichtig, dass man auch für diese großen Tochtergesellschaften die Zahlen öffentlich einsehen kann, also auch für Abgeordnete." Die Deutsche Bahn AG verweist darauf, dass die Praxis, den DB-Systel-Bericht nicht gesondert zu veröffentlichen, nicht regelwidrig sei. "Das entspricht den gesetzlichen Vorgaben", heißt es in einer Stellungnahme.
Mitarbeit: Stephan Dörner.