Stand: 22.03.2018 18:00 Uhr

Geschönte Pleite: Olaf Scholz und die HSH

von Stefan Buchen & Nils Naber

Scholz: Risiken für den Steuerzahler erhöht

Es bleibt der Eindruck, dass die Verantwortlichen vor allem Zeit gewinnen wollten. Und dass Scholz und die Landesregierung in Kiel sich hinter dem Optimismus der HSH-Vorstände versteckten. "Man war sich einig", formuliert es Martin Hellwig. Scholz hätte eine Abwicklung der landeseigenen Bank als Scheitern betrachtet. Er hat die zügellose Vergabe von Schiffskrediten und die  Zockerei auf dem US-amerikanischen Derivate- und Immobilienmarkt zwar nicht zu verantworten. Diese Ursünden wurden unter seinem Vorgänger im Bürgermeisteramt Ole von Beust (CDU) und dessen schleswig-holsteinischen Amtskollegen Heide Simonis (SPD) und Peter Harry Carstensen (CDU) begangen.

Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz in Berlin © picture alliance/ZUMA Press
Olaf Scholz erhöhte die Staatsgarantie während seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs wieder auf zehn Milliarden Euro.

Aber die Risiken für den Steuerzahler steigerte auch Scholz in seiner Amtszeit als Erster Bürgermeister von 2011 bis 2018. Die zwischenzeitlich auf sieben Milliarden Euro herabgesenkte Staatsgarantie erhöhte er wieder auf zehn Milliarden, die nun komplett an die privaten Finanzinvestoren gehen. Unter seinem Senat kauften die beiden Nordländer faule Schiffskredite für 2,4 Milliarden Euro aus der HSH Nordbank und bunkerten sie in einer staatlichen "Anstalt". Dieses Kreditportfolio, das einmal fünf Milliarden Euro wert war, wird inzwischen nur noch auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt.

Gute Verdienstmöglichkeiten für "Spezialisten der Schiffsfinanzierung"

Die Zypern-Geschichte zeigt zweierlei: Wie findig die Landesbank dabei war, die drohende Insolvenz abzuwenden, und welch gute Verdienstmöglichkeiten sich für die "Spezialisten der Schiffsfinanzierung" auch in der Krise auftun, weil die HSH einmal "größter Schiffsfinanzierer der Welt" war und dadurch gigantische Überkapazitäten auf den Ozeanen schuf. Die Überkapazitäten müssen ja restrukturiert und verwaltet, gegebenenfalls müssen Insolvenzen beantragt und "gemanagt" werden. Besonders erfolgreich scheint sich auf diesem Gebiet die Hamburger Firma "Naves" zu betätigen. "Werbung" wolle man für sich nicht machen, teilt ein leitender Manager am Telefon mit. Darum hätten Kunden die Firma gebeten, die sie mit der Restrukturierung notleidender Schiffsportfolios beauftragt hätten. Daher sei man "medienscheu".

Rege auf diesem Gebiet ist auch der Hamburger Rechtsanwalt Stefan P. Rindfleisch. Als vor 15 Jahren in Hamburg Schiffskredite en masse vergeben wurden, soll er an Verträgen für Fondsgesellschaften mitgeschrieben haben, die in Schiffe investierten. Heute gibt er Fachseminare mit dem Titel "Schiffsfinanzierungen in Krisenzeiten". Für diesen Freitag kann man sich noch anmelden. Tagungsort: Hotel Hafen Hamburg. Teilnahmegebühr pro Person: 712,81 Euro. Im Februar trat Rindfleisch auf der "Marine Money", der jährlichen Zusammenkunft der Branche, in einem anderen Hamburger Nobelhotel auf. Auf dem Podium sprach er mit dem Schiffsvorstand der HSH Nordbank Torsten Temp. Dem Vernehmen nach war Temp selbstsicher und optimistisch und malte eine rosige Zukunft der Bank unter den neuen Eigentümern. Anwalt Rindfleisch ließ Anfragen von Panorama unbeantwortet.

Enorme Verluste für die Steuerzahler

Die Verdienstmöglichkeiten der "Spezialisten" kontrastieren mit den Verlusten der Steuerzahler. Trotz "erfolgreichen Verkaufs" der HSH Nordbank summieren sich diese auf rund 16 Milliarden Euro, wie Ökonom Hellwig berechnet hat. Er bemängelt, dass Hamburger Senat und Kieler Landesregierung eine Abwicklung nie unabhängig haben prüfen lassen: "Eine Abwicklung wäre vielleicht billiger gewesen." Die Politiker seien im Fall HSH der Tradition des Umgangs mit der Finanzkrise gefolgt. Sie hätten die Priorität darauf gelegt, die Gläubiger der Bank schadlos zu halten. Das Geld fehle nun an anderer Stelle. "Warum die deutsche Politik diesen Weg gegangen ist, darüber  werden Historiker in 50 Jahren Bücher schreiben", sagt Hellwig.

Die hamburgische Finanzbehörde teilt mit, man habe Abwicklungsszenarien für die HSH mit eigenen Beratern geprüft, die Ergebnisse aber nicht veröffentlicht. Olaf Scholz betont, er habe im Umgang mit der HSH Nordbank "keinen Fehler" gemacht. Sein Senat habe stets auf die Risiken hingewiesen.

Der Text erschien am 21.3.2018 in der taz

 

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Der Panorama-Beitrag vom 22. März 2018 als PDF-Dokument zum Download. Download (89 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 22.03.2018 | 21:45 Uhr

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