Stand: 12.09.2018 15:02 Uhr

Toll Collect: SPD-Politiker rückt von Privatisierungsplänen ab

Sebastian Hartmann, Chef des wichtigen SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, geht auf Distanz zu Plänen des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) bei der Lkw-Maut. Er habe "Zweifel an einer erneuten Privatisierung des Mautbetreibers", sagt Hartmann der Wochenzeitung "DIE ZEIT". Der Staat "kann die Maut heute in eigener Regie gut und verlässlich erheben". Hartmann sitzt seit 2013 für die SPD im Verkehrsausschuss des Bundestags und kennt die Details der Maut.

VIDEO: Wie Toll Collect mit Steuergeld umgeht (16 Min)

Ausgangslage ist: Der Bund ist seit dem 1. September Eigentümer des Maut-Betreibers Toll Collect, weil ein seit 2002 laufender und mehrfach verlängerter Betreibervertrag mit der Deutschen Telekom und zwei weiteren Konzernen ausgelaufen ist. Die Konzerne hatten das Maut-System einst entwickelt und Toll Collect aufgebaut. Die Kosten für den Betrieb erstattete der Bund - und dazu eine Rendite sowie einen Risikoaufschlag. Dadurch beliefen sich die Nettogewinne von Toll Collect zeitweise auf über 20 Prozent vom Umsatz, so steht es in den veröffentlichten Bilanzen von Toll Collect. SPD-Politiker Hartmann sagt nun: "So hohe Renditen wie im vergangenen Betreibervertrag sind nicht mehr zu rechtfertigen." Ob sich private Unternehmen darauf einlassen würden, ist offen. Verkehrsminister Scheuer sucht derweil einen neuen, privaten Betreiber und hat die Abgabe der finalen Angebote kürzlich bis in den Oktober hinein verlängert.

Wirtschaftlichkeit: Staat liegt klar vorne

Nun kommt ein aktuelles Gutachten des Verkehrsökonomen Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin sogar zu dem Schluss, es sei wirtschaftlicher, wenn der deutsche Staat das Maut-System betreibe: Nichts deute darauf hin, dass "mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit die beiden betrachteten Handlungsoptionen" - staatlicher Betrieb und Privatisierung - "eng beieinander liegen", schreibt Beckers. Der Staat liege klar vorne. Als Vorbild verweist Beckers auf den staatlichen Mautbetreiber Asfinag in Österreich, der erfolgreich arbeitet.

Beckers hat sein Gutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen erstellt und schreibt, dass es gute Gründe gab, das Mautsystem anfangs von der Telekom entwickeln und betreiben zu lassen. Es sei technisch sehr anspruchsvoll gewesen. Demgegenüber sei es vergleichsweise leicht, ein bestehendes Mautsystem fortzuführen. Der Bund verfüge über sämtliche Ressourcen dafür. Daraus folgert der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stephan Kühn: "Der Staat kann das laufende Mautsystem wirtschaftlicher betreiben als ein privates Unternehmen."

 

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