Öffentlich-Rechtliche in der Schweiz: Einfach mal abschaffen?
Der weltbekannte Schweizer Komiker Emil Steinberger kann es kaum fassen: im März stimmen seine Eidgenossen über die Abschaffung der Rundfunkgebühren ab. Und damit de facto auch über die Abschaffung der SRG, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz : "Das hätte ich nie gedacht, dass sich so viele Leute aufregen wegen dieser Gebühr. Ich kann es mir fast nicht mehr angucken. Es tut mir weh."
Kritik am "linken Einheitsbrei"
Sogenannte "Freisinnige", Liberale und Rechtspopulisten der Schweizerischen Volkspartei haben die Initiative ins Leben gerufen. Und sie fordern nichts Geringeres, als dass der Staat keine Rundfunkgebühren mehr erheben darf. 450 Franken zahlen die Schweizer bisher pro Jahr - für Radio und Fernsehen der SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft) in vier Sprachen: Deutsch, italienisch, französisch und räto-romanisch.
Samuel Hofmann, der sogenannte Argumentationschef der Anti-Kampagne, arbeitet bei der rechtspopulistischen Wochenzeitung "Weltwoche" und hält von den Öffentlich-Rechtlichen nicht viel. "Als Rechtsliberaler hat man dort den linken Einheitsbrei und muss noch dafür bezahlen. Und will das eigentlich gar nicht anschauen... Es kann nicht sein, dass wir für eine Dienstleistung bezahlen müssen, die wir nicht bestellt haben. Und die wir vielleicht gar nicht konsumieren und trotzdem bezahlen müssen."
Was als ein aussichtslose Volksinitiative begann, ist groß geworden - auch weil es in der Schweiz von einem in Teilen rechtslastigen Zeitungsmarkt unterstützt wird.
"Mutter aller Abstimmungen"
Roger Schawinski war mal Chef des deutschen Privatsenders Sat 1. Und auch, wenn er heute im Schweizer Fernsehen eine Talkshow moderiert, ist er noch immer einer der größten Kritiker des Öffentlich-Rechtlichen. Was aber jetzt in der Schweiz passiert, geht ihm eindeutig zu weit: "Ich empfinde das gerade als die Mutter aller Abstimmungen. In der Schweiz wird ja permanent abgestimmt, aber die Vorlage ist hier so extrem und so radikal, dass wirklich das öffentliche Radio- und Fernseh-System mit einem Schlag zerstört würde. Und das ist in der Schweiz fatal."
Ausdruck gelebter Solidarität
Denn in der Schweiz ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch ein Ausdruck gelebter Solidarität. Die deutschen Landesteile finanzieren das Radio in der italienischen, französischen und räto-romanischen Schweiz mit. Denn vor allem in diesen dünn besiedelten Gebieten würden sich eigene Sender nicht rechnen. Ohne Gebühren würde es dort zukünftig wohl keine Informationssendungen mehr geben, so Mariano Tschuor von der SRG: "Weder in der Ostschweiz, noch in der Südschweiz, noch in der Westschweiz, noch in der Nord-Westschweiz. Da wird es einfach dann nicht mehr möglich sein. Ob dann die Privaten in diese Bresche springen werden, das ist eine zweite Frage."
Wie lässt sich Journalismus finanzieren?
Im Kanton Graubünden produziert der Verleger Silvio Lebrument - ebenfalls mit Hilfe von Gebührengeldern - das private TV Südostschweiz. Für den Fall, dass die Initiative durchkommt, hat er angekündigt, das Informationsprogramm, das sich unter anderem an die Räto-Romanen wendet, dicht zu machen. "Weil sich der Journalismus nicht refinanzieren lässt ohne diese Gebühren oder ähnliche Gelder in ähnlicher Höhe", so Lebrument.
Samuel Hofmann scheint das nicht sonderlich zu interessieren: "Du kannst jetzt auch nicht sagen, jede Minderheit hat Anspruch auf ein Fernsehen. Ich bin auch in vielem in der Minderheit. Ich bin zum Beispiel ein Liberaler."
Und dass eine bestimmte Sorte "Liberale" nicht unbedingt viel von Solidarität hält, ist bekannt. So geht es bei der Abstimmung in der Schweiz im März nicht nur um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sondern auch um den grundsätzlichen Weg, den eine Gesellschaft gehen möchte: Marktradikalismus versus Solidarität.