Geschönte Pleite: Olaf Scholz und die HSH
In einer seiner letzten Amtshandlungen als Erster Hamburger Bürgermeister hat Olaf Scholz (SPD) - inzwischen Bundesfinanzminister - den Verkauf der HSH Nordbank bekannt gegeben. Er freute sich über den "substanziellen Kaufpreis", den die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein erzielt hätten.
HSH: Pleite verschleppt
Wie Panorama-Recherchen zeigen, konnte sich die HSH Nordbank unter anderem deswegen über die Ziellinie retten, weil sie ihre eigene Pleite verschleppte. In dem Beispiel geht es um ein Paket von fünf Containerschiffen, deren Bau von der Landesbank finanziert worden war. Die Frachter tragen Namen wie Marmaris und Antalya, klingen also eher nach unbeschwertem Mittelmeerurlaub als nach Finanzkrise. Den Recherchen zufolge waren die Kredite für die Schiffe schon notleidend, als sie ab 2010 vom Stapel liefen. Die Kredite, und damit die Schiffe, wurden von einer Firmengruppe namens Notos übernommen, die eine Adresse am feinen Ballindamm an der Hamburger Binnenalster hat. Das Pikante: der Geschäftsführer von Notos, Jens Rohweder, ist ein ehemaliger Kreditspezialist der HSH Nordbank. Noch pikanter: Wie Panorama aus gut unterrichteter Quelle erfuhr, erhielt Rohweders Firma für das Geschäft einen Kredit seines ehemaligen Arbeitgebers, der HSH Nordbank, in Höhe von rund 200 Millionen Euro.
Experten sind solche Konstruktionen nicht unbekannt. "Man steckt dem Schuldner heimlich das Geld zu, das er braucht, um seinen Kredit zu bedienen", sagt Wirtschaftswissenschaftler Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut in Bonn. "Ich gebe dem Schuldner Geld und sage: 'Das kannst Du mir jetzt zurückzahlen.' Dass der Schuldner nur zahlt, weil ich ihm einen zusätzlichen Kredit gegeben habe, das muss ich ja nicht an die große Glocke hängen", erläutert Hellwig weiter. "Das ist eine Art von Betrug."
Pleiteschiffe nach Zypern ausgelagert
Wie die Recherchen zeigen, lagerte die Notos-Gruppe das Kreditportfolio an Tochtergesellschaften im griechischen Teil Zyperns aus. Betrieben wurden die Schiffe von einer ebenfalls in Zypern ansässigen Tochter der Hamburger Reederei "Thomas Schulte". "Das zypriotische Insolvenzrecht ist laxer als das deutsche", erläutert Andreas Droussiotis, Geschäftsführer der Reedereifiliale in der zypriotischen Hafenstadt Limassol. "Von hier kann man einen Frachter noch betreiben, für den man in Deutschland Insolvenz anmelden müsste."
Genau das wollte die HSH Nordbank offenbar verhindern. Durch die Verschiebung der Schiffe nach Zypern kaufte sie sich Zeit. Im Interview mit Panorama sagt Reedereichef Droussiotis: "Die HSH hatte in der einen oder anderen Form mit der Finanzierung der Schiffe zu tun." Um "Profit" sei es der Bank dabei nicht gegangen. "Ziel war, die Schiffe raus aus Deutschland zu schaffen und raus aus der Bankbilanz." Bis 2015 habe Schulte die fünf Frachter von Zypern aus bereedert. Dann habe man sie an die griechische Großreederei Navios weitergegeben, die ebenfalls in faule Schiffskredite der HSH investiert hat und sich diese Investments mit Zinssätzen von mehr als zwölf Prozent vergüten lässt.
Ob es sich um eine Auslagerung "auf Zeit" handelt und die Schiffe irgendwann wieder von der HSH übernommen werden müssen, ist unklar. Auf Anfrage äußerte sich die Hamburger Niederlassung der Reederei "Thomas Schulte" nicht.
Skepsis? Hamburger Senat vertraut lieber der Bank
Die Landesbank soll durch das Geschäft mit den fünf Pleiteschiffen rund 130 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet haben. Die Bank möchte sich zu dem Geschäft nicht äußern. Jens Rohweder, der Geschäftsführer der Notos-Gruppe, soll für die Betreuung jedes der fünf Pleiteschiffe ein Honorar von 150.000 Euro erhalten haben. Auf Anfragen von Panorama reagierte er nicht. Wieviele ähnliche Geschäfte die HSH betrieben hat, um ihre Bilanz aufzuhübschen, ist unbekannt. Auf Anfrage teilte der Hamburger Senat mit, zu einzelnen Geschäften der Bank keine Stellung nehmen zu wollen. Die HSH Nordbank führe das operative Geschäft "in eigener Verantwortung".
Bemerkenswert ist die Gleichzeitigkeit der beiden Vorgänge: Während die HSH Nordbank bankrotte Schiffe trickreich aus ihrer Bilanz verschwinden ließ, plante der Hamburger Senat unter Olaf Scholz, die Staatsgarantie für die Bank wegen deren vermeintlicher Gesundung schrittweise zu reduzieren. Die Politiker setzten auf einen raschen Aufschwung der Schiffsmärkte. Dass ein schneller Anstieg der Charterraten für Containerschiffe, ein Abklingen der Schiffahrtskrise und damit eine Gesundung der HSH Nordbank "unrealistisch" seien, schrieb Ökonom Hellwig bereits 2013 in einem Gutachten für die Hamburgische Bürgerschaft. Er sollte Recht behalten. Die Krise dauert bis heute an.
- Teil 1: HSH: Pleite verschleppt
- Teil 2: Scholz: Risiken für den Steuerzahler erhöht