Stand: 17.08.2017 16:04 Uhr

Die neue FDP: Altbewährtes frisch lackiert

von Ben Bolz

Wenn man sich die "neue" FDP anschaut, kann man erst mal nur sagen: Wow! Eine Partei mit neuem Look, knallig-bunt und einem gewissen "Coolness"-Faktor ihres Bundesvorsitzenden Christian Lindner, von dem die anderen Parteien nur träumen können. Und der fast vergessen lässt, dass die FDP nach 2009 in der Bundesregierung gnadenlos gescheitert ist. "Viel versprochen, wenig gehalten" - das war der Hauptgrund, warum sie 2013 aus dem Bundestag flog.

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"Wir haben uns erneuert, weil wir Deutschland erneuern wollen", sagte Lindner auf dem FDP Parteitag im April 2017.  "Denken wir neu" heißt auch das FDP Wahlprogramm. Doch was ist wirklich neu an Lindners FDP? Im Interview mit Panorama sagt Lindner, man habe die Bildung im Wahlprogramm ganz nach vorne gestellt. "Das ist die entscheidende gesellschaftliche Herausforderung für uns." In der Tat fordert die FDP im ersten Kapitel ihres Programms "Weltbeste Bildung für jeden".

Alles neu?

Doch wirklich neu ist das nicht. Die FDP war schon immer eine Partei, die sich für bessere Bildung eingesetzt hat. So forderte sie unter Guido Westerwelle in ihrem Wahlprogramm 2009 "bestmögliche" Bildung. Über den Unterschied zwischen "bestmöglicher" und "weltbester" Bildung kann man sicherlich streiten. Der Anspruch war in diesem Punkt 2009 aber wohl deutlich realistischer.

Denn das Versprechen von "weltbester" Bildung ist von einer Bundesregierung nur schwer einzulösen. Die Hoheit für Bildung liegt im wesentlichen bei den Ländern. So ist es im Grundgesetz geregelt . Die FDP will den "Bildungsföderalismus" zwar reformieren, wie Lindner sagt.  Doch das dürfte wohl nicht so einfach sein, wenn man sich die Haltung der Bundesländer zu dem Thema anguckt. Die FDP scheint wieder einmal mehr zu versprechen, als sie letztlich halten kann. Da bleibt sie offenbar ganz die "alte".

Liberale Kassenschlager in neuem Gewand

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP © NDR
"Wir haben uns erneuert, weil wir Deutschland erneuern wollen" - FDP-Chef Christian Lindner will die Partei aufpeppen.

Auch ansonsten setzt die "neue" FDP auf die alten liberalen Kassenschlager: Bürokratieabbau, flexibles Renteneintrittsalter, weniger Staat, mehr Freiheit für den Einzelnen. Und auch, wenn Christian Lindner kaum darüber redet: weniger Steuern. "Wir lassen uns das Thema doch nicht nehmen. Gerade jetzt nicht...Der Staat schwimmt im Geld", sagte er auf dem FDP-Parteitag im April. Übrigens ein Bild, das Guido Westerwelle 2009 ebenfalls bemühte: "Der Staat hat Geld wie Heu", sagte Westerwelle.

Was wirklich neu ist, sind dagegen Formulierungen wie "Blaues Wachstum". Zum "blauen Wachstum" heißt es etwa im FDP Parteiprogramm: "Es geht nicht nur darum, weniger wegzuwerfen, sondern mehr wiederzuverwenden." Genau das hat allerdings schon die FDP 2009 gefordert. Recycling war damals schon angesagt.

Und auch Bürokratieabbau, wo sich die meisten der sprachlichen Neukreationen wie das "One in - two out" Prinzip oder das "Once-Only Prinzip" finden, ist - siehe oben - schon immer ein großes FDP-Thema gewesen.

Neu ist vor allem die Fassade

So ist bei der "neuen" FDP neben dem Personal vor allen Dingen eines neu: die Fassade. "Die FDP hat sich aus ihrer Tradition erneuert. Der Liberalismus, also das Vertrauen auf den einzelnen Menschen und sein Recht, auf seine Weise glücklich zu werden. Daran war nichts falsch", sagt Christian Lindner gegenüber Panorama. Das kann man so sehen. Bei den ganzen bunten Farben und dem "Coolness"-Faktor kann man es aber auch fast übersehen.

 

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Der Panorama-Beitrag vom 18. August 2017 als PDF-Dokument zum Download. Download (142 KB)

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Das Erste | Panorama | 17.08.2017 | 21:45 Uhr

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