Imperiales Gehabe: der lange Arm der US-Gesetze
Als wir Ulrich Wippermann im September in Bonn treffen, ist er arbeitslos. Bis Februar 2014 war er ein erfolgreicher Unternehmer, Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. Aber er hatte einen mächtigen Gegner: die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Dem Finanzministerium in Washington gefielen Wippermanns Geschäftsaktivitäten offenbar nicht. Am 06. Februar 2014 setzte der "US-Treasury" ihn und seine Firma auf die Schwarze Liste der Terrorfinanzierer und Verbreiter von Massenvernichtungswaffen. Das bedeutete für ihn das wirtschaftliche Aus.
Plötzlich auf der Blacklist
"Was könnten wir gemacht haben?" Mit dieser Frage erinnert sich Wippermann an den Schock jener Tage. Gegenüber Panorama erzählt er erstmals seine Geschichte. Wippermann war im Vorstand des Finanzdienstleisters "Deutsche Forfait AG" in Köln zuständig für das Irangeschäft. Er hatte deutschen und europäischen Industrieunternehmen geholfen, den Export ihrer Güter in den Iran abzuwickeln. Nach deutschem und europäischem Recht waren diese Geschäfte legal. Das bestätigte sogar die Bundesbank in einem Prüfbericht, der Panorama vorliegt.
Pauschalvorwurf der Terrorfinanzierung
Aber die US-Regierung wollte den wirtschaftlichen Druck auf das Regime in Teheran weiter erhöhen. Und da störte Wippermann anscheinend. Der deutsche Unternehmer kritisiert, dass er "außer dem Pauschalvorwurf der Terrorfinanzierung" nie erfahren habe, was gegen ihn vorliegen soll.
Der Unternehmer zog sich aus dem Vorstand der Deutschen Forfait zurück, "um weiteren Schaden von dem Unternehmen abzuwenden", wie er sagt. Dar Schaden war eh schon immens. "Auf irgendwas zwischen 150 und 200 Millionen Euro", schätzt Wippermann die Verluste durch den Eintrag auf der Schwarzen Liste des US-Finanzministeriums. Denn kaum jemand wollte die Kölner Firma noch als Geschäftspartner haben. Die Aktie stürzte ab.
US-Finanzministerium will sich nicht äußern
Auf Anfrage von Panorama möchte das US-Finanzministerium sich nicht zum Vorgehen gegen den deutschen Unternehmer äußern. Klar ist jedoch, dass die Vereinigten Staaten den Personen und Unternehmen auf ihrer Blacklist unterstellen, ihre nationale Sicherheit zu gefährden. Gegen den Iran hat der US-Kongress seit langem scharfe Sanktionen verhängt, die letztlich das Ziel haben, das schiitische Klerikerregime wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Dieses Ziel wird von Deutschland und der EU nicht geteilt. "Die US-Regierung sagt: 'Wenn Du nicht das machst, was wir von Dir wollen, deutscher Geschäftsmann, dann ruinieren wir Dich'", fasst Wippermann die Lage aus seiner Sicht zusammen.
Regiert die USA in das Wirtschaftsleben anderer Staaten hinein?
Darf die US-Administration um ihrer eigenen geostrategischen Ziele willen in das Wirtschaftsleben anderer Staaten hineinregieren? Der Fall Wippermann wirft diese Frage in besonders eklatanter Weise auf. In allen möglichen Ausprägungen steht das Problem auf der Tagesordnung, und der neue Präsident Donald Trump wird diese Konflikte wohl kaum entschärfen.
Ein chinesischer Investor will das deutsche Unternehmen Aixtron, ein Spezialist für die automatisierte Herstellung von Computerchips, für 670 Millionen Euro kaufen. Die Administration in Washington hat die Übernahme gestoppt, weil sie "die nationale Sicherheit" der Vereinigten Staaten bedrohen würde. Die deutschen Anlagen ließen sich auch militärisch nutzen, so der Einwand aus den USA. Eine US-Behörde prüft also Firmenfusionen im Ausland und erhebt den Anspruch, diese aus politischen Gründen verbieten zu können.
"Extraterritoriale Anwendung nationalen Rechts"
"Extraterritoriale Anwendung nationalen Rechts" nennen das Experten. Und die kann "geradezu feindselig" sein, meint Winfried Huck, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel. Tatsächliche Machtverhältnisse spielten hier eine größere Rolle als die reine Lehre des Völkerrechts. "Man kann sagen: Das US-amerikanische Recht gilt nicht in der EU und es gilt nicht unmittelbar in Deutschland. Aber es wirkt", beschreibt Huck die Situation.
Geschäftsbeziehung zu Iranern im Einklang mit deutschem Recht
Das hat auch Lars Christiansen gespürt. Bis vergangenes Jahr arbeitete der 46-Jährige für die Commerzbank in Hamburg als Spezialist im "Cash Management & International Business". Dann kam die Kündigung. Dabei hatte Christiansen nicht gegen Regeln des Arbeitgebers verstoßen, im Gegenteil. Er hatte die Geschäftsbeziehung zur staatlichen iranischen Reederei "IRISL" ausgebaut. Genau das hatten seine Vorgesetzten und der Vorstand in Frankfurt von ihm erwartet. Die Geschäftsbeziehung zu den Iranern stand im Einklang mit deutschem und europäischem Recht.
Kündigung unrechtmäßig?
Die Staatsanwaltschaft New York und das US-Justizministerium warfen der Commerzbank jedoch Verstöße gegen US-Recht vor. Ein Strafverfahren gegen die Commerzbank wurde eröffnet. Um dieses zu beenden, stimmten die Deutschen einem Vergleich zu. Darin verpflichteten sie sich unter anderem zur Zahlung von 1,3 Milliarden Dollar Strafe und zur Entlassung von vier Angestellten in Deutschland, unter ihnen Lars Christiansen. "Ich habe nie damit gerechnet, arbeitslos zu werden", sagt er. Der Hamburger Bankfachmann will nicht hinnehmen, dass US-Behörden eine Kündigung in Deutschland erzwingen können, obwohl dem Angestellten nach deutschem Recht kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann.
"Ich werde kämpfen", betont Christiansen. Zwei Gerichtsinstanzen haben ihm bereits Recht gegeben. Die Richter stellten fest, dass er "wegen Drucks durch Dritte", also der Vereinigten Staaten, entlassen wurde. Die Commerzbank will die Kündigung jedoch durchboxen. Deshalb kommt der Fall jetzt vor das Bundesarbeitsgericht. Auf Anfrage sagt die Commerzbank, dass sie sich zu "arbeitsrechtlichen Verfahren" öffentlich nicht äußern möchte.
Wirkungslose Waffe gegen Embargogesetze
Eigentlich haben die Europäer ein Instrument, um die Übergriffe der US-Behörden abzuwehren. 1996 gab die EU sich eine Verordnung gegen die "extraterritoriale Anwendung nationaler Sanktionsgesetze". Es war eine Antwort auf das Kuba- und das Iran-Embargo der USA. Demnach ist es europäischen Unternehmen sogar verboten, sich an nationale Embargogesetze der Vereinigten Staaten zu halten. Aber in der Praxis blieb diese Waffe stumpf. In der politischen Wirklichkeit nehmen die Europäer die amerikanische Übergriffigkeit hin. Nichts spricht dafür, dass sich das unter Trump ändern wird.
Zu diesem Thema erscheint am 1. Dezember ein ausführlicher Artikel in der Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ)