Freibäder: Sexuelle Belästigung durch Flüchtlinge?
Endlich Sommer, hinaus ins Freibad, denken sich in diesen Tagen viele Menschen. Es ist der erste Sommer nach der großen Flüchtlingswelle im vergangenen Jahr, und so sind auch viele Flüchtlinge in Frei- und Schwimmbädern unterwegs, viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Immer wieder gibt es nun Schlagzeilen wie diese: "Junger Afghane - ein Sextäter?" oder "Kinder im Schwimmbad sexuell belästigt". Gibt es Grund für den von "Bild" ausgerufenen "Sexmobalarm im Schwimmbad", oder ist alles ganz normal? Panorama mit dem Versuch einer Bestandsaufnahme.
Wie es sich anfühlt, wenn die eigenen Kinder betatscht werden, weiß Maike Sicre, Mutter von drei Kindern aus Offenburg in Baden Württemberg. Ihre beiden elfjährigen Zwillingstöchter wurden nach eigenen Angaben von einem 30-jährigen Flüchtling in einem Schwimmbad sexuell belästigt. Dem einen Mädchen sei mehrfach an den Po gegriffen worden, und der anderen Tochter habe der Mann das Bikinioberteil heruntergerissen. Der Fall liegt inzwischen bei der Staatsanwaltschaft, der mutmaßliche Täter bestreitet die Tatvorwürfe.
Offen mit den Vorfällen umgehen
Maike Sicre sagt, sie habe sich vorher kaum Gedanken über das Thema gemacht, weder sei sie besonders ängstlich gewesen noch habe sie negativ über Flüchtlinge gedacht. Der Vorfall aber habe sie nun misstrauisch gemacht. Keinesfalls dürfe man über solche Vorfälle schweigen, man müsse offen damit umgehen, dies sei in dieser Hysterie der richtige Weg.
Doch spiegeln Schlagzeilen vom "Sexmob im Freibad" wirklich die Realität in deutschen Freibädern wieder? Panorama hat in allen Bundesländern nachgefragt. Zahlen gibt es, wenn überhaupt, nur zu den noch nicht ausermittelten Anzeigen. In den meisten Bundesländern liegen sie auf dem Niveau der Vorjahre. In Rheinland-Pfalz und im Saarland sind sie rückläufig. In Sachsen und vor allem in Niedersachsen gibt es einen Anstieg der Anzeigen. Und, darauf weist Frank Federau, der Sprecher des Landeskriminalamtes in Niedersachsen, hin: Zum ersten Mal gebe es bei den Angezeigten mehr Ausländer als Deutsche. Man müsse aber auch deutlich sagen, dass der größte Teil der ausländischen Bevölkerung und der Flüchtlinge solche Straftaten nicht begehe. Man habe es mit einer kleinen Menge zu tun, aber diese müsse man sich auch genau angucken.
Oldenburg: Security im Freibad
In Oldenburg in Niedersachsen sind in dieser Saison zum ersten Mal Security-Mitarbeiter im Freibad unterwegs. Ein junger muskulöser Mann patrouilliert zwischen Sprungturm und Kiosk, muss ab und an Streitigkeiten schlichten und ermahnt junge Badegäste nach absichtlich herbeigeführten Rutschunfällen.
Unter den Störenfrieden seien auch Flüchtlinge. Neben der außenwirksamen Security-Streife hat die Bad-Leitung eine weitere Maßnahme ergriffen: Sie hat die Regeln für Gäste ergänzt. Darunter: "Frauen nicht betatschen", "Frauen und Männer sind gleich gestellt" und: "Sexuelle Belästigung ist in jeder Form zu unterlassen." Bis auf einen schwerwiegenden Übergriff auf eine junge Frau, bei dem die Polizei anrücken musste, sei es aber bislang ruhig geblieben. Die Stimmung im Bad ist ausgelassen, wie sonst auch.
Geflüchtete arbeiten als Badelotsen
Doch es gibt auch Beispiele, wo alles reibungslos funktioniert. Beispielsweise in Hanau, wo 80 Flüchtlinge ehrenamtlich als Badelotsen in den beiden Schwimmbädern der Stadt aushelfen. Sie erklären die Baderegeln, übersetzen und erklären den geflüchteten Menschen, wie sie sich - bei Unwissenheit - zu verhalten haben. Vorfälle gab es in Hanau bisher keinen einzigen. Vielleicht liegt es auch daran, dass Multikulti in der Stadt seit Jahrzehnten gelebte Realität ist.
Wie eine Welle, ja eine Hysterie entsteht, davon kann die Stadt Bornheim in Nordrhein-Westfalen nur zu gut erzählen. Anfang des Jahres entschied sich die Stadt, den Badebetrieb für eine Woche einzustellen. Der Grund: Es gab anonyme Beschwerden über junge, männliche Flüchtlinge, die weibliche Badegäste belästigt hätten. Das Medienecho war enorm, es hagelte Kritik von allen Seiten.
Aussetzung des Badebetriebs: Maßnahme für Flüchtlinge
Allerdings war die Entscheidung, den Badebetrieb auszusetzen, eine Entscheidung für die Flüchtlinge, sagt Markus Schnapka, der damalige verantwortliche Sozialdezernent der Stadt. Es habe sofort Gespräche mit den Flüchtlingen gegeben, wie man sich hier eben in einem Schwimmbad verhält. Und dass das Anfassen, Bedrängen oder gar Belästigen von Frauen eben absolut nicht gehe. Es sei keine erzieherische Maßnahme gewesen, sondern eine bewusstseinsbildende. Seitdem habe es in Bornheim keine weiteren Vorfälle mehr gegeben.