Alternative für die Politik: Emotionen statt Fakten
Es hat schon etwas zu bedeuten, wenn Angela Merkel auf einer Pressekonferenz über ein für sie vollkommen neues Thema spricht: "Es heißt ja neuerdings, wir leben in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten. Sie folgen alleine ihren Gefühlen."
Was die Bundeskanzlerin nach den Niederlagen der CDU bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin anspricht, ist nichts anderes als die Gefühlslage der Wähler der AfD. Und es beschreibt ebenso das Politikkonzept der Rechtspopulisten: Emotionen statt Fakten - sei es bei dem Thema Klimawandel, Islam oder auch beim Thema Flüchtlinge.
Um Aufklärung und Einordnung geht es nicht
Wenn beispielsweise die AfD-Frontfrau Frauke Petry davon spricht, dass sie in einem Land leben wolle, "in dem Mädchen und Jungen ins Freibad gehen können, ohne begrapscht zu werden", hat das kaum etwas mit der Wirklichkeit zu tun. Betrachtet man die zurückliegende Saison, sind Flüchtlinge im Freibad im Wesentlichen dadurch auffällig geworden, dass sie nicht schwimmen können.
Gefühlte Wahrheit
Doch um Aufklärung und richtige Einordnung gehe es der AfD auch gar nicht, so der Blogger Sascha Lobo. Im Gegenteil. "Man versucht, sich bei der Politik der gefühlten Wahrheit nur die Teile der Realität herauszusuchen, die einem tatsächlich in den Kram passen. Und alles andere blendet man aus. Denn das Ziel von der Politik der gefühlten Wahrheit ist es, Menschen emotional zu mobilisieren, ihnen ein Bild zu vermitteln, das am Ende sich in Wählerstimmen ausdrückt."
Gefahren werden überhöht
Der AfD-Politiker Alexander Gauland gibt offen zu, dass die AfD die Gefahren der Flüchtlingskriminalität überhöht. "Man macht es nicht, indem man falsche Dinge behauptet, aber indem man bestimmte Dinge in den Vordergrund der Argumentation stellt", so Gauland gegenüber Panorama. Zum Beispiel die Übergriffe in der Silvesternacht von Köln. Dass - rein statistisch betrachtet - Flüchtlinge bei Sexualstraftaten nicht auffälliger sind als deutsche Männer, hat für Gauland keine wirkliche Relevanz. "Sie argumentierten mit dem Durchschnitt, und ich argumentiere mit deutlichen Ausreißern von dem Durchschnitt."
Kampagne aus 2006: "Kärnten wird tschetschenenfrei"
Welchen Erfolg eine solche Strategie haben kann, weiß kaum einer besser als Stefan Petzner. Der ehemalige Berater des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider kreierte 2006 für das BZÖ, einer Abspaltung der FPÖ, die Kampagne "Kärnten wird tschetschenenfrei". Ausgangspunkt war ein Vorfall, bei dem tschetschenische Asylbewerber in eine Schlägerei verwickelt waren. Ein Einzelfall. Statistisch waren die Tschetschenen in Kärnten nicht übermäßig auffällig gewesen. "Das war auch überhaupt nicht wichtig", sagt Petzner heute.
Vergleich mit Hitlers Aufstieg
Petzner gibt sich geläutert und arbeitet als Politikberater. Den momentanen Aufstieg der Rechtspopulisten betrachtet er mit Sorge: "Wie begann der Aufstieg Hitlers in Deutschland? Oder was war damals für eine Situation, in den 30er-Jahren? Börsencrash, Schwarzer Freitag, Massenarbeitslosigkeit, Massenverelendung. Und dann kommt einer, der sagt: 'So, die sind schuld' - damals waren es die Juden. Wenn die weg sind, geht es uns allen wieder gut. Das ist heute nichts anderes. Ich meine, nicht mehr so mörderisch und dass Millionen sterben, aber die Mechanismen und die politischen Mechanismen, die sind ganz gleich."