Ubers unheimliche Datenmacht
Uber-Deutschlandchef Fabien Nestmann nennt es im Interview mit ARD-Panorama und der "Berliner Zeitung" "ein analytisches Spiel", was die Mitarbeiter des umstrittenen Fahrtenvermittlers mit den Daten der Nutzer trieben. Den Kunden des Fahrtendienstes dürfte das Spiel allerdings ungefähr so lustig vorkommen, wie von einem Stalker verfolgt zu werden. Die Mitarbeiter von Uber werteten nämlich aus, welche Nutzer wann und wo einen One-Night-Stand hatten, um damit ihre mächtigen Fähigkeiten zur Analyse der Nutzerdaten zu demonstrieren.
In einem inzwischen gelöschten Blogpost hat Uber das Vorgehen im März 2012 detailliert beschrieben: Um die Zahl der One-Night-Stands zu bestimmen, filterten Ubers Datenexperten Personen heraus, die am Wochenende eine Fahrt zwischen 22 Uhr abends und 4 Uhr nachts buchten - und dann eine weitere Fahrt in einem Radius von etwa 160 Metern des Absetzungspunktes vier bis sechs Stunden später anforderten. Aufgrund der Annahmen, wann Nutzer wo One-Night-Stands hatten, veröffentlichte Uber dann Karten von New York, San Francisco und anderen US-Städten, in denen der Bezirke mit besonders vielen One-Night-Stands rot eingefärbt wurden.
Steigt Google bei Uber ein?
Uber-Deutschlandchef Fabien Nestmann verteidigte das Vorgehen im Interview. Er sagte: "Man kann aus sämtlichen Auswertungen Rückschlüsse ziehen, die helfen können, das Angebot zu verbessern. Das ist Teil der Aktivität, die Uber machen muss und wird." Gelöscht werden die Nutzerdaten Nestmann zufolge nur, wenn ein Nutzer Uber dazu explizit auffordert. Die Sammlung der Nutzerdaten ist dem Uber-Deutschlandchef zufolge "Teil des Konzeptes" des Fahrtenvermittlers, in den die Risikokapitalabteilung von Google eine Viertelmilliarde US-Dollar investiert hat. Im Silicon Valley spekulieren einige Experten aufgrund der engen Verbindungen zwischen Uber und Google sogar über eine baldige Übernahme.
Digitalexperte Sascha Lobo sieht dagegen in der Auswertung einen Missbrauch der Nutzerdaten durch Uber. Im Gespräch ARD-Panorama und der "Berliner Zeitung" sagte Lobo, es sei eine neue Qualität, dass ein Taxiunternehmen sehr präzise sagen könne, ob und wie und wann man einen One-Night-Stand habe. Neu sei, dass nicht mehr nur der Fahrer irgendetwas mitbekommt, sondern Personen aus der Zentrale, mit denen man vorher nie in Kontakt gekommen sei. Lobo sagte: "Es ist dringend überfällig eine Diskussion darum zu führen, was sich alles mit diesen Daten anstellen lässt."
Alles nur Optimierung?
Hinter der Auswertung der Daten steht das Ziel die Vorhersage-Algorithmen zum Einsatz der Uber-Fahrer zu optimieren. Nestmann sagte, Uber könne eine maximale Auslastung der Fahrer nur erreichen, wenn der Dienst die Nachfrage möglichst genau vorhersagen kann.
Prognostiziert Uber, dass Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen One-Night-Stand haben, so könnte dies in die Prognose mit einfließen, wo besonders viele Fahrten benötigt werden. Aus diesem Grund versuchte Uber auch herauszubekommen, in welchen Gebieten besonders viel Prostitution herrscht. Dazu analysierte der Konzern Verbrechensstatistiken, wie Uber in einem inzwischen ebenfalls gelöschten weiteren Blog-Beitrag beschrieb. In Gegenden, in denen besonders viel Prostitution vorkomme, werden nämlich überproportional viele Uber-Fahrten gebucht.
Um die Vorhersage zu optimieren, versucht Uber nicht nur zu analysieren, wohin sich Personen mit Uber kutschieren lassen, sondern auch, was sie vorhaben. In einem weiteren Blogpost wird ausgeführt: "Wir benötigen Informationen darüber, was das eigentliche Ziel der Menschen ist und nicht nur über den Ort, den Personen angeben, an dem sie abgesetzt werden möchten." Ubers Datenabteilung habe daher daran gearbeitet, welches Essen Uber-Passagiere bevorzugten und in welchen Hotels sie abstiegen. Nach eigenen Angaben erfolgreich: Der Konzern teilt mit, man habe Modell entwickelt, das in einem Test in 74 Prozent der Fälle das endgültige Ziel einer Person korrekt vorhersagen konnte.
Daten angeblich anonymisiert
Uber-Deutschlandchef Nestmann verweist darauf, dass solche Auswertungen mit aggregierten, anonymisierten Daten durchgeführt würden. Allerdings hat es wiederholt Fälle gegeben, in denen Uber-Mitarbeiter die Daten nutzen, um das Bewegungsmuster bestimmter Personen zu analysieren. Möglich macht dies ein internes Analysewerkzeug mit dem Namen "God View", übersetzt etwa "Blick Gottes". So berichtet der Investor Peter Sims, dass er während einer Fahrt mit Uber in New York City plötzlich eine SMS von einer fernen Bekannten bekam, in der sie ihm schrieb, welche Straße er gerade passiert hatte. Uber hatte bei der Party des Konzerns zur Einführung des Dienstes in Chicago kurzer Hand einen Bildschirm installiert, auf dem die Uber-Fahrten bekannter Persönlichkeiten live mitverfolgt werden konnten.
Journalisten offenbar gezielt verfolgt
Das God-View-Werkzeug soll auch von dem New-York-Chef von Uber eingesetzt worden sein, um die Bewegungen einer Journalistin der US-Publikation Buzzfeed zu verfolgen. Der Manager hatte Berichten zufolge auch auf weitere Bewegungsdaten von ihr zugegriffen.
Uber begann diese Vorgänge zu untersuchen, nachdem bekannt wurde, dass ein hochrangiger Uber-Manager bei einem Abendessen vorgeschlagen hatte, eine Million US-Dollar auszugeben, um acht Personen einzustellen, die Dreck über Uber-kritische Journalisten ans Tageslicht bringen würden, indem sie ihr Privatleben beleuchteten. Als darüber berichtet wurde, entschuldigte er sich für die Vorschläge. Uber-Deutschlandchef Fabien Nestmann sagt, die Aussage sei "nicht besonders intelligent" gewesen. "Uber ist nicht daran gelegen, Daten über irgendjemanden zu sammeln oder irgendjemanden in Misskredit zu bringen." Hinsichtlich der künftigen Analyse der Nutzerdaten verspricht Nestmann: "Natürlich wird sich Uber darauf konzentrieren, die sinnvollen Auswertungen zu machen."