Erbschleicher: Gefahren der Vorsorgevollmacht
Eigentlich ist die Idee gut: Wenn ein Mensch im Alter nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Geschäfte zu führen, kann er jemanden bestimmen, der das für ihn erledigt. Mit einer sogenannten Vorsorgevollmacht. Seit 2004 propagiert die Bundesregierung dieses Instrument. Genauso wie die "gesetzliche Betreuung", bei der sich ein vom Gericht bestellter, oft unbekannter Betreuer um einen nicht mehr geschäftsfähigen Menschen kümmert. Bei der Vorsorgevollmacht wählt man dagegen eine Person seines Vertrauens.
Starke Missbrauchsgefahr
Rund 2,5 Millionen Deutsche haben inzwischen eine solche Vollmacht erteilt - an Familienmitglieder oder andere nahe stehende Menschen. Ein Erfolg, der sicherlich auch in ihrer Einfachheit begründet liegt. Ein einfacher Schrieb genügt - wie eine Art Blankoscheck. Damit birgt eine Vorsorgevollmacht aber auch Gefahren, denn sie beinhaltet in der Regel zum Beispiel eine Kontovollmacht. Und wenn die Vollmacht notariell beurkundet ist, kann man damit sogar Häuser übertragen und verkaufen. "Eine Vorsorgevollmacht kann stark missbraucht werden", sagt Michael Bonefeld, Fachanwalt für Erbrecht. "Und da ist es nicht selten so, dass eine Vorsorgevollmacht die erste Stufe zur Erbschleicherei ist."
So auch bei Evelyn N. Sie wurde depressiv, nachdem ihr ein Unterschenkel amputiert werden musste und vertraute auf eine Bekannte. "Sie war ja meine sogenannte Bankberaterin, diejenige, die mich bei meinen Bankgeschäften betreut hat, und sie hat mir eingeredet, dass das gemacht werden muss mit der Betreuung. Dann kam der Notar." Sie erteilte der Bekannten eine Vorsorgevollmacht. Was sie da genau unterschrieben hat, sei ihr damals nicht bewusst gewesen, sagt sie heute.
Der erste Schritt zur Erbschleicherei
Letztendlich hat sich die Bankberaterin während der Krankheit von Evelyn N. offenbar schamlos an ihrem Konto bedient. 160.000 Euro fehlen und einen Großteil des Geldes wird sie wohl nie wieder sehen. Denn anders als der unbekannte, gesetzliche Betreuer, der beim Betreuungsgericht Rechenschaft über jeden Cent ablegen muss, ist eine Privatperson mit einer Vorsorgevollmacht nur gegenüber dem Vollmachtgeber selbst verantwortlich. Und oft merkt dieser nicht oder erst zu spät, dass etwas schiefläuft. Auf Nachfrage von Panorama teilt die ehemalige Betreuerin mit, Evelyn N. habe ihr einen Großteil des Geldes geschenkt. Evelyn N. selbst ist inzwischen ein Sozialfall.
Vor allem bei Menschen mit Demenz, die nicht mehr so viel mitbekommen, kann der Bevollmächtigte schalten und walten, wie er will. "Der Vollmachtgeber kann ja überhaupt nicht mehr überprüfen, ob alles rechtens ist, was der Dritte mit seiner Vollmacht macht. Dass er das Haus auf sich überträgt, dass er sich Geld vom Konto nimmt - das checkt der ja häufig gar nicht", sagt Michael Bonefeld. "Und dann fragt man sich: wer überprüft denn das? Die Antwort: keiner."
Bundesjustizministerium bestreitet die Gefahren nicht
In einem weiteren Fall führte dies dazu, dass sich eine allzu hilfsbereite Nachbarstochter von einem dementen Mann eine Vorsorgevollmacht und sein Haus und fünf weitere Grundstücke übertragen ließ und ihn ins Altersheim verfrachtete. Mit dem Geld von seinem Konto renovierte sie dann das Haus und zog selbst ein. Immerhin - der Mann hatte Glück. Später konnte nachgewiesen werden, dass er bei der Übertragung des Grundstücks nicht geschäftsfähig war. Die Nachbarstochter musste Haus und Geld zurückgeben.
Auch das Bundesjustizministerium bestreitet die Gefahren der Vorsorgevollmacht nicht, weist aber auf die freie Entscheidung eines jeden hin, der eine solche Vollmacht erteilt. Gut wäre es aber, wenn das Ministerium mehr auf die Gefahren einer solchen Vollmacht hinweisen würde.