Betreuung: Wenn ein Fremder das Leben bestimmt
Die Zeit, die seine Frau von einem gesetzlichen Betreuer versorgt wurde, ist Henner Laumann in schrecklicher Erinnerung. Nichts durfte er regeln, wurde nicht einmal bei existentiellen Entscheidungen eingebunden, konnte nur hilflos zusehen, wie Geld von seinem Konto verschwand. Der Weg zu diesem Zustand war so schnell, so einfach: 40 Jahre waren seine Frau und er verheiratet, als bei seiner gesundheitlich eher labilen Frau eine Herzschwäche festgestellt wird - und sie dann auch noch psychisch erkrankt. Zuerst können ihr Mann und der gemeinsame Sohn sie noch zuhause pflegen, doch dann muss sie stationär in einem Krankenhaus untergebracht werden.
Kurze Zeit später muss auch ihr Mann ins Krankhaus, muss operiert werden, es kommt zu Komplikationen. Wieder zuhause werden die regelmäßigen Krankenhausbesuche unregelmäßiger. Laumanns entscheiden sich ein Heim für die Frau zu suchen. Bei einem Gespräch mit dem Sozialdienst des Krankenhauses wird die Pflegesituation von Frau Laumann besprochen, besonders angesichts der gesundheitlichen Einschränkungen ihres Mannes.
Zaungast im Leben der eigenen Frau
Dann zieht sie um ins Heim, und dort kommt die böse Überraschung: Als Henner Laumann einen Arzttermin mit der Heimleitung absprechen will, eröffnet ihm diese, dass er kein Recht habe, für seine Frau Entscheidungen zu treffen. Vielmehr hätte das Krankenhaus eine vorläufige Betreuung angeregt, die nunmehr auch vom Gericht bestätigt worden sei.
Von nun an darf Henner Laumann nur noch Zaungast im Leben seiner Frau spielen. Auch von wichtigen Entscheidungen wie z.B. die Verlegung seiner Frau in den geschlossenen Teil eines Krankenhauses und einer neuen Diagnose erfährt Henner Laumann erst im Nachhinein. Sogar auf das gemeinsame Konto hat der Betreuer ein Zugriffsrecht. Bis zum Widerspruch der Familie erstattet dieser sich ohne Hinweis an Henner Laumann seine Kosten vom Konto des Mannes. Für Henner Laumann ein unhaltbarer Zustand, aber rechtlich völlig legal: Im Zeitraum der vorläufigen Betreuung wird geklärt, ob eine endgültige Betreuung eingerichtet werden muss. Und dann wird ein endgültiger Betreuer gesucht.
Der "Betreuungsmarkt"
1992 wurde die Regelung der Vormundschaft abgeschafft. Seitdem gibt es gesetzliche Betreuer, die dann eingesetzt werden, wenn ein Mensch sich nicht mehr versorgen kann. Die gesetzliche Betreuung ist aufgesplittet: Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Finanzen - manchmal werden nur Teilbereiche des Lebens in fremde Hände gegeben. Die Bestellung erfolgt durch ein Gericht und sollte, so die ursprüngliche Idee, wenn möglich, von Angehörigen übernommen werden.
Stattdessen ist ein regelrechter Markt entstanden und in 20 Jahren hat sich die Zahl der Betreuungsverfahren beinahe verdoppelt. Henner Laumann und sein Sohn haben elf Monate gebraucht, um sich wieder ins Leben der kranken Frau zurückzuarbeiten. Schließlich haben sie mit Hilfe eines Anwalts erreichen können, dass inzwischen Vater und Sohn die Betreuung der Mutter übernehmen konnten. Ein langer Weg.