Stand: 31.10.2013 10:00 Uhr

Gutachter: Die heimlichen Richter

von Anke Hunold, Jasmin Klofta

Fünf Jahre unschuldig im Gefängnis

Ralf Witte
Drei falsche Gutachten bescheinigten dem unschuldigen Ralf Witte, er habe ein Mädchen vergewaltigt.

Fehlende Kontrolle durch den Richter - war das auch der Grund dafür, dass Ralf Witte fünf Jahre lang unschuldig im Gefängnis saß? Ein Mädchen beschuldigte ihn, sie mehrfach brutal vergewaltigt zu haben. Doch das Mädchen wurde von ihm nie vergewaltigt. Es hatte gelogen. Dennoch bestätigen drei Gutachter die Übergriffe, machen aus dem Familienvater Witte einen brutalen Kinderschänder. "Das muss ja ein Monster sein", dachte Ralf Witte als er die Gutachten las. Dann fiel ihm ein: "Die schreiben ja über dich."

Zweifel kamen dem Gericht nicht. Es folgte den Gutachten und verurteilte Witte zu 12 Jahren und acht Monaten Haft. Erst nach fünf Jahren im Gefängnis wird das Verfahren wieder aufgerollt. Erst jetzt wird deutlich: alle drei Gutachter haben die Aussagen des Mädchens nie wirklich kritisch hinterfragt, wichtige Untersuchungen und entscheidende Testverfahren nicht durchgeführt. Das Gericht hatte die massiven Mängel in den Gutachten nicht erkannt.

Stellung nehmen will heute niemand; weder das Gericht noch die Gutachter selbst. So bleibt nur das traurige Resümee: Während Witte fünf Jahre seines Lebens unwiederbringlich genommen wurden, hatte das Verfahren für Richter und Gutachter keine Folgen.

Abwälzen von Verantwortung

Richter entscheiden, fällen Urteile und sprechen Recht. So soll es sein. Doch sie verlassen sich nicht immer auf ihre eigene Urteilskraft - die Entscheidung scheint der Gutachter zu fällen. Egal ob in Strafprozessen, in Familiensachen oder auch bei einfachsten Verkehrsdelikten. Eigentlich sei der Gutachter ein Gehilfe des Richters, sagt Elmar Bergmann: "Tatsächlich ist es aber so, dass Richter sagen: Sachverständiger, mach Du mal, mach mir mal Entscheidungsvorschläge."

Und der Vorsitzende Richter des 2.Strafsenats am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sagt: "Natürlich ist es eine Erleichterung für die eigene Entscheidung und natürlich aber auch eine Erleichterung für die eigene Verantwortung." So schaffen Gutachter nicht nur Fakten für den Richter, sondern werden dadurch selbst de facto zu Richtern.

Deutscher Richterbund sieht kein Problem

Doch wie können überflüssige Gutachten verhindert werden? Wie kann die Qualität der Gutachter und der Gutachten garantiert werden? Wie stellen Richter sicher, dass sie Mängel in Gutachten erkennen? Der Deutsche Richterbund, die größte Vertretung von Richtern in Deutschland, sieht keinen Handlungsbedarf.

Andrea Titz, stellvertretende Vorsitzende des Richterbundes, sagt, dass der Richterbund sich nicht explizit mit der Problematik befasse, "weil es kein manifestes Problem ist". Vielmehr würden die Richter verantwortungsvoll mit Gutachten umgehen und diese auch überprüfen - "im Rahmen ihrer Möglichkeiten aber natürlich nur".

 

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Der Panorama-Beitrag vom 10. Oktober 2013 als PDF-Dokument zum Download. Download (93 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 31.10.2013 | 21:45 Uhr

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