Das Bundesministerium des Innern und Heimat im Jahr 2015 mit einer Deutschland- und Europaflagge © picture alliance / dpa / Rainer Jensen

Regierungs-Dokument: Kein deutscher Pass wegen umstrittener Parole?

Stand: 26.09.2024 14:32 Uhr

"From the River to the Sea" kann aus Sicht des Innenministeriums (BMI) ein Ausschlussgrund für die deutsche Staatsbürgerschaft sein. So steht es in den "vorläufigen Anwendungshinweisen" des BMI zum neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, die Panorama vorliegen.

von Manuel Biallas und John Goetz

Am 27.06.2024 ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft getreten. Demnach sollen Menschen, die in Deutschland arbeiten und gut integriert sind, schon nach fünf statt bisher acht Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Verschärft wurden die Anforderungen an das Bekenntnis zur sogenannten freiheitlich demokratischen Grundordnung: "Rassismus, Antisemitismus oder jede andere Form von Menschenfeindlichkeit schließen eine Einbürgerung aus", schreibt das Bundesinnenministerium dazu auf seiner Internetseite. Aber nach welchen Kriterien soll das überprüft werden? 

Bei einer Demonstration im Jahr 2021 gegen das israelische Vorgehen in
Nahost hält eine Demonstrantin auf dem Hamburger Gänsemarkt ein Schild mit der Aufschrift „Palestine will
be free from the river to the sea“ in den Händen. © picture alliance/dpa / Axel Heimken
Schilder wie dieses waren auch auf propalästinensischen Demonstrationen zu sehen.

In dem Dokument, das Panorama vorliegt, wird die Parole "From the River to the Sea", gegebenenfalls mit Zusatz "Palestine will be free" unter 10.1.1.1.3.1. als möglicher Ausschlussgrund für die deutsche Staatsbürgerschaft genannt. Es könnte mit einem Bekenntnis zur deutschen Verfassung unvereinbar sein, wenn es gegen die besondere historische Verantwortung Deutschlands gegenüber jüdischem Leben verstoße. Das beinhaltet etwa auch das Liken, Teilen oder Kommentieren der Parole in den sozialen Netzwerken. Die Parole "vom Fluss bis zum Meer" meint das Territorium zwischen Jordan und dem Mittelmeer, auf dem heutigen Gebiet Israels und den palästinensischen Gebieten.

2016: Eine Figur «Justitia» steht im
Landgericht Mannheim auf einem Schreibtisch. © picture alliance/dpa / Patrick Seeger
Das Landgericht Mannheim und das Verwaltungsgericht Düsseldorf bewerten die Parole unterschiedlich.

Die Eindeutigkeit dieser Parole ist unter Gerichten umstritten. So verneinte etwa das Landgericht Mannheim im Mai eine eindeutige Strafbarkeit dieser Parole. Der Ruf nach einer "Befreiung" Palästinas kann theoretisch auch den Wunsch nach einem gemeinsamen Staat für israelische Juden und Palästinenser auf dem gesamten Territorium zwischen Jordan und Mittelmeer ausdrücken. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im September sei die Parole Kennzeichen der verbotenen Organisation Samidoun und der Hamas.

Panorama und "FragDenStaat" liegen die "vorläufigen Anwendungshinweise" des Innenministeriums zum Staatsangehörigkeitsgesetz für die Bundesländer vor. Diese haben für die Länder, deren Behörden die Einbürgerungen vornehmen, grundsätzlich keinen bindenden Charakter. Jedoch erläuterte ein Sprecher gegenüber der dpa dazu: "Die Praxis der vergangenen Jahre hat jedoch gezeigt, dass die Länder sich an den Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums orientieren, damit die gesetzlichen Regelungen zum Staatsangehörigkeitsrecht einheitlich angewandt werden."

Das ganze Papier haben Panorama und "FragDenStaat" hier veröffentlicht:

Auf die Frage, ob diese uneindeutige Parole ein bestimmtes rechtliches Kriterium für die Einbürgerung von Menschen sein könne, antwortet das Bundesinnenministerium, es sei bei Äußerung der Parole der Zusammenhang zu beachten, in dem die Parole geäußert wurde.

Etwa, wenn "Aussagen wie 'From the River to the Sea' in Zusammenhang stehen mit einem ausdrücklichen Aufruf zu gewaltsamen Handlungen gegen den Staat Israel." Es sei "im Rahmen der persönlichen Vorsprache des Antragstellers und, soweit erforderlich, in einem ergänzenden Gespräch zu hinterfragen, ob der Antragsteller sich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung [...] innerlich glaubhaft zuwendet [...] oder in diesem Fall evtl. eine antisemitische Einstellung besteht", heißt es aus dem Bundesinnenministerium.

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